Nach 30 Jahren ist am Bodensee Schluss: 1991 brachten die Veranstalter in Friedrichshafen mit der Eurobike die erste reine Fahrradmesse an den Start, die inzwischen zur Leitmesse für den Fahrradmarkt geworden ist. Doch ab 2022 wird die Eurobike nicht mehr in Friedrichshafen stattfinden – die Messe zieht vom Bodensee nach Frankfurt um.
Nachdem Friedrichshafen vor einigen Jahren bereits die Outdoor an den Messe-Riesen München verloren hatte, klingt das nach einem weiteren herben Schlag für den Messestandort am Bodensee. Immerhin kamen bei der Eurobike im September 2019 noch 60 000 Besucher nach Friedrichshafen, die der Messe am Bodensee künftig fehlen werden. Die Verantwortlichen von Stadt und Messe fanden in einer gemeinsamen Pressekonferenz der Messen Friedrichshafen und Frankfurt am Dienstag dennoch nur lobende Worte. Von der Stärkung ihrer Marktpositionen, der Weiterentwicklung der Leitmessen und gar einem Tag der Freude war da unter anderem die Rede. Wie kann das sein?
Anders als die Outdoor wandert die Eurobike nicht einfach an einen neuen Standort ab, die Messegesellschaften Friedrichshafen und Frankfurt gründen ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem Namen Fairnamic. Die neue Gesellschaft soll ihren Sitz am Bodensee haben, die Macher aus Friedrichshafen planen die Eurobike auch weiterhin, die Messe Frankfurt bringt an dem Joint-Venture neben finanziellen Ressourcen insbesondere ihren internationalen Vertrieb ein. Fairnamic soll sich dabei nicht nur um die Weiterentwicklung der Eurobike kümmern, sondern ist auch für die Luftfahrtmesse Aero verantwortlich, die in Friedrichshafen bleibt.
Wie wird der Umzug der Eurobike nach Frankfurt in der Region kommentiert?
Von der leichteren Erreichbarkeit, der Internationalisierung und der zusätzlichen Reichweite durch die Neuausrichtung würde – so die Verantwortlichen – auch die Messe Friedrichshafen profitieren. Wie Oberbürgermeister Andreas Brand in der Pressekonferenz erläuterte, hätten auch der Aufsichtsrat und der Gemeinderat zugestimmt. Jürgen Holeksa, der für das Netzwerk für Friedrichshafen im Gemeinderat sitzt, erklärt auf Anfrage: „Uns wurde versichert, dass die Eurobike ohnehin nicht am See geblieben wäre.“ Aus einer Bedrohung, dass die Messe einfach ganz abwandert, habe man mit dieser Zusammenarbeit eine Chance gemacht.
Anders als beim Weggang der Outdoor stehe man nun zumindest nicht mit leeren Händen da. „Und X Prozent von etwas sind sicherlich besser als nichts.“ Man habe daher zum richtigen Zeitpunkt die richtige Entscheidung getroffen, glaubt er. Die Messe können vor Ort nun Formate anbieten, die besser zur Region passen. So seien etwa mehrere kleine Messen denkbar, die parallel stattfinden und so ebenfalls die Hallen auslasten. „Verglichen mit der Option, gar nichts zu haben, ist das eine rundherum gute Sache“, fasst es Holeksa zusammen.
„Jetzt braucht es für Friedrichshafen ein tragfähiges Konzept für die Umnutzung einiger Messehallen.“Anna Hochmuth, Fraktionschefin der Grünen
Auch Anna Hochmuth, Fraktionschefin der Grünen im Gemeinderat, sagt: „Schon vor Corona hat es sich abgezeichnet, dass es immer schwieriger wird, große Messen in Friedrichshafen zu halten.“ Das Joint-Venture helfe zwar der Messe finanziell, für Hotels und Zulieferer bedeute der Weggang allerdings einen herben Verlust. „Jetzt braucht es für Friedrichshafen ein tragfähiges Konzept für die Umnutzung einiger Messehallen“, betont Anna Hochmuth außerdem. Mit den Volleyballern sei dafür bereits Bedarf da, jetzt sollte es hier auch Möglichkeiten für die Kultur geben.
Was bedeutet der Umzug der Eurobike nach Frankfurt für die Outdoor- und Fahrradbranche vor Ort?
Vaude-Chefin Antje von Dewitz sagt dazu: „Emotional finde ich das sehr schade, dass die Bodenseeregion, die ja anerkannterweise eine wunderbare und beliebte Outdoor- und Bikeregion ist, nun kein Messestandort mehr für diese Themen ist.“ Für Vaude als lokales Unternehmen hatte das ihren Angaben zufolge auch pragmatische Vorteile: „Wir konnten beispielsweise die Messe als Anlass nutzen, um Händler und Produzenten abends auch zu uns an den Standort einzuladen. Aber das ist nicht das Zentrale. Im Vordergrund steht, dass die Messe attraktiv und erfolgreich und damit die relevante Plattform für den Branchenaustausch sein soll“, sagt Antje von Dewitz.
In diesem Jahr ist Vaude selbst nicht bei der Eurobike dabei, denn „wir haben uns für einen Auftritt auf der Eurobico in Frankfurt entschieden, da absehbar war, dass wenig internationale Besucher nach Friedrichshafen kommen werden“. Besucher hätten in den vergangenen Jahren auch immer wieder zu wenig und teilweise sehr überteuerte Übernachtungsmöglichkeiten und die Verkehrssituation mit vielen Staus kritisiert. Für die Eurobike 2022 in Frankfurt wolle man nun das Konzept abwarten. „Wenn es gelingt, einen internationalen Fokus bei der neuen Eurobike erfolgreich zu etablieren, gehe ich davon aus, dass wir dabei sind.“
Globale Fahrradhersteller verabschieden sich von solchen Fachmessen
Auch Christoph Sawitzki, Vertriebschef von Lightweight in Friedrichshafen, kennt die Eurobike schon seit vielen Jahren. „In den vergangenen Jahren hat sich das Messegeschäft allerdings insgesamt stark verändert“, sagt er. Globale Fahrradhersteller würden sich von solchen Fachmessen verabschieden und stattdessen in ihren Häusern eigene Formate anbieten. „Damit verlieren die Messen an Strahlkraft“, sagt er. Früher sei dort als Aussteller kaum ein Stand zu bekommen gewesen, heute sei es anders. „Auch für uns als Marke ist die Messe aus dem Fokus gerückt, bei Herstellern mit anderem Profil und Ausrichtung ist das sicher anders“, so der Vertriebschef.