Mit Schrubbern und eimerweise Wasser wird an Bord der Lädine Reinschiff gemacht. Um 14 Uhr wird sie zur ersten Rundfahrt an diesem Samstag in Immenstaad ablegen und am Anlegesteg haben sich bereits zahlreiche Fahrgäste versammelt.

Wer Lädinenkapitän werden will, muss an Bord alles können.
Wer Lädinenkapitän werden will, muss an Bord alles können. | Bild: Anette Bengelsdorf

„Spring- und Steuerbord-Vorleine los“, ruft Christophe Schneider seinem Schiffsjungen Matthias Joos zu, als alle Passagiere an den Tischen sitzen. „Ein gutes Stück ranziehen und los!“ Der Wind kommt aus Nord-Ost, zu sehr von der Seite, um sicher segeln zu können. Das Segel bleibt deshalb hochgezogen und der Kapitän fährt mit Motor und hält das schwere Schiff mit einem kleinen Steuerrad auf Kurs. Denn anders als moderne Segelboote, kann die Lädine nur mit dem Wind segeln.

Gegen den Wind ist das Segel nach oben zur Rah, zur Querstange am Mast, gefaltet.
Gegen den Wind ist das Segel nach oben zur Rah, zur Querstange am Mast, gefaltet. | Bild: Anette Bengelsdorf

Bereits das Ablegen will gelernt sein. „Da die Lädine weder Schwert noch Kiel hat, ist sie sehr schwer zu manövrieren“, sagt Schneider, der seit 1999, zuerst als Schiffsjunge, dann als Kapitän, auf dem Lastschiff fährt. „Das Schiff verhält sich wie eine Walnussschale im Wasserbad.“ Je nach Richtung, besonders wenn der Wind von der Seite kommt, kann es schnell passieren, dass St. Jodok abtreibt und an den Dalben klebt, den Holzpfählen, an denen das Schiff befestigt ist.

Das Segel wird geborgen Video: Anette Bengelsdorf

Der Kapitän ändert die Fahrtrichtung weiter Richtung Westen. „Klar zum Segelsetzen, klar bei Geitau!“, ruft er seinen Mitarbeitern zu. Matthias und Andrea Friedrich lösen zwei Taue und lassen das Segel herab, das bisher – ähnlich einer Jalousie – in Falten oben an die Rah gezogen war. Schneider macht den Motor aus und lautlos gleitet die Lädine Richtung Hagnau über den glitzernden See.

Unter Segel wird die Lädine mit einem Ruder auf Backbord gesteuert.
Unter Segel wird die Lädine mit einem Ruder auf Backbord gesteuert. | Bild: Anette Bengelsdorf

Jetzt übernimmt Andrea Friedrich das Ruder. Es ist auf der linken Seite, auf Backbord, neben dem Steuerstand angebracht, nicht wie auf normalen Segelbooten in der Mitte des Hecks. Seit drei Jahren hilft Andrea Friedrich mit, hat bei Null angefangen.

Früher mussten die Lädinen gegen den Wind mit langen Stangen dicht am Land vom Boden abgestoßen werden. Dafür war nur das flache Nordufer geeignet. Da der Wind am Bodensee meist aus Südwesten kommt, wurde von Osten nach Westen gestakt. Ein Ruder in der Mitte des Schiffs wäre im Schlamm stecken geblieben.

Vom frühen Mittelalter bis zur Erfindung des Dampfschiffs und der Eisenbahn wurden Waren auf dem Bodensee mit Lädinen transportiert.
Vom frühen Mittelalter bis zur Erfindung des Dampfschiffs und der Eisenbahn wurden Waren auf dem Bodensee mit Lädinen transportiert. | Bild: Lädinenverein Bodensee

Schneider ändert auf seiner Rundfahrt die Richtung. Matthias Friedrich stellt das Segel auf Kommando mit der Brasse – einem Tau, mit dem sich die Rah, die waagerechte Stange, an der das Segel befestigt ist, horizontal um den Mast schwenken lässt – so ein, dass der Wind wieder im rechten Winkel darauf trifft. Bei viel Wind ist dabei ordentlich Muskelkraft gefragt. Matthias Friedrich ist Schüler und möchte sich etwas Geld verdienen. Segler ist er nicht. „Ich muss noch viel dazulernen“, sagt er, „das hat man nicht in einer Woche raus.“

Kapitäne müssen 180 Fahrtage nachweisen

Genau darin sieht Christophe Schneider, der die Lädine im dritten Jahr hauptberuflich steuert, den Grund für den Mangel an Kapitänen. Etwa 180 Fahrtage müssten für das Bodenseeschifferpatent Kategorie B für Personenbeförderung nachgewiesen werden, sagt er. „Das ist neben dem normalen Arbeitsalltag kaum zu schaffen.“

Chistophe Schneider verlässt mit der Lädine unter Motor seinen Liegeplatz in Immenstaad.
Chistophe Schneider verlässt mit der Lädine unter Motor seinen Liegeplatz in Immenstaad. | Bild: Anette Bengelsdorf

In erster Linie werden bei der Ausbildung auf der Lädine An- und Ablegemanöver geübt. Nicht nur am festen Liegeplatz in Immenstaad, sondern auch an fremden Anlegestellen. Danach werden die angehenden Kapitäne in den Rundfahrtbetrieb integriert.

Kapitäne aus der Personenschifffahrt werden auf der Lädine gesondert eingearbeitet

Rettungsmanöver werden mit einem Ring über Bord geübt. Das heißt Motor anlassen, Segel bergen, zurückfahren und den verunglückten „Passagier“ aufnehmen, ohne dass man über ihn drüberfährt. Wer sich auf einem normalen Passagierschiff ausbilden lässt, muss danach in die Besonderheiten der Lädine eingearbeitet werden.

Doch Steuermann auf der Lädine ist kein Nine-to-Five-Job. Im Sommer fallen endlos Überstunden an, die man im Winter abfeiern kann. Zwar bietet der Betreiber der Lädine, die CMS-Schifffahrt, die Möglichkeit, auch auf anderen Passagierschiffen Dienst zu tun. Dennoch mangelt es an Interessenten.

„Klar zum Segel bergen, klar bei Geitau, heiß auf Rahsegel!“, ruft Schneider seinen beiden Assistenten zu und lässt die Maschine an. Die einstündige Rundfahrt ist beinahe beendet und der Rückweg führt jetzt gegen den Wind. Das Segel wird mit Kraft nach oben gezogen.

Das Anlegemanöver erfordert eine Menge Übung und Fingerspitzengefühl.
Das Anlegemanöver erfordert eine Menge Übung und Fingerspitzengefühl. | Bild: Anette Bengelsdorf

Beim Anlaufen des Stegs kommt ihm eine Segelyacht auf ihrem Weg in den Yachthafen in die Quere. Schnelles Anhalten funktioniert mit der Lädine nicht. Ihr hohes Gewicht würde sie noch lange vorwärts schieben. So muss Schneider die Fahrtrichtung korrigieren. Das Manöver sei deshalb nicht optimal, findet er. Trotzdem gelingt es perfekt und die Festmacher halten St. Jodok in Sekundenschnelle an ihrem Liegeplatz.