Normalerweise lädt der Hagnauer Winzerverein im Januar zum Winzertrunk. Zu diesem Termin berichtet Winzerchef Karl Megerle über alles, was für Winzer und Gäste interessant sein könnte: über den Verlauf und die Ernte des vergangenen Jahres, über die Aussichten für die kommende Zeit, über personelle Veränderungen und besondere Vorkommnisse. An all dem hätte es auch 2022 nicht gemangelt; doch Corona machte nach 2021 dem Winzerverein erneut einen Strich durch die Rechnung. „Zwei Jahre kein Winzertrunk, das hat es noch nie gegeben“, trauert Karl Megerle diesen verpassten Höhepunkten nach.

Aktion „Wein zwischen Reben“ kommt gut an

„Corona verändert momentan alles“, sagt der Vorsitzende des Winzervereins. Manche Aktionen, die alternativ organisiert werden, bergen jedoch auch positive Überraschungen: „Statt der normalen Weinproben mit vielen Besuchern hatten wir viele kleine Weinproben und viele davon im Außenbereich, also Wein zwischen den Reben. Das kam gut an.“

Karl Megerle im Sommer 2021.
Karl Megerle im Sommer 2021. | Bild: Mona Lippisch

Neben dem Winzertrunk fielen auch andere Großereignisse der Pandemie zum Opfer. „Natürlich gab es keine Weinfeste oder ähnliches. Selbst unser 140-jähriges Gründungsfest, das wir unter normalen Umständen groß gefeiert hätten, konnte nur als kurze Zusammenkunft vor dem Winzerhaus stattfinden.“ Dort präsentierte das Team um Karl Megerle und Kellermeister Jochen Sahler auch die erneuten Erfolge ihrer Weine: den Ehrenpreis des Badischen Weinbau-Verbandes für den Bereich Bodensee, zum 19. Mal in Folge, und den Staatsehrenpreis des Landes Baden-Württemberg, den man bestenfalls alle drei Jahre gewinnen kann.

Zunächst kein gutes Jahr für den Jahrgang 2021

Für den Wein war 2021 zunächst kein gutes Jahr, denn das Wetter war extrem ungünstig: Erst gab es zweimal Hagel und später einen verregneten Sommer. „2021 hat gezeigt, dass es ohne Pflanzenschutz nicht geht“, führt Megerle aus und schließt dann versöhnlich: „So viele Probleme wir gehabt haben, so sehr sind wir mit einem tollen Herbstwetter belohnt worden.“ Zwar gab es wegen des Hagels weniger Ertrag, aber die Qualität sei sehr gut.

Direktverkäufe fangen coronabedingte Umsatzausfälle großteils auf

Die coronabedingten Umsatzausfälle konnten zwar zum großen Teil durch mehr Direktverkäufe aufgefangen werden. „Wir haben viele Presseaktionen angeboten und auch die Social-Media-Kanäle konsequent bedient.“ Dennoch hofft Megerle auf ein Jahr 2022 ohne Covid. „Ein normales Jahr, von Witterung und Pandemie her, ein Jahr ohne solche Schlagzeilen, das brauchen wir jetzt.“

Bunte Gläser in den Wänden der Kelterhalle sollen an die Vorliebe von Gründungsvater Heinrich Hansjakob für farbiges Licht erinnern.
Bunte Gläser in den Wänden der Kelterhalle sollen an die Vorliebe von Gründungsvater Heinrich Hansjakob für farbiges Licht erinnern. | Bild: Uwe Petersen

Neues Winzerhaus soll im Sommer 2022 fertig sein

Der Winzertrunk musste ausfallen, die gleichzeitig geplante Generalversammlung aber will der Winzerverein im Sommer nachholen. „In Präsenz, das ist wichtig für die Genossenschaft.“ Dann soll auch das neue Winzerhaus fertig sein. „Vom Bau her sind wir das bereits; jetzt planen wir die Möblierung und hoffen, dass wir bis zur Jahresmitte einziehen.“ Auch die große unterirdische Halle mit ihren 1300 Quadratmetern wäre bezugsfertig.

„Die Planung der Technik und der Abläufe dauert aber mindestens noch ein Jahr. Wir nehmen sie also frühestens 2023 in Betrieb.“ Die Lagerfläche wird allerdings zum Teil schon genutzt. Auch die Kelterhalle ist vom Bau her fertig. Sie besticht von außen durch ihre Fassaden mit Sandsteinplatten und schräg eingesetzten, bunten Gläsern. „Die bunten Scheiben sind in Anlehnung an unseren Gründer Heinrich Hansjakob gewählt, der gegen seine psychischen Probleme gern Therapien mit farbigem Licht einsetzte“, erklärt Megerle dieses Design-Element.

Der Winzerverein Hagnau

Der Winzerverein Hagnau wurde 1881 vom damaligen Pfarrer, Politiker und Volksschriftsteller Heinrich Hansjakob gegründet. Er war damit der erste badische Winzerverein überhaupt. Der Name Verein ist irreführend: Es handelt sich eigentlich um eine Genossenschaft, deren Vorsitzender seit 2001 Karl Megerle ist. Ursprünglich war der Winzerverein im Rathaus untergebracht. Als die Räume dort zu klein wurden, baute der Verein und 1999 wurde unter Megerles Vorgänger Paul Dimmeler das jetzige Winzergebäude eingeweiht. Gut 20 Jahre später ist jetzt eine erneute Erweiterung nötig. Die 91 Mitglieder des Winzervereins stammen aus 52 Winzerfamilien, die in Hagnau, Stetten, Immenstaad und Markdorf beheimatet sind und insgesamt 170 Hektar Reben bewirtschaften. Als Rebsorten dominieren der Müller-Thurgau und der Spätburgunder mit je 40 Prozent. Ihnen folgen Grauburgunder (neun Prozent) und Weißburgunder (drei Prozent). Alle weiteren Sorten, wie Regent, Bacchus oder Kerner, liegen je unter zwei Prozent. Jährlich bringt der Verein im Schnitt 12.000 Hektoliter Wein auf den Markt.