Herr Werner, Sie haben sich den Ort des Treffens selbst ausgesucht. Warum stehen wir hier vor dem Orion-Hochhaus, an der Ecke Friedrichstraße/Eckenerstraße?
Schauen Sie sich mal um: Hier könnte man an so vielen Stellschrauben drehen, um die Innenstadt zu verschönern. Für die Friedrichstraße, die Eugenstraße und die Charlottenstraße würde ich mir eine Einbahnstraßenlösung wünschen, das würde die Innenstadt direkt aufwerten und sowohl den Fußgängern als auch den Fahrradfahrern entgegenkommen. Oder man könnte die Fußgängerzone begrünen. Hier steht eine alte Uhr, die rostet und nicht mehr funktioniert. Diese Uhr, die still steht, ist ein passendes Sinnbild dafür, wie es um die Entwicklung der Innenstadt bestellt ist.
Sie haben erst kürzlich Ihre OB-Kandidatur öffentlich gemacht. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?
Über das Netzwerk für Friedrichshafen habe ich viele interessante Menschen kennengelernt. Ich war die letzten Jahre in fast allen Gemeinderatssitzungen. Und obwohl ich erst seit fünf Jahren hier bin, schlägt mein Herz für Friedrichshafen. Nach der Kommunalwahl habe ich erst darüber nachgedacht, mich auf den Posten zu bewerben. Ich wurde zunehmend von Menschen angesprochen, die mir das Amt zutrauten. Ich habe dann natürlich mit meiner Familie darüber gesprochen, ob eine OB-Kandidatur in Frage kommen würde, denn momentan besteht meine Hauptaufgabe darin, mich als Hausmann um meine Schwiegereltern und deren Hof in Waggershausen zu kümmern. Aber meine Familie steht vollkommen hinter mir. Darüber hinaus habe ich mir auch Zeit für mich genommen. Ich habe wieder neu herausgefunden, welche Werte in dieser neuen Lebensphase für mich wichtig sind. Und mit dem Amt des OB kann ich diese leben.
Wie sieht ihr Alltag als Hausmann aus?
Ich habe auch früher schon meine Hemden selbst gebügelt, jetzt bügle ich noch die Hemden von anderen mit (lacht). Meine Frau arbeitet Vollzeit und ich kümmere mich um den Haushalt und die Schwiegereltern. Ich mache Frühstück, mache Wäsche, koche und putze. Das schätzt meine Familie sehr. In der Öffentlichkeit wird das nicht immer so gesehen. Was ich sehr schade finde: Bisher hat sich noch keine Frau auf das OB-Amt beworben. Woran das liegt, kann ich nur mutmaßen. Eine Oberbürgermeisterin täte der Stadt sicher sehr gut, davon bin ich überzeugt.

Nun haben Sie viele Jahre als Geschäftsführer verschiedener Unternehmen fungiert, heute sind Sie Hausmann, lokalpolitisch sind Sie hier aber bislang noch nicht in Erscheinung getreten. Was qualifiziert Sie denn dafür, OB und Chef eines städtischen Verwaltungsapparates zu werden?
Es gibt vielleicht einige Bewerber, die mehr Erfahrung in der städtischen Verwaltung mitbringen und ich möchte es jenen nicht absprechen, dass sie einen guten Job als OB machen würden – aber es kann keine fünf Oberbürgermeister geben. Ich war in großen Unternehmen tätig, wo die Verwaltung eine wesentliche Rolle spielte. Zudem bin ich per se ein politischer Mensch. In meiner Funktion als Geschäftsführer war ich bereits in Brüssel und habe dort vor Abgeordneten zum Thema „Verwaltungstechnischer Aufwand und Bürokratieabbau“ gesprochen. In diesem Zuge habe ich mit dem Arbeitgeberverband und Dachverbänden zusammengearbeitet. Und manchmal ist es auch gut, keine Erfahrung in gewissen Dingen zu haben und mit frischem Blick an die Sachen heranzutreten. Und ich weiß, was die Wirtschaft braucht – und damit auch, was Friedrichshafen als Wirtschaftsstandort braucht.
Auf Ihrer Website schreiben Sie sehr offensiv: „Friedrichshafen braucht einen neuen Führungsstil“. Kann man da subtile Kritik am noch amtierenden OB herauslesen?
Mir liegt es fern, Herrn Brand zu kritisieren. Aber ich glaube, einen Führungsstil zu haben, der offen und kommunikativ ist. Ich habe nach persönlichen Gesprächen mit Mitarbeitern der jetzigen Verwaltung den Eindruck, dass das Frustrationslevel enorm hoch ist. Die Mitarbeiter würden sich gerne mehr einbringen und mehr machen, aber dürfen und können nicht. Dieses Potenzial der Mitarbeiter, aber auch der engagierten Häfler Bürger, muss aktiviert werden.
Was wäre denn ihre erste Amtshandlung?
Ich würde auf jeden Fall zuerst das Gespräch mit den Mitarbeitern suchen, mich vorstellen und dann gemeinsam die Ziele und die Führungskultur definieren. Ich bin keiner, der vorne hin steht und sagt: So und so funktioniert das jetzt. Natürlich ist es auch wichtig, sich mit den anderen Bürgermeistern an den Tisch zu setzen und eine Linie zu finden, denn da knirschte es in der Vergangenheit. Aber es darf ja auch mal knirschen, aus Reibung entsteht Wärme. Man muss es dann nur richtig kanalisieren. Letztendlich ist es das Wichtigste, offen zu kommunizieren und alle mitzunehmen – auch die Bürger. Deshalb möchte ich auch eine Bürgersprechstunde einführen.
Baufälliges Klinikum, ein Flughafen, der rote Zahlen schreibt, ein angeschlagener Finanzhaushalt, fehlendes Personal in der Pflege und in der Betreuung oder Wohnungsnot: Die Liste an Herausforderungen, die der künftige Häfler OB angehen muss, ist lang. Welches Thema muss aus Ihrer Sicht als OB prioritär behandelt werden?
Aus meiner Sicht sind es fünf Themen, die auch parallel angegangen werden müssen, da kann man nicht priorisieren und andere hinten anstellen: Klinikum, Kinderbetreuung, Verkehr, bezahlbarer Wohnraum und Innenstadtbelebung. Ich plädiere für einen Neubau des Klinikums, das gehört sogar zur medizinischen Basisversorgung. Auch das Thema Kinderbetreuung ist elementar wichtig: Ich kann zwar nicht auf einen Schlag die personelle Knappheit lösen, denn diese ist ein bundesweites Problem. Aber ich möchte passende Rahmenbedingungen schaffen und bestehende Teams stärken. Das heißt: Die Anzahl der Kinder pro Erzieher wird nicht erhöht, um so eine Kündigungswelle durch überlastetes Personal zu verhindern. Die Mitarbeiter müssen wertgeschätzt werden, dadurch sinken die Fluktuation und der Krankenstand. Und klar, auf mittelfristige Sicht muss man sich darum bemühen, dass Fachkräfte nach Friedrichshafen gelockt werden.
Was schwierig werden könnte, da der knappe und oftmals teure Wohnraum hier in Friedrichshafen nicht sehr attraktiv für Fachkräfte von andernorts ist.
Was mich maßlos ärgert: Die Stadt mit der städtischen Wohnbaugesellschaft besitzt zwar eigene Wohnungen – aber warum werden diese Wohnungen aktiv von der Stadt verkauft? Mit der städtischen Wohnbaugesellschaft und der Zeppelin Wohlfahrt hat die Stadt zwei große Immobilienunternehmen, die es auch mit städtischen Geldern zu fördern gilt, damit neuer und bezahlbarer Wohnraum entsteht. Zudem plädiere ich für die Erhöhung der Zweitwohnungssteuer. Jemand, der sich hier in Friedrichshafen eine Zweitwohnung leisten kann, die er eventuell nur für Urlaubszwecke nutzt, kann es sich auch leisten, etwas mehr zu bezahlen.
Sie schreiben auf Ihrer Website: Ihr Job als OB wäre es, das Leben eines jeden Bürgers jeden Tag ein Stück weit besser zu machen. Das ist ein hehres Ziel, das Sie sich auf die Fahne schreiben – wie möchten Sie das umsetzen?
Mir geht es um das Gemeinwohl: Jeder Bürger soll sich wohlfühlen. Dazu zählt auch, die Belange des Bürgers vor jenen des Tourismus zu stellen. Im Winter ist die Uferpromenade ausgestorben, gastronomisch ist nicht viel geboten. Aber die Häfler sind auch im Winter hier und wollen schöne Stunden in der Stadt verbringen. Da könnte die Stadt etwas aktiver werden, um beispielsweise auch gastronomische Zwischenlösungen zu finden. Auch die Uhr, die stillsteht und vor sich hin rostet, muss auf Vordermann gebracht werden. Denn gerade diese kleinen Dinge des Stadtbilds sind für die Optik wichtig.