Mit Worten des Bedauerns beendete Richter Max Märkle am Amtsgericht Tettnang das Verfahren gegen eine 47-jährige, wohl psychisch kranke Frau: „So leid es uns tut, wir können die Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung aussetzen.“ Wegen versuchter räuberischer Erpressung muss die Friedrichshafenerin für acht Monate in Haft.
Was war geschehen? Es ging um zwei Euro
Im April 2019 hatte die Frau laut Anklage von einer Nachbarin im Treppenhaus zwei Euro verlangt. Gefolgt sei die Drohung, dass sie sie und ihre Kinder töten werde, wenn sie das Geld nicht bekomme.
„Ich weiß nichts von zwei Euro“, sagte die Angeklagte vor Gericht und lachte. „Was ist das für ein Betrag?“ Nein, Drogen habe sie an diesem Tag nicht genommen. Nur getrunken. Als sehr aggressiv beschrieb die als Zeugin befragte Nachbarin die Angeklagte. Die Drohung bestätigte ihr Freund, der beim Fernsehen von den lauten Stimmen im Treppenhaus alarmiert worden war. „Ich hatte Angst, dass etwas passiert. Es gab immer wieder Probleme“, sagte er.
Als „komplett von der Rolle“ beschrieb ein Polizeibeamter, der an jenem Tag im April 2019 in das Haus gerufen worden war, die Angeklagte. Sie habe sogar die Tür ihrer Nachbarin beschädigt. Eigen- und Fremdgefährdung hätten er und seine Kollegen nicht ausschließen können und die Frau daher in eine Fachklinik gebracht. Nach zwei Tagen war sie wieder zu Hause. „Wir kennen sie von vielen Einsätzen“, sagte der Beamte im Zeugenstand. „Sie war selbst für ihre Verhältnisse stark betrunken.“
Gutachter: Angeklagte war zum Tatzeitpunkt nicht schuldunfähig
Seit Jahren zeige die Angeklagte psychische Auffälligkeiten, sagte Hermann Assfalg, psychiatrischer Gutachter. Er bescheinigte eine chronische paranoide halluzinatorische Schizophrenie. „Diese Krankheit ist mit unterschiedlicher Ausprägung immer vorhanden“, erklärte Assfalg. Zum Tatzeitpunkt gehe er jedoch nicht von einem psychotischen Erleben, sondern von einer akuten Intoxikation mit Alkohol aus. Dadurch sei sie zwar steuerungs- aber nicht schuldunfähig gewesen.
Dem gegenüber stehen neun Einträge im Bundeszentralregister, darunter eine gefährliche Körperverletzung, für die die Angeklagte 2018 zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden war. Für Staatsanwältin Rebecca Hutt war entscheidend, dass sich die Nachbarin an die bedrohliche Situation auch nach einer so langen Zeit erinnerte und keinerlei Belastungstendenzen zeigte. Sie ging nicht von einem minderschweren Fall aus und plädierte für eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten. „Während der vorherigen Bewährung hatte sie jede denkbare Unterstützung und ich erkenne keine positive Sozialprognose“, sagte Hutt.
Verteidiger Richard Glaubach verglich das Geschehen im Treppenhaus dagegen mit einer Schulhofsituation nach dem Motto „Gib mir zwei Euro, sonst passiert was“ und forderte eine Bewährungsstrafe. „Bloßes Einsperren heißt nicht, dass ihre Erkrankung behandelt wird“, so der Anwalt.
„Wir drücken Ihnen die Daumen, dass Sie das alles in den Griff bekommen.“Richter Max Märkle
Richter Max Märkle und seine beiden Schöffen blieben bei ihrem Urteil zwei Monate unter der Forderung der Staatsanwältin. Die Einschätzung des Gutachters zur Schuldfähigkeit seien schlüssig. Trotzdem sei die Entscheidung nicht leicht gefallen, die Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung auszusetzen. „Für die Krankheit kann die Angeklagte nichts. Aber Alkohol und Drogen machen es nicht besser“, so Märkle.