Es kommt wohl nicht allzu häufig vor, dass der Chef eines Unternehmens, eines Vereins oder eines Ortschaftsrates leidenschaftlich für dessen Auflösung wirbt. Genau das ist am Montagabend im Gemeindesaal Immenstaads geschehen. Dort tagte der Ortschaftsrat Kippenhausen und hatte einen gewichtigen Entscheid auf der Tagesordnung: Lösen wir uns auf? Ortsvorsteher Martin Frank betonte: „Ich habe mich für die Abschaffung des Ortschaftsrates nach bestem Wissen und Gewissen entschieden.“
Eingemeindung Ende der 70er-Jahre
Über 50 Jahre ist es her, dass Kippenhausen nach Immenstaad eingemeindet wurde. Seitdem haben sieben Ortschaftsräte Mitspracherecht in Belangen ihres Ortsteils: Sie tagen regelmäßig und geben Empfehlungen für den Immenstaader Gemeinderat ab. Dabei geht es vornehmlich um Baugesuche, aber auch eigene Entscheidungen dürfen sie treffen: über Jagdverpachtungen und den An- und Verkauf von Zuchttieren. Im Alltag der Bevölkerung spielt diese Kompetenz eine untergeordnete Rolle.

Die Krux am Gremium: Immenstaad ist knapp bei Kasse – und der Ortschaftsrat kostet. 15.000 Euro jährlich, um genau zu sein. Es gibt Sitzungsgeld für die Ortschaftsräte, zudem werden die Zusammenkünfte vorbereitet und protokolliert. Angesichts der anhaltend schwierigen Haushaltslage Immenstaads stellte sich die Frage: Sollte hier nicht eingespart werden?
Diskussionen unter Bürgern
Am vergangenen Mittwoch wurde bereits hitzig über diese Frage diskutiert. Im voll besetzten Bürgersaal hatten gut 100 Einwohner Kippenhausens und Immenstaads die Gelegenheit, ihre Sicht der Dinge darzulegen. Josef Kiefer, vor 71 Jahren in Kippenhausen geboren, betonte etwa: „Es ist eine alte Erkenntnis, dass Demokratie Aufwand bedeutet und Geld kostet.“ Er sprach sich daher für den Erhalt des Gremiums aus. Irmgard Ragg hingegen fand: „Ich sehe es keinesfalls als Abschaffung der Demokratie.“ Sie hoffe vielmehr, dass sich die Ortschaftsräte direkt in den Gemeinderat wählen lassen.
Ähnlich kontrovers – aber vor nur 20 Zuhörern – debattierten am Montag nun die Räte über den anstehenden Entscheid. Martin Gomeringer (Grüne) betonte: „Ich und meine Fraktionskollegen sind nicht in der Lage, darüber abzustimmen.“ Eine Bürgerbefragung sollte aus ihrer Sicht Klarheit bringen. Ulrike Seitz (Grüne) schlug vor, sich anschließend an das Votum der Befragten zu halten.
Bürger dürfen nicht entscheiden
Das wäre allerdings laut Michael Müller, stellvertretender Leiter des Hauptamtes, juristisch nicht rechtens. Er illustrierte: „Wenn Sie den Wunsch nach einer Bürgerbefragung haben, ist das möglich.“ Dennoch gelte: Ein Stimmungsbild aus der Bevölkerung sei nicht bindend für die Räte. Stefan Siebenhaller (CDU) gab zu bedenken: „Wir können nicht bestimmen, dass wir gemeinschaftlich entscheiden. Das Recht ist schlicht anders.“
Nach längerer Debatte über mögliche Modalitäten einer Befragung holte Ortsvorsteher Martin Frank zu einer Rede aus: Er positionierte sich für die Abschaffung des Gremiums – und damit auch für die Auflösung seines Postens. Gründe für seine Position nannte er zahlreiche. Seit 50 Jahren habe Kippenhausen keinen eigenen Posten im Haushalt. Das sei auch gut so: „Oder wollen wir uns eine Verwaltung in der Verwaltung leisten?“
Keine Angst vor Neubau
Weiter führte er aus: „Zu 95 Prozent beschäftigen wir uns mit Baugesuchen.“ Der Rest sei Geplänkel zwischen den Leitlinien des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND) und der hiesigen Landwirtschaft. „Muss man sich freiwillig auch nicht an einem Montagabend geben.“ In eine Sitzung des Rates komme nur, wer betroffen sei. Etwaige Bedenken, Kippenhausen könne mit Neubaugebieten überzogen werden – räumte er ab: „Im Regionalplan zwischen Immenstaad und Kippenhausen ist ein regionaler Grünzug hinterlegt.“
Die Sorge, Kippenhausen verkomme mit Immenstaad zu einem Einheitsbrei, bezeichnete Frank daher als Fake News. Weiter führte er aus: „Wenn man überhaupt von einem möglichen Neubaugebiet in Kippenhausen sprechen möchte, dann bietet sich lediglich eine kleine Fläche zur Arrondierung am Ortsausgang südwestlich der K7745 an, da diese Fläche nicht mit einem Grünzug überlagert wurde.“ Dies sei ihm bereits seit seinem Amtsantritt im Jahr 2009 bekannt.

„Jeder interessierte Bürger kann über seine Partei, Fraktion oder den Gemeinderat seines Vertrauens Informationen, Hinweise oder Bedenken äußern“, so Frank weiter. „Die Kippenhauser Belange werden genau wie die Immenstaader gleichwohl im Gemeinderat behandelt und beschlossen.“ Einen eigenen Ortschaftsrat brauche es daher nicht. Frank warb dafür, dem Gemeinderat zu vertrauen – und das Rathaus Kippenhausen künftig als Begegnungsstätte zu nutzen. Er selbst werde bei einer etwaigen künftigen Ortschaftsratswahl nicht mehr antreten.
Der Rat bleibt
Diese wird aber tatsächlich im kommenden Jahr stattfinden, auch für den Ortschaftsrat Kippenhausen. Die Abstimmung über eine mögliche Bürgerbefragung endete im Patt mit drei Stimmen der Grünen dafür, drei Gegenstimmen sowie einer Enthaltung von Ortschaftsrat Pascal Bocheneck von der CDU. Er war es auch, der letztlich mit seiner Stimme gegen die Position seiner Parteikollegen Stefan Siebenhaller und Martin Frank für den Erhalt des Ortschaftsrates stimmte: „Ich denke, der Ortschaftsrat hat jetzt noch die Chance, sich neu zu sortieren und neu aufzustellen“, so Bocheneck. Die Zukunft des Gremiums ist also noch nicht besiegelt.