Sie haben um ihre Kandidatur lange ein Geheimnis gemacht und sich nun mit großem Brimborium entschieden, Ihren Hut in den Ring zu werfen. Wie kam es dazu?
Es ging nicht darum, ein Geheimnis aus der Kandidatur zu machen, sondern das Für und Wider sauber abzuwägen. Dann kam der Zeitpunkt der Entscheidung und die Fragstellung, wie man parallel zur Tätigkeit als Bürgermeister in Immenstaad und dem Familienleben eine professionelle und kreative Wahlkampagne auf die Beine stellt. Deshalb haben wir uns für eine Begleitung zur Erarbeitung der Kampagnenstrategie entschieden. Die Ausarbeitung der Website und eines Kandidatenflyers erfolgte dann recht kurzfristig. Meine Texte mit ersten Gedanken und Impulsen habe ich noch im Pfingsturlaub geschrieben und die grafische Aufbereitung konnten wir auch zügig vorantreiben.
Im Gegensatz zu ihrem Kontrahenten Simon Blümcke haben Sie sich für den Wahlkampf Unterstützung einer externen Agentur geholt. Braucht es das heutzutage, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen?
Die Stadt Friedrichshafen mit ihren rund 64.000 Einwohnern, starken Unternehmen und vielfältigen Themen hat einen professionellen und ernsthaften Wahlkampf verdient, denn es benötigt in meinen Augen einen Aufbruch für die Stadt. Deshalb haben wir bei der Erstellung eines Fahrplans für den Wahlkampf und der Gestaltung der Werbemittel externe Unterstützung in Anspruch genommen, das ist heutzutage gang und gäbe. Auch digitale Kanäle werden bespielt, um möglichst viele Menschen zu erreichen.
Heißt: Der Wahlkampf findet im Jahr 2024 überwiegend digital statt – und das persönliche Gespräch braucht es gar nicht mehr?
Im Gegenteil, das persönliche Gespräch ist nach wie vor das A und O. Mir ist wichtig, Politik wieder greifbar zu machen und die Menschen niederschwellig einzubeziehen. Nach dem Motto „Henne hört hin“ habe ich mit Akteuren aus verschiedenen Bereichen gesprochen und war vor allem auch in den Ortschaften und Stadtteilen unterwegs, wo ein reges und aktives Miteinander herrscht. Mir war wichtig zu hören, was den Menschen auf dem Herzen liegt und dabei gemeinsam auch den Blick auf die Themen in der Kernstadt und der gesamten Stadt zu werfen – quasi von außen nach innen.
Welche Themen beschäftigen die Menschen denn?
Das Wichtigste ist, dass Friedrichshafen als Wirtschaftsstandort attraktiv bleibt. Gerade der Fachkräftemangel in der Kinderbetreuung, die Herausforderungen im Gesundheitswesen, die Defizite bei der Schullandschaft und der Sportinfrastruktur oder die Attraktivität der Innenstadt bewegen die Menschen. Die Stadt muss in diesen Bereichen wieder beste Rahmenbedingungen schaffen – nur so bleibt der Wirtschaftsstandort Friedrichshafen erhalten. Zudem hat Friedrichshafen einen schlechten Ruf: Der Begriff „Friedhofshafen“ muss verschwinden, die vorhandenen Möglichkeiten zum Beispiel im kulturellen Bereich müssen stärker beworben werden. Durch eine positive Marketingstrategie sollten die Besonderheiten der Stadt besser herausgestellt werden, wodurch Gäste, Touristen oder Arbeitskräfte angezogen werden können.
Und was qualifiziert Sie dafür, diese genannten Herausforderungen als Oberbürgermeister anzugehen?
Ich kann auf zehn Jahre Erfahrung in der öffentlichen Verwaltung und auf sechs Jahre in der Privatwirtschaft im Bereich der Modernisierung und Digitalisierung von Städten und Verwaltungen zurückblicken. Als Bürgermeister von Immenstaad habe ich zusammen mit Gemeinderat und Verwaltung in den vergangenen fast sieben Jahren die genannten Themenfelder bearbeitet. Wir haben Kinderbetreuungsangebote ausgebaut und für stabile Personalkapazitäten gesorgt. Unsere Sportinfrastruktur bringen wir aktuell auf Vordermann und haben Pläne für die Sanierung und Erweiterung der Schule. Die Schaffung von Wohnraum ist ein aktuelles Thema und auch unsere kulturellen und touristischen Angebote haben wir weiterentwickelt.
Nun könnten böse Zungen behaupten, dass Sie sich mit ihren jungen 37 Jahren und ihrer Berufserfahrung als Bürgermeister der vergleichsweise kleinen Gemeinde Immenstaad mit der OB-Kandidatur in Friedrichshafen übernommen haben. Was entgegnen sie?
Mir wurde vermittelt, dass die Häfler einen Oberbürgermeister wollen, der anpackt, verlässlich und dynamisch ist und langfristig zur Verfügung steht – dafür stehe ich. Ja, Immenstaad hat weniger Einwohner. Aber die Themen sind dieselben. Im Kleinen wie im Großen geht es um eine Grundhaltung – man braucht den Blick für die Menschen, aber auch den Mut, zu sagen: Es geht nicht mehr alles. In Anbetracht der wirtschaftlichen Herausforderungen muss künftig noch stärker priorisiert werden, wofür Geld ausgegeben werden soll.
Sie spielen auf den Flughafen an?
Unter anderem. Wobei das für mich nicht bedeutet, dass man solche Einrichtungen gleich schließen sollte. Man muss Konzepte entwickeln, um die Wirtschaftlichkeit an diesen Stellen zu verbessern.
Was ist aus Ihrer Sicht mit Blick auf die angespannte Haushaltslage die vergangenen Jahre in Friedrichshafen schiefgelaufen?
Es ist nicht an mir, die Vergangenheit zu beurteilen. Klar ist aber, dass an vielen Stellen im Land wirtschaftliche Herausforderungen bestehen und damit einhergehend ein großer Sanierungsstau. In der Zukunft wird es darauf ankommen, Innovationen zu fördern und offen für neue Technologien zu sein, um dadurch insgesamt wirtschaftlicher zu werden. Mittelständische Unternehmen vor Ort müssen wir stärker fördern, damit diese nicht weiter abwandern. Und klarer Fokus aus meiner Sicht: Klinikum, Kindergärten, Schulen und Sportstätten.
Nun ist Friedrichshafen eine besondere Stadt: Mit dem Amt als Oberbürgermeister verantwortet man Stiftungsvermögen und ist in diversen Aufsichtsräten vertreten. Sind Sie dem gewachsen?
Durch meine Studienabschlüsse im Bereich Verwaltung und Betriebswirtschaft und meine beruflichen Erfahrungen bei Unternehmensberatungen oder in verschiedenen Aufsichtsgremien kenne ich auch unternehmerische Prozesse sehr gut. Ich weiß, worauf es in der freien Wirtschaft ankommt, wie man mit großen Summen umzugehen hat und wie man als Aufsichtsrat ein Unternehmen kontrollierend begleitet. Ich kann also nicht nur moderne Verwaltung, sondern durchaus auch Privatwirtschaft.
Und wie könnte eine Modernisierung der Häfler Verwaltung unter Ihrer Ägide aussehen?
Wir brauchen einen Kulturwandel in der Verwaltung. flachere Hierarchien, digitale Arbeitsmethoden, Vertrauen und Förderung der Mitarbeiter: quasi eine Start-Up-Mentalität. Ich bin Teamplayer und setze auf die Schwarmintelligenz: Ein Oberbürgermeister weiß nie alles selbst. Die Verantwortung muss auf die vielen Schultern verteilt werden. Wichtig ist, dass man auch pragmatisch vorgeht und bürokratische Hürden abbaut.
Rechnen Sie sich beim Rennen um den OB-Posten reelle Chancen gegen Simon Blümcke aus?
Durchaus, sonst wäre ich nicht angetreten. Schön ist, dass die Häflerinnen und Häfler schon jetzt eine echte Wahl zwischen zwei Bewerbern haben, die sich fachlich auf Augenhöhe begegnen – und dabei ist die Bewerbungsfrist noch nicht mal vorbei. Sicherlich weisen die jeweiligen Profile auch Unterschiedlichkeiten auf, die Wählerinnen und Wähler dürfen nun entscheiden.