Laika kann es kaum erwarten, dass Anja Koch die Tür der Box öffnet. Die zierliche Mischlingshündin wedelt mit ihrem ganzen Körper vor Freude, sie wirkt hochmotiviert. Zusammen mit weiteren Hündinnen sind die Hundeführer des Technischen Hilfswerks (THW) zum Training gefahren. An diesem Abend wird in Waggershausen geübt. Wie die zehnjährige Laika ist auch Lissy ein einsatzgeprüfter Personenspürhund. Die Weiße Schweizer Schäferhündin strahlt mit ihren sieben Jahren etwas mehr Ruhe aus.

Silke Hartel, Lizzys Führerin, und Anja Koch haben sich vor Jahren kennengelernt, als sie mit ihren Hunden eine private Mantrailer-Ausbildung machten und sich zu Hunde-Trainern ausbilden ließen. Anja Koch suchte damals eine Beschäftigung für ihren lebhaften Tierschutz-Hund und wollte sich ehrenamtlich engagieren. Auch Silke Hartel lag es am Herzen, Menschen zu helfen, und wie ihre Lizzy hatte sie Spaß an der neuen Herausforderung.

Teams gehören der THW-Gruppe „Örtliche Gefahrenabwehr“ an
Gemeinsam hatten die Frauen die Idee, das Mantrailing – die Personensuche mit Hund – beim THW-Ortsverband Friedrichshafen anzusiedeln. Nach anfänglichen Zweifeln wurden sie und weitere Hundeführer mit ihren Personenspürhunden im Januar 2020 in die Gruppe „Örtliche Gefahrenabwehr“ aufgenommen. Der Förderverein des THW ermöglichte es, Transportboxen und einen Anhänger anzuschaffen. Nachdem die Frauen die Grundausbildung des THW absolviert hatten, konnten sie mit der Ausbildung weiterer Hunde beginnen. Anja Koch wurde Gruppenführerin.
Personenspürhunde, auch als Mantrailer-Hunde bekannt, helfen bei der Suche nach Vermissten. Das können beispielsweise demente Menschen sein, die den Weg zurück in ihre Wohnung oder das Pflegeheim nicht mehr finden. In den vergangenen zwölf Monaten haben die Mantrailer der THW-Ortsgruppe bereits mehr als 24 Einsätze im Bereich der Leitstelle Bodensee-Oberschwaben erfolgreich absolviert. Damit das so bleibt, wird zweimal in der Woche drei bis vier Stunden lang trainiert, dazu an jedem zweiten Wochenende, immer wieder an einem anderen Ort. „Da braucht man eine Familie, die hinter einem steht“, sagt Silke Hartel, stellvertretende Gruppenführerin aus Meckenbeuren.
Schwindet die Konzentration, reicht die kurze Aufforderung: „Arbeite!“
Lizzy schnüffelt an Hecken, Laternen und Bäumen und macht ihr kleines Geschäft. Dann befestigt Silke Hartel die Leine am Geschirr. Es ist das Signal, dass jetzt die Arbeit beginnt. Selbst Katzen sind ab sofort nicht mehr interessant.

Wolfgang Stumpf hat Silke Hartel seinen Autoschlüssel übergeben, ist in unbekannte Richtung gegangen und hat sich irgendwo versteckt. Lizzy schnuppert kurz an dem Schlüssel und wird an die vereinbarte Stelle geführt, von der Stumpf losgelaufen ist. Sofort nimmt sie die Suche auf.
Wirkt die Hündin für einen Moment abgelenkt, genügt es, wenn Silke Hartel sie kurz auffordert: „Arbeiten!“ Die Suche ist Kommunikation zwischen Mensch und Hund. Lizzy zeigt der 53-jährigen Hundeführerin mit ihrem Körper den Weg und teilt ihr auch mit, wenn sie keine Spur riechen kann.
Im Einsatz geht es schon mal bis zu 15 Kilometer weit
Im Ernstfall beginnt die Suche unter Umständen im Pflegeheim am Bett des Vermissten. Anhand der Duftprobe, einem Schlafanzug oder einem Kissen, findet der Hund den Ausgang, den die vermisste Person genommen hat, und verfolgt die Spur. Bei jedem Wetter, bei Tag und Nacht. „Hubschrauber mit Wärmebildkameras können nicht immer fliegen“, sagt Anja Koch, aber auf Hundenasen sei immer Verlass.
„Die meisten Einsätze finden zwischen 24 und 3 Uhr morgens statt“, sagt die Gruppenführerin. Bis dahin haben Angehörige gewartet und vielleicht selbst gesucht. Nicht einfach für die Hundeführer, die wie Anja Koch vollzeitbeschäftigt sind. Besonders demente Menschen hätten einen großen Bewegungsdrang, weiß die 33-Jährige. So könne es durchaus sein, dass die Hunde und ihre Führer in der Nacht zehn bis 15 Kilometer zurücklegen müssen. Alle einsatzgeprüften Mantrailer, inzwischen sind es vier, sind rund um die Uhr einsatzbereit, Wochenende und Feiertage inklusive. Wird die Gruppe alarmiert, rücken alle Hunde aus und werden nacheinander im Abstand von zwei Kilometern eingesetzt.
„Für Hunde ist das in erster Linie Spaß, Spiel, Futter und Freude“
Lizzy hat Wolfgang Stumpf inzwischen hinter einem Baum gefunden, wedelt fröhlich mit dem Schwanz und setzt sich dann vor seine Füße. Im Gegensatz zu Polizeihunden auf Verbrecherjagd dürfen Mantrailer-Hunde die gefundene Person nicht stellen, auch Anspringen wird ihnen von Anfang an abgewöhnt. Lizzy freut sich jetzt auf ihre Belohnung und frisst sie Stumpf aus der Hand. „Für die Hunde bedeutet das Suchen in erster Linie Spaß, Spiel, Futter und Freude“, sagt Anja Koch. Und was auch die Gruppenführerin freut: „Nach anfänglicher Skepsis gehören die Hunde jetzt schon genauso selbstverständlich zum THW wie das technische Gerät.“ Dann ist ihre Laika mit Suchen dran. Sie freut sich schon auf das Spiel.