Herr Megerle, eigentlich beginnt das gesellschaftliche Jahr in Hagnau im Januar mit dem Winzertrunk. Der konnte in diesem Jahr wegen Corona nicht stattfinden. Haben Sie das schon einmal erlebt?

Ich bin mir nicht sicher, wie es in den Kriegsjahren aussah; so lange ich lebe, hat der Winzertrunk immer stattgefunden. Aber es ist ja nicht nur der Winzertrunk, auch wenn der in unserem Kalender immer etwas ganz Besonderes darstellt. Corona hat die ganze soziale Komponente unseres Lebens heruntergefahren. Die Feste im letzten Jahr sind alle ausgefallen, ob Sommerfest, Häfelefest, Weinfest oder unser Obst- und Weinwanderwegsfest. Das ist schade für das ganze Dorf und trifft auch den Winzerverein. Außerdem konnten wir bisher auch unsere Generalversammlung nicht abhalten, die traditionell am Tag des Winzertrunkes stattfindet.

Auf Abstand und nur zu zweit im großen Besprechungsraum: Hagnaus Winzerchef Karl Megerle (links) und SÜDKURIER-Mitarbeiter Uwe Petersen.
Auf Abstand und nur zu zweit im großen Besprechungsraum: Hagnaus Winzerchef Karl Megerle (links) und SÜDKURIER-Mitarbeiter Uwe Petersen. | Bild: Uwe Petersen

Wie können Sie die fehlenden Feste denn ausgleichen?

Komplett ausgleichen können wir das nicht, zumal ja auch die Gastronomie über lange Zeit ausfällt. In diesen Zeiten wird das Internet immer wichtiger. Und wir müssen uns neue Vertriebskanäle erschließen. Nur mit Direktverkauf lässt sich der Einbruch nicht auffangen. Unser Ziel muss es auch sein, nicht zuviel Menge zu produzieren, sondern noch mehr auf Qualität zu setzen.

Sie haben auch 2020 wieder viele Auszeichnungen erhalten. Wie können Sie die kommunizieren?

In Corona-Zeiten müssen wir da sehr stark über Social Media gehen. Das wird für uns immer wichtiger. Über die Verbreitung hoffen wir auf stärkere Nachfrage. Im Sommer konnten wir auch coronakonforme Weinproben anbieten, also weitestgehend draußen. Da hoffen wir, dass das 2021 auch klappt. Für den Weinabsatz war übrigens der Sommer ein Glücksfall, weil wir viele Touristen hatten und damit auch Verkauf an Restaurants und im Direktverkauf.

Ein Hauptpunkt beim Winzertrunk ist ja immer Ihre Rückschau auf das vergangene Jahr. Wie sieht diese aus?

Grundsätzlich war es für uns Winzer ein sehr gutes Jahr. Wir hatten zwar einerseits Probleme mit dem Ertrag. Das lag daran, dass es während der Blüte noch einmal kühl wurde und die Beeren dadurch „verrieselt“ sind und sehr klein waren. Weil wir aber zum Glück im Sommer immer wieder Niederschläge hatten und es während der Lese trocken war, sind vor allem die Rotweine sehr kräftig und farbintensiv geworden. Das wird insgesamt eine Superqualität und einer der Spitzenjahrgänge für Spätburgunder überhaupt. Für den Weintrinker ist das auf jeden Fall positiv! Trotzdem hoffe ich, dass die klimabedingten Temperaturextreme die Ausnahme bleiben.

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Die Lese war im vergangenen Jahr ziemlich früh. Warum?

Ja, wir hatten die Vorlese bereits am 10. September. Das ist der große Vorteil, dass wir alles von Hand lesen: Wir können zweimal durchgehen, um die ersten reifen Trauben zu ernten und die übrigen hängen zu lassen, bis sie reif sind. So können wir eine höhere Qualität erzielen, allerdings auch mit mehr Arbeit und damit höheren Kosten.

Wie sieht es mit den Weißweinen aus?

Im Weißwein-Bereich sind wir spitze. Das liegt an mehreren Faktoren: an der Lage, an unserer selektiven Handlese, an unserem Kellermeister und nicht zuletzt an den 52 Winzerfamilien, die alle ihr Bestes geben. Diese Kleinstrukturiertheit kommt aber nicht nur dem Wein zugute, sondern dient auch dem Tourismus und macht bei uns das Besondere aus. Die meisten von uns haben mehrere Standbeine, bauen Obst an, vermieten an Gäste und destillieren. Einziger Wermutstropfen 2020: In einzelnen Betrieben gab es Hagelschäden bis zu 30 Prozent. Vom Oechsle-Gehalt war es auch für Weißwein ein überdurchschnittliches Jahr. Und dank unserer Vorsichtsmaßnahmen und etwas Glück hatten wir keinen einzigen Corona-Fall, weder bei den Winzern, noch den Mitarbeitern, noch bei den Saison-Arbeitern aus Polen oder Rumänien.

Sie bieten seit einigen Jahren Öko-Wein an. Hat sich dessen Anteil während Corona verändert?

Sein Anteil wächst langsam, aber stetig. Wir haben ja inzwischen Demeter-Qualität: Das ist sozusagen die Königsdisziplin unter den Ökoweinen. Am Umsatz macht das noch nicht sehr viel aus. Aber für uns ist das ein Aushängeschild, dass wir das auch können. Das passt in unser umfangreiches Programm. Übrigens sind wir – also konventioneller und ökologischer Weinanbau – von den Zielen insgesamt, also einer möglichst wenig belastenden Bodenbewirtschaftung – gar nicht weit auseinander. Der moderne Weinanbau sucht da immer nach neuen Wegen.

Noch klaffen mehrere große Löcher zwischen dem alten Winzergebäude (links) und dem Rohbau. Die Straße soll aber bald wieder befahrbar sein.
Noch klaffen mehrere große Löcher zwischen dem alten Winzergebäude (links) und dem Rohbau. Die Straße soll aber bald wieder befahrbar sein. | Bild: Uwe Petersen

Neue Wege schlagen Sie auch mit neuen Räumen ein, wie ein Blick aus dem Fenster zeigt.

Ja, unsere Neubauten gehen zügig voran. Corona hat uns da kaum behindert; nur unsere Architektenbesprechung findet jetzt auch als Videokonferenz statt. Leichte Verzögerungen gab es durch den Wintereinbruch: Dadurch hat der Aushub des Tunnels etwas länger gedauert. Wichtig ist, dass die Straßen bald wieder offen sind. Das soll bis Anfang März passieren. Die Außenanlagen sollen dann im August oder September fertig sein. Die Kelterei folgt erst 2022, weil wir mit der Umstellung nicht mitten in die Lese platzen können. Sollte sich nach Corona die wirtschaftliche Situation verschlechtern, könnte sich das noch verschieben.

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Hätten Sie den Neubau auch geplant, wenn Sie vorher von Corona gewusst hätten?

Die Frage haben wir uns letztes Jahr auch gestellt und sie eindeutig mit „Ja“ beantwortet. Die Notwendigkeit ist da, die Finanzierung steht und die Aufgaben bleiben trotz Corona. Wir haben mehr Räume für uns, mehr Platz für den Wein und eine deutlich bessere Logistik für die Traubenannahme und den Transport. Mit diesem Bau planen wir für die Zukunft und es macht wirklich Spaß, das mit den Kollegen und Winzern zusammen zu tun. Es ist gerade unheimlich spannend mit der Gesamtentwicklung des Betriebs. Unser Anspruch ist es, jedes Jahr die beste Weinqualität zu haben. Da es jedes Jahr weiter geht, wird auch der Anspruch immer höher. Und so muss man immer am Ball bleiben.