Nach drei Monaten Sitzungspause wird der Gemeinderat am 15. Mai das nächste Mal tagen. Auch wenn Ratssitzungen nach Angaben des Innenministeriums ausdrücklich vom Versammlungsverbot seit Mitte März ausgenommen sind, sah Oberbürgermeister Andreas Brand – wie viele andere Rathauschefs – wohl keine Möglichkeit für eine reguläre Tagung.

Die scheint nun gefunden, doch nicht nur der Ort wird ein anderer als sonst sein. Wo genau der Rat in der Messe in Friedrichshafen tagen wird, steht nach Auskunft von Stadtsprecherin Monika Blank noch nicht fest. Raum oder Halle müssen Abstands- und Hygieneregeln erfüllen und auch Zuschauern coronagerecht Platz bieten. Unklar ist momentan auch, wie viele Gemeinderäte überhaupt an der Sitzung vor Ort teilnehmen werden.
Video-Teilnehmer sind (noch) nicht stimmberechtigt
Mehr als ein Drittel des 40-köpfigen Gremiums ist über 60 Jahre alt und gehört damit zur Corona-Risikogruppe. Zwar prüft die Verwaltung, ob Räte, die nicht teilnehmen, per Videokonferenz zugeschaltet werden können. „Nach derzeitiger Rechtslage sind diese Video-Teilnehmer dann aber ohne Stimmrecht, da die Gemeindeordnung von Baden-Württemberg noch keine digitalen Sitzungen zulässt“, teilt die Pressestelle mit. Das könnte sich allerdings bald ändern. Die Landesregierung will binnen der nächsten zwei Wochen ein Gesetz beraten und verabschieden, das auch virtuelle Ratssitzungen wegen der Corona-Pandemie zunächst bis Jahresende erlaubt.
Pause mit Fragezeichen
Die drei Monate dauernde Zwangspause des Rates hinterlässt bei den politischen Akteuren auch Fragezeichen. „Maßgebliches Arbeitsmittel“ seit Ausbruch der Krise waren demnach der digitale Austausch und Telefonkonferenzen des Ältestenrats mit dem Oberbürgermeister, erklärt CDU-Fraktionschef Achim Brotzer auf Nachfrage.
So unvermeidbar Alleinentscheidungen der Verwaltung im Ausnahmezustand erscheinen mögen, so wünschenswert sei aus Sicht der CDU-Fraktion, dass auch der Gemeinderat „wieder auf gewohnte Geleise“ kommt. Für die Grünen zeigt sich, dass „öffentliche Verwaltung und ihre Gremien formal nicht auf Krisenmanagement eingestellt“ seien, sagen Thomas Henne und Simone Kegelmann vom Ortsvorstand der Grünen. Macht und ihre Grenzen müssten für künftige Krisen ihrer Meinung nach geklärt werden – nicht nur in Friedrichshafen.
Dass sich auch die Verwaltung einer völlig unbekannten Herausforderung gegenüber sah, quittiert das Netzwerk mit „Respekt vor der bisher geleisteten Arbeit“ der Verwaltung und ihrer Mitarbeiter. Die Erwartung bleibe, dass bei der Umsetzung der Corona-Verordnungen „stets die richtige Balance zwischen allen berechtigten Interessen erreicht“ werde.
Bei der teilweisen Sperrung der Sitzbänke im Uferparkbereich dagegen ist dies aus Sicht des Netzwerks allerdings „leider nicht gelungen“. Hauptthema der nächsten Sitzungen wird der Haushalt für Stadt und Zeppelin-Stiftung sein. Der im März geplante Beschluss fiel mit der Sitzung aus.
Haushalts-Entwürfe sind Makulatur
Inzwischen sind die bereits Ende 2019 vorgelegten Entwürfe durch die Corona-Krise Makulatur. Am 15. Mai will der OB dem Rat nun erst einen Zwischenbericht über die aktuelle Finanzlage vorlegen, am 25. Mai dann den aktualisierten Planentwurf. „Natürlich müssen wir mit völlig anderen Einnahmen, aber auch Ausgaben rechnen“, erklärt OB Brand in einer Pressemitteilung. Er will mit einem Etat für 2020 „auf Sicht“ fahren statt des geplanten Doppelhaushalts. Ab 15. Juni soll der „neue“ Haushaltsentwurf in die Ausschüsse und am 29. Juni laut Zeitplan beschlossen werden.
„Dass für 2020 ein städtischer ‚Nothaushalt‘ ansteht, dürfte jedem klar sein.“Achim Brotzer, CDU-Fraktionschef im Gemeinderat
„Dass für 2020 ein städtischer ‚Nothaushalt‘ ansteht, dürfte jedem klar sein“, teilte CDU-Fraktionschef Achim Brotzer auf Anfrage unserer Zeitung mit. Sämtliche Planwerte von den Gewerbesteuern bis zu den Dividenden der Stiftungsbetriebe müssten „zum Teil sehr deutlich nach unten korrigiert werden“, nimmt Jürgen Holeksa, Fraktionschef des Netzwerks für Friedrichshafen, Stellung. Seine Fraktion zog neun von zwölf Anträgen für den Doppelhaushalt zurück, um Etat und Verwaltung zu entlasten.
Massive Einbrüche bei den Finanzen
Aus Sicht der Freien Wähler ist die Verwaltung nun „gefordert, möglichst belastbare Zahlen, Daten und Fakten zu benennen“, um einen Haushalt aufzustellen, der die Realität widerspiegele. Gerade jetzt sei es wichtig, über Fraktionsgrenzen hinweg für die Bürger dieser Stadt „sinnvolle Entscheidungen zu treffen und dabei einen kühlen Kopf zu bewahren“, erklärt Fraktionschefin Dagmar Hoehne. Auch die SPD sieht massive Einbrüche bei den Finanzen wie auch erhöhte Ausgaben aufgrund der Corona-Krise. Für Fraktionschef Wolfgang Sigg müsse es in den Haushaltsberatungen darum gehen, „die bisherigen Prioritäten zu überprüfen und uns auf das Notwendige und Machbare zu konzentrieren“.