Exakt am 17. Mai datiert ein Antrag fast aller Fraktionen im Gemeinderat, an jedem folgenden 17. Mai die Regenbogenflagge am Rathaus zu hissen. Dieses Datum gilt heute als internationaler Tag gegen Homo- und Transphobie, nachdem die Weltgesundheitsorganisation am 17. Mai 1990 beschloss, Homosexualität von der Liste psychischer Krankheiten zu streichen. „An diesem Tag wird daran erinnert, dass Schwule, Lesben, Bi- und Transsexuelle immer noch und – auch in Deutschland – wieder vermehrt angefeindet werden“, begründen die Ratsfraktionen von Grünen, SPD/Linke, Freie Wähler, Netzwerk, FDP und ÖDP ihren gemeinsamen Antrag. Die Regenbogenflagge soll „als Symbol für Toleranz, Akzeptanz und Vielfältigkeit“ am Rathaus wehen.

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Nur die CDU-Fraktion schloss sich dem Antrag nicht an. Mehr noch: Die Christdemokraten schoben einen eigenen Antrag hinterher, in dem sie ihre Ablehnung zur Rathaus-Beflaggung am IDAHOBIT-Tag formulieren. Die CDU-Fraktion setze sich für Toleranz und Vielfältigkeit und gegen Diskriminierung auch wegen der sexuellen Orientierung ein. Aber: „Weltoffenheit und Toleranz drücken sich aus Sicht der Fraktion freilich nicht durch Hissen von Fahnen an öffentlichen Gebäuden aus“, steht da.

Rathaus ist „Ort der Neutralität“

Die Begründung, die CDU-Fraktionschef Achim Brotzer liefert, hat das Rathaus im Wesentlichen übernommen. Die Stadtspitze empfiehlt dem Rat, der am Montag im Verwaltungsausschuss über beide Anträge berät, die Beflaggung am 17. Mai abzulehnen. Begründung: Der IDAHOBIT-Aktionstag sei kein hoheitlicher Anlass. Aus Gründen der Gleichbehandlung und weil das Rathaus ein Ort der Neutralität sei, soll die Regenbogenfahne also stecken bleiben.

„Interessierten Personenvereinigungen und nichtstaatlichen Organisationen aller Art bleibt es unbenommen, abseits öffentlicher Gebäude Flaggen an privat aufgestellten Fahnenmasten im Gemeindegebiet Friedrichshafen an allen Tagen im Jahr aufzuziehen.“
Aus der Begründung der CDU-Fraktion, den Antrag auf Rathaus-Beflaggung mit der Regenbogenfahne abzulehnen

Für die CDU handelt es sich „um ein Anliegen überwiegend nicht hoheitlicher privater Organisationen“. Die Fraktion befürchtet gar einen „Präzedenzfall“ und die „begründete Gefahr einer möglichen Instrumentalisierung der Rathaus-Beflaggung für eine mögliche Vielzahl beliebiger Anlässe oder Zwecke Dritter“. Seehasenfest und Fasnet allerdings sind ebenfalls keine hoheitlichen Anlässe. Beide Festivitäten empfiehlt die Verwaltung als „einzige Ausnahme“ für eine Rathaus-Beflaggung.

Friedrichshafen zeigte sich auch schon von seiner bunten Seite: Am Stadtbahnhof wehte vor einem Jahr eine große Regenbogenfahne vor dem ...
Friedrichshafen zeigte sich auch schon von seiner bunten Seite: Am Stadtbahnhof wehte vor einem Jahr eine große Regenbogenfahne vor dem Bahnhofsgebäude. | Bild: Lena Reiner

Nicht zuletzt verweist das Rathaus in seiner Vorlage auf die Vorschriften zur Beflaggung von Bund und Land. Allerdings geht aus beiden eindeutig hervor, dass sie nur für deren Dienstgebäude gilt, nicht für Rathäuser. In der Landesverordnung steht explizit, dass die Kommunen davon nicht berührt sind und bei der Beflaggung selbstständig handeln.

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Viele Städte und Gemeinden zwischen Bodensee und Nordseeküste sehen das ganz genau so. Nachdem am 17. Mai 2018 die Regenbogenflagge erstmals vor dem EU-Parlament in Brüssel gehisst wurde, machen es immer mehr nach. Ob Freiburg, Stuttgart oder gar Biberach, wo CDU-Oberbürgermeister Norbert Zeidler die Regenbogenfahne selbst hisste: Überall wird die Fahne als Zeichen für Weltoffenheit und Transparenz gesehen. In Sipplingen am Bodensee hängt sie seit Mitte Februar dieses Jahres vor dem Rathaus. Bürgermeister Oliver Gortat, der aus seiner Homosexualität kein Geheimnis gemacht hat, ist stolz darauf, dass seine Gemeinde die erste in Deutschland ist, die mit der bunten Fahne dauerhaft Flagge in Sachen Vielfalt zeigt.

Sipplingens Bürgermeister Oliver Gortat ist stolz darauf, dass vor seinem Rathaus die Regenbogenflagge weht.
Sipplingens Bürgermeister Oliver Gortat ist stolz darauf, dass vor seinem Rathaus die Regenbogenflagge weht. | Bild: Gemeinde Sipplingen

In einem offenen Brief an die Stadt Friedrichshafen kritisieren mehrere Gruppen die Haltung des Rathauses in dieser Sache. Friedrichshafen setze sich für Teilhabe ein, zeige sich aber „bei genauem Blick dennoch als wenig tolerant“. Der Argumentation in der Ratsvorlage könne man nicht folgen, sagen Vertreter der Regenbogen-Community Friedrichshafen, der Trans* Youth-Bodenseegruppe, dem Bündnis für Demokratie und Toleranz und dem Bündnis für Vielfalt sowie Übergang zur Vielfalt.

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„Wir treten ein für eine vielfältige Gesellschaft innerhalb der Stadt Friedrichshafens und darüber hinaus. Wir treten ein für die Sichtbarmachung marginalisierter und diskriminierter Bürger*innen der Stadt. Wir treten ein für das respektvolle Miteinander in einer bunten Stadt. Eine Ablehnung dieses Anliegens würde hingegen eine Menschengruppe unsichtbar machen und weiterhin am Rand der Gesellschaft zurücklassen“, heißt es in dem offenen Brief.

Keine Lobby

Viele Kommunen tragen inzwischen den internationalen Aktionstag mit. Mit ihrer Ablehnung der Beflaggung suggeriere das Rathaus, dass es sich im Fall des „IDAHOBIT“ um eine Art Lobby handele, also einer Interessenvertretung. Aber es handele sich um Menschen, „die Teil dieser Gesellschaft sind, von dieser jedoch ausgegrenzt werden“. Die Regenbogenfahne sei ein überparteiliches und international anerkanntes Zeichen der Verbundenheit und einer Bewegung, die auf gegenseitige Toleranz aufmerksam macht. „Es ist ein bunter Bogen, der sich über Ländergrenzen hinweg spannt und Menschen mit einschließt, denen ein freies Bekenntnis zur sexuellen Identität verwehrt ist“, heißt es in dem Brief.

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Mit dem Zeigen der Regenbogenfahne werde die Neutralität des Rathauses nicht tangiert. Auch hier werde es Menschen geben, die sich aus Sorge vor Repressalien und Diskriminierung nicht outen, weil immer noch Vorbehalte und Vorurteile gegenüber Menschen bestehen, die anders lieben und leben. Verbale und körperliche Übergriffe seien keine Seltenheit. „Niemand sollte wegen der sexuellen Orientierung oder der geschlechtlichen Identität in einer sich weltoffen gebenden Stadt ausgegrenzt werden.“ Die im Gemeinderat vertretenen Fraktionen werden um ihr Votum für das Hissen der Regenbogenfahne vor dem Rathaus gebeten – als klares Bekenntnis der Solidarität und des gesellschaftlichen Zusammenhalts.