Eine der wichtigsten Zweiradmessen weltweit wird künftig nicht mehr in Friedrichshafen stattfinden, sondern in Frankfurt am Main. Wie die Messen Friedrichshafen und Frankfurt am Dienstag mitteilten, finde die Fahrradmesse Eurobike im Sommer 2022 erstmalig in Frankfurt statt. Gleichzeitig werde sie „völlig neu aufgestellt“, wie Eurobike-Chef Stefan Reisinger sagte.
Frankfurt verliert die Automesse IAA und gewinnt die Eurobike – was gewinnt Friedrichshafen?
Dazu gründen die beiden Messen ein Gemeinschaftsunternehmen mit Sitz in Friedrichshafen. Das Joint-Venture namens Fairnamic, an dem die Frankfurter Messe mit 49 Prozent beteiligt sein wird, soll die Kompetenzen beider Standorte beim Thema Mobilität bündeln. Fairnamic wird sich dabei nicht nur um die Weiterentwicklung der Eurobike kümmern, sondern ist auch für die Luftfahrtmesse Aero verantwortlich sein. Sie bleibt weiter in der Zeppelinstadt und soll zur Leitmesse für emissionsfreies Fliegen ausgebaut werden. Mit der Aero setze man weiter auf den „branchenweit einzigartigen Standortvorteil“ durch den direkten Zugang zum Bodensee-Airport, hieß es.
Sowohl die Frankfurter als auch die Friedrichshafener Messe sind nach einem Corona-Jahr mit tiefroten Zahlen wirtschaftlich unter Druck. Zudem mussten sie in jüngster Vergangenheit den Weggang zweier ihrer wichtigsten Messen nach München verkraften. Die Automesse IAA findet dieses Jahr erstmalig an der Isar statt. Friedrichshafen hatte zuvor die Messe Outdoor an München verloren.

Bei der jetzigen Neuaufstellung handele es sich aber nicht um ein „Corona-Notprogramm, sondern um eine strategische Entscheidung“, sagte der Frankfurter Messe-Chef Uwe Behm. Der Friedrichshafener Messe-Chef Klaus Wellmann sagte, man bündele die Kräfte und sei der Zeit voraus.
Tatsächlich steckt die gesamte Messebranche nicht erst seit Corona in einer Krise. Der Trend zum Internet setzt den Vor-Ort-Veranstaltungen zu. Dazu kommt eine verfehlte Preispolitik, die viele Aussteller in den vergangenen Jahren bewogen hat, auf eigene Roadshows oder Hausmessen zu setzen. Wichtige deutsche Branchentreffs wie die Cebit oder die Photokina haben massiv an Bedeutung verloren oder werden eingestellt.
Messen spüren generell Gegenwind
Auch die Eurobike, die neben der Interboot, der Tuning World sowie der Kunststoff-Fachmesse Fakuma zu den Top-Veranstaltungen in Friedrichshafen gehört, spürt Gegenwind. Zwar sind die Ausstellerzahlen auf einen Allzeithoch, insbesondere das Fachpublikum kehrt der Messe aber seit Jahren den Rücken. Seit 2014 sind die Besucherzahlen von gut 46 000 auf knapp 40 000 gesunken.
Fachleute wie Gunnar Fehlau, Gründer des Branchenportals Pressedienst-Fahrrad attestieren der Eurobike zwar „mit der Zeit zu gehen und auf Kundenwünsche zu reagieren“, führen aber auch Nachteile des Standorts wie etwa die mangelnde Erreichbarkeit an. An- und Abreise sowie die Unterbringung vor Ort seien oft extrem schwierig, sagte Fehlau dem SÜDKURIER.
Verkehrslage war erheblicher Nachteil für Standort am Bodensee
Den Punkt unterstreicht die Messe. Die schwierige Verkehrslage sei die „Initialzündung gewesen, sich über einen Plan B für die Eurobike Gedanken zu machen“, sagt Messe-Chef Wellmann. Dagegen sei die Erreichbarkeit auch fürs internationale Publikum in Frankfurt „gigantisch“, wie Eurobike-Chef Reisinger ergänzte.
Die Innenstadtlage des Frankfurter Messegeländes ermögliche es zudem, das Thema Fahrrad „ganz neu zu zelebrieren“. Generell soll der traditionell sport-orientierte Touch der Eurobike stärker durch andere Mobilitätsthemen, etwa für das urbane Umfeld, ergänzt werden. Die erste Ausgabe der Eurobike in Frankfurt ist für den 13. bis 17. Juli 2022 geplant. Dieses Jahr solle die Messe am Bodensee noch „in abgespeckter Form“ stattfinden.

Die wirtschaftlichen Folgen werden indes eher an der lokalen Gastronomie und Hotellerie als an der Messe hängenbleiben. Kapitalzuflüsse durch das neu zu gründende Gemeinschaftsunternehmen sicherten die Zukunft des Messestandorts Friedrichshafen, sagte OB Andreas Brand. „Für uns ist es ein Tag der Freude. Für die Messen Friedrichshafen und Frankfurt.“
In Frankfurt will man Geld verdienen
Sein Frankfurter Amtskollege Peter Feldmann sah das auch so: „In Frankfurt kann man mit Ihrem Produkt gut Geld verdienen“, sagte er.

Das Stuttgarter Wirtschaftsministerium erkennt in der Entscheidung indes einen Rückschlag für den Wirtschaftsstandort im Süden des Bundeslandes. Dass die Eurobike als globale Leitmesse den Messestandort Friedrichshafen verlässt, „ist bedauerlich“, sagte Südwest-Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut dem SÜDKURIER. Zugleich sei es zweifelsohne schmerzlich für alle, die im Umfeld dieser Messe als Geschäftspartner tätig sind – insbesondere Hotels, Gastronomie, Handel und Handwerk.
Wirtschaftsministerium: Jetzt sind neue Impulse nötig
Das ändere aber nichts an der Attraktivität des Messestandorts im Drei-Ländereck. „Ich setze fest darauf, dass es den Messemachern in Friedrichshafen gemeinsam mit dem sich in Planung befindlichen Gemeinschaftsunternehmen gelingt, in den Bereichen Mobilität und Luftfahrt neue und wichtige Impulse für weitere Leitmessen am Standort Friedrichshafen zu entwickeln“, sagte die Ministerin.