Miriam Engel und Jürgen Böhler aus Illmensee hatten sich den Start in den Urlaub anders vorgestellt. Die Motorradfahrer aus Illmensee brachen am 1. Juni zu einer Tour nach Monaco mit fast leerem Tank auf. Im benachbarten Rickertsreute wollten sie tanken, doch auf der Tankpistole steht: leer.

Engel ist in der Altenpflege beschäftigt und somit den Umgang mit Mangel irgendwie gewohnt. Dass es an der Tankstelle keinen Sprit mehr gibt, ist aber auch für sie etwas verwirrend. Was ist da los, und wie hängt das mit der Spritsteuersenkung vom 1. Juni zusammen?

Die freie Tankstelle in Heiligenberg-Rickertsreute wird von Wilfried Ermler betrieben. Er sagt, dass er die Preissprünge der großen Konzerne weder nachvollziehen kann, noch dass er sie mitmachen will. Vom Rohölpreis her seien die Preise, die an Konzerntankstellen verlangt würde, verbunden mit einem starken Auf und Ab nicht zu rechtfertigen, kritisiert Ermler. Für ihn ist das ein Zeichen dafür, „dass sich die Multis eine goldene Nase verdienen“. Was er also von der Steuersenkung hält, die ja eigentlich den Verbrauchern zugute kommen soll? „Nichts.“

Sein Ziel sei es gewesen, so Ermler, zum 1. Juni den Kunden die Steuersenkung voll durchzureichen. Deshalb habe er versucht, seinen Vorrat im Mai noch aufzubrauchen, sodass er pünktlich zum Monatsbeginn seine Tankstellenvorräte mit dem günstigeren Sprit befüllen kann. Schließlich sei er komplett davon abhängig, was er an die Raffinerie bezahlt, über die wiederum die Steuerzahlung abgewickelt werde.
Phantasiepreis von fast 2,50 Euro bricht alle Rekorde
Ermlers Kalkulation ging nicht ganz auf, denn für E5 und E10 ging sein Vorrat bereits irgendwann zwischen dem 29. und dem 30. Mai zu Ende, es gab nur noch Diesel. Wann Nachschub kommt, konnte er am Morgen des 1. Juni noch nicht genau sagen.
Also schrieb er schon am Vortag deutlich auf die jeweiligen Tankpistolen: LEER! Das hätten einige Autofahrer allerdings übersehen, weshalb er die Preisanzeige an der Straße bis auf 2,499 hochsetze – ein Phantasiepreis, der zu diesem Zeitpunkt an keiner anderen Tankstelle im Bodenseekreis aufgerufen wurde, und der auch bundesweit unter den Spitzenreitern gewesen sein dürfte.
Denn knapp 2,50 Euro für einen Liter E5: Das sind natürlich Mondpreise. Weiß auch Ermler. Er wollte die Leute damit quasi abschrecken, sie darauf aufmerksam machen, dass sein Vorrat vorübergehend aufgebraucht ist. Doch sofort habe er auf Google eine schlechte Bewertung kassiert. Aufgeregte Zeiten!

Der 1. Juni ist an den Tankstellen im Bundesgebiet ein Ausnahmetag, weil der Bund die Steuern für Benzin und Diesel senkte. Roland Ege aus Frickingen, Lastwagenfahrer und Hausmeister, ist ein preisbewusster und deshalb spritsparender Autofahrer. Mit 1,95 Euro für einen Liter Diesel ist er zufrieden. Er tanke immer für 35 Euro, egal, wie viel der Liter jeweils kostet. Mehr auf einmal zu zahlen, das schmerze ihn zu sehr.
Wie von Zauberhand sinkt der Preis um fast 30 Cent
Ortswechsel: An der Shell-Tankstelle in Immenstaad sind gegen 11 Uhr alle Zapfsäulen belegt. So viel los ist an diesem 1. Juni. Sie registriere ungewöhnlich viele Kunden, sagt Stationsleiterin Jasmin Gschwind. Die Kunden reagierten sensibel auf Preissprünge, die sie selbst nicht in der Hand habe, das werde zentral vom Shell-Konzern gesteuert.
So kann auch Gschwind nur zur Kenntnis nehmen, dass zwischen dem 31. Mai und dem 1. Juni der Preis um fast 30 Cent für den Diesel gesunken ist. Ihr Vorrat rühre allerdings noch vom alten Monat, die Leute tankten also Sprit , der streng genommen noch der alten Besteuerung unterlag. Interessanterweise reagierten die Kunden ob des aktuellen Preises sehr unterschiedlich – mal zufrieden, mal motzig.

Martin Österle tankt seinen Dienst-BMW an der Tankstelle in Immenstaad. Der Handelsvertreter aus Rottweil ist auf dem Weg nach München. Er betrachtet es als sein Hobby, die Rohölpreise auf dem Weltmarkt zu beobachten und in Beziehung zum Spritpreis zu setzen. Das eine habe mit dem anderen, zumindest in den letzten Tagen, nichts mehr zu tun gehabt, kritisiert er.
Zurück nach Rickertsreute: Den beiden Motorradfahrern reicht der Sprit noch für etwa fünf Kilometer. Sie starten ihre Maschinen in der Hoffnung, dass sie im nahen Umkreis eine Tanke finden, die ihnen Sprit verkauft. Der Preis wäre ihnen in diesem Moment egal.