Seit Monaten hat Hagnau eine Großbaustelle, die das geografisch am Rand liegende Rathaus mit Gwandhaus und Tourist-Info vom Rest des Dorfes quasi abschneidet. Grund ist der Neubau des Winzervereines in der Strandbadstraße, der eine Sperrung der Straße nötig machte.
Denn unter der Straße und unter der Kanalisation hindurch wird das neue Gebäude mit den alten Kellerräumen auf der Südseite verbunden. Jetzt wurde in kleinem Rahmen der „Richtspruch“ gefeiert, eine reduzierte Ausgabe eines Richtfestes.

Den Sinn der Maßnahmen sehen die Hagnauer sowieso ein: Der wichtigste Arbeitgeber und – neben dem See – das Hagnauer Aushängeschild überhaupt, der Hagnauer Winzerverein, braucht neue Räume und sorgt so für die Zukunft nicht nur der Winzer, sondern des ganzen Ortes.
„Das hätten wir uns 1999 auch nicht träumen lassen, als wir unsere aktuellen Räume eingeweiht haben, dass wir nach 20 Jahren schon wieder nicht genug Platz haben“, resümiert Karl Megerle, der seit 20 Jahren Vorsitzender ist. „Aber wir brauchen überall mehr Platz, in den Büros, im Lager, im Keller und vor allem in der Traubenannahme.“
Winzer sichern sich Nachbargrundstück 2013
Ein glücklicher Zufall kam den Winzern bereits 2013 zu Hilfe: Das Hotel „Scharfes Eck“ in unmittelbarer Nachbarschaft stand zum Verkauf. Noch ohne konkrete Vorstellungen war Megerle und seiner Mannschaft klar: „Das ist die einmalige Chance, falls wir jemals noch erweitern müssen. Im Norden und Osten ist die Kirche mit ihren Anlagen, im Süden rund um den Rathausplatz gibt es auch keine Möglichkeiten, also bleibt genau dieses Grundstück im Westen.“
Fünf Jahre später war es dann soweit: Die Traubenannahme über den Rathaushof war nicht mehr akzeptabel, der Platz in den Kellern zu gering. Also entschieden sich die Winzer 2018 für eine Neuplanung. Im Januar 2019 wurden bei der Generalversammlung die Pläne vorgestellt und genehmigt, die im Mai als Bauantrag den Gemeinderat passierten.

Da inzwischen auch die Büros zu klein geworden waren, nahm die Planung neue Dimensionen an. Doch was sich anzubieten schien: das Hotel als Büro zu nutzen, ließ sich nicht umsetzen. Die geplante großräumige Unterkellerung des Geländes machte einen Abriss des alten Hotels im Frühjahr 2020 unumgänglich.
Rohbau mit Richtspruch beinahe abgeschlossen
Schon deutlich durch Corona geprägt begannen im Frühsommer die Arbeiten am Rohbau. Der ist jetzt mit dem Richtspruch so gut wie abgeschlossen. Vor allem der neue Weinkeller sticht mit 1300 Quadratmeter und 8800 Kubikmeter Rauminhalt hervor. Seinetwegen musste die Baugrube zum Kirchplatz hin zwölf Meter tief sein.

„Die Kelterhalle an der Strandbadstraße sowie die Versandräume im EG sind das Herzstück und architektonische Highlight des Neubaus“, erklärte Architektin Agnes Moschkon, die die komplette Außengestaltung entwickelt hatte.

„Ihre Fassaden erhalten vertikal leicht geschuppte Sandsteinplatten und schräg eingesetzte, bunte Gläser. Eng gestellte, geschwungene Holzbinder tragen das im Bogen ansteigende, begrünte Dach. In ihr wird die sehr aufwendige Keltertechnik untergebracht.“ Mit umbauten 5000 Kubikmeter auf einer Fläche von 680 Quadratmeter ist auch sie großzügig bemessen.
Neues Gebäude ist für die Zukunft dimensioniert
„Das neue Gebäude ist auf Zuwachs geplant, also für die Zukunft dimensioniert. Da stehen uns – und vor allen den vielen engagierten jungen Winzern, die wir haben – viele Türen offen“, ist Megerle überzeugt.
Geradezu zierlich wirkt dagegen das Winzerhaus am Kirchplatz, das zweigeschossig ausgeführt ist und sich in Stil und Größe „als städtebauliches Pendant zum historischen Fachwerkhaus der Kirchengemeinde“ präsentiert, so Moschkon. Auf den 360 Quadratmeter sollen drei Büroräume und ein großer Seminarraum entstehen. „Alles in allem haben wir hier so viel Raum umbaut wie 15 Einfamilienhäuser.“

Wie geht es weiter? „Unser Ziel ist die Fertigstellung bis zum August 2021“, ist Megerle optimistisch. Dann sollen die neuen Büros bezogen werden. Wann die Technik der Traubenannahme umgebaut werden kann, das weiß noch niemand genau. „Wegen der Lese im Herbst kann man das ja immer nur zwischen Winter und Sommer machen.“

Ob das schon im nächsten Winter oder erst 2022/2023 sein kann, entscheidet sich „auch aufgrund von Corona und unseren Finanzierungsmöglichkeiten“. Denn allein die Kosten für Keller und Rohbau belaufen sich auf fünf Millionen Euro. „Wieviel der technische Umbau im Keller kostet, können wir noch gar nicht abschätzen. Das hängt auch davon ab, was wir neu anschaffen müssen.“