Frau Hack, wie hat es Sie vom hohen Norden Deutschlands in den tiefen Süden verschlagen?
Ich komme tatsächlich aus Kiel und war dort 30 Jahre lang als Zahnärztin in eigener Praxis für ganzheitliche Zahnmedizin niedergelassen. Bedingt durch familiäre Veränderungen bei mir und auch bei meinen Geschwistern, haben wir ab 2012 dann Ausschau nach einem geeigneten Platz für eine „Geschwister-Alters-WG“ gehalten und sind nach drei Jahren Suche über eine Zwischenstation in Radolfzell hier in Möggenweiler gelandet.
Sie haben sich zunehmend der Naturheilkunde verschrieben. Wie kam es dazu?
Schon in meiner zahnärztlichen Praxis war die Naturheilkunde unverzichtbarer Bestandteil meiner Tätigkeit geworden. Ich habe dort die Erfahrung gemacht, dass die Pflanzenheilkunde (Phytotherapie) insbesondere bei Kindern sehr effektiv ist. Aus diesem Grunde habe ich – ergänzend zu meinem Beruf – auch noch die Heilpraktikerprüfung abgelegt.
Sie haben Ihr Leben umgekrempelt, die Ernährung geändert. Wie hat Ihr Umfeld auf die Umstellung reagiert?
Als ich mich Anfang der 1980er Jahre viel mit Ernährung beschäftigte und Vegetarierin wurde, gab es vielfach Unverständnis. Seit neun Jahren lebe ich nun vegan und freue mich, dass immer mehr Menschen sich über die Herkunft ihrer Nahrungsmittel Gedanken machen und entsprechende Konsequenzen ziehen. Heute reagiert mein Umfeld durchweg positiv. Ich möchte Vorbild sein und Menschen neugierig machen, Interesse wecken und aufklären, ohne dabei missionieren zu wollen.
Sie sind Fachberaterin für essbare Wildpflanzen und haben sich gerade beim NABU zur „Blütenbotschafterin“ zertifiziert. Was ist Ihre Motivation?
Nach Beendigung meiner Praxistätigkeit in Kiel und dem Umzug an den Bodensee belegte ich an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen den Ausbildungsgang zur Fachberaterin für essbare Wildpflanzen. Dieses Wissen unterstützt einen hohen Selbstversorgungsgrad und ist ein weiterer Schritt in Richtung Unabhängigkeit vom Supermarkt, den ich gerne gehen möchte. Die Ausbildung zur Blütenbotschafterin ergänzt dazu meine Lebenseinstellung, denn blühende Gärten sind Voraussetzung für Insektenvielfalt und damit auch für das Permakultur-Konzept.
Sie haben einen großen Garten mit wilder Wiese im Anschluss, die ein wenig chaotisch wirken mag. Steckt da System dahinter?
Ich versuche, auf dem „wilden Gelände“ den Permakultur Gedanken von der gärtnerischen Seite her umzusetzen. Aufgrund der vorhandenen schlechten Bodenqualität habe ich vor zwei Jahren Schritt-für-Schritt mit Bodenverbesserungsmaßnahmen begonnen. Für einen schnelleren Erfolg habe ich in der ehemaligen Wiese mit eigenem Kompost Hoch-und Hügelbeete angelegt und konnte so schon im ersten Jahr eine recht ansehnliche Ernte einfahren. Dazu haben wir als Hausgemeinschaft 20 verschiedene Bäume gepflanzt und wenden das Prinzip des Mulchens und der Pflanzengemeinschaften an.
Sie sprechen von „Permakultur“. Was steckt hinter dem Begriff?
Permakultur bedeutet im Großen und Ganzen „Mit der Natur und nicht gegen die Natur“ und zielt auf eine nachhaltige Landwirtschaft. Ein Prinzip im Permakultur Garten ist zum Beispiel die Mischkultur. Im Gegensatz zur einfachen Fruchtfolgeplanung geht es hier um einen vielfältigen Mix aus verschiedenen Gemüsearten, Kräutern und Zierpflanzen, die sich gegenseitig unterstützen und Schädlinge auf diese Weise natürlich dezimieren.
Wie setzen Sie das Prinzip konkret in Ihrem Garten um?
Es ist eigentlich ganz einfach. So ist beispielsweise der Kopfkohl zwischen Tomaten vor dem Kohlweißling sicher. Erdbeeren wiederum werden durch die Kombination mit Knoblauch vor Pilzbefall geschützt und Pfefferminze regt das Wachstum von Kartoffeln an. Natürlich gibt es noch zahlreiche weitere Beispiele, die erfolgreich funktionieren.
Pflanzen Sie deshalb auch Mais, Bohnen und Kürbisse zusammen in ein Beet?
Richtig. In meinen sogenannten Milpa-Beeten, bilden Mais, Bohnen und Kürbisse eine Symbiose. Der Boden ist immer bedeckt und somit vor Ausschwemmung und Austrocknung geschützt. Dieses landwirtschaftliche System, das schon von den Mayas betrieben wurde, verhindert den einseitigen Nährstoffentzug wie dies bei Monokulturen der konventionellen Fruchtfolge der Fall ist.
Auf der Wiese wächst auch Unkraut, dem andere Gartenbesitzer sofort den Kampf ansagen würden. Warum nicht Sie?
Auch Unkräuter haben im Garten ihre Berechtigung. Es gibt in meinem Garten eine Totholzecke mit wuchernden Brennnesseln, sowie zahlreiche blühende „Unkräuter“. Damit werde ich auch der Tier- und Insektenwelt gerecht. Zum Düngen und zur Behandlung eventuell auftretender Schädlinge verwende ich beispielsweise selbst hergestellte Pflanzenjauche aus diesen Brennnesseln oder auch aus Ackerschachtelhalm.
Aus der Natur für die Natur. Kann man das so sagen?
Die Natur stellt uns im Grunde genommen alles zur Verfügung, was man für einen Garten braucht. Die Permakultur an sich strebt einen möglichst hohen Grad an Selbstversorgung an, mit einem möglichst geringem Aufwand an Rohstoffen und Zeit. Dazu gehört auch die Saatgutgewinnung von samenfesten Gemüsen und das Haltbarmachen der Ernte ohne Einsatz von Energie, wie es durch Fermentieren oder Trocknen möglich ist.
Geben Sie Ihr Wissen auch an andere weiter?
In Radolfzell habe ich Kräuterführungen angeboten und eine Kindergruppe betreut, um meine Erfahrungen weiterzugeben. In den Workshops ging es um die naturheilkundliche Anwendung und Weiterverarbeitung von Wildpflanzen, um rohköstliche Kreationen und auch um Haltbarmachung.
Was für Ziele haben Sie sich noch gesteckt?
Das Leben hat mich gelehrt, dass es oft nicht funktioniert, sich eng gesteckte Ziele zu setzen. Es ist besser, für alles offen zu sein und zu beobachten, wo sich welche Türen öffnen. Ich wünsche mir vor allen Dingen einen respektvolleren Umgang der Menschen mit und in der Natur, mehr Bewusstsein und Dankbarkeit für die lebendige Pflanzenwelt und weniger Konsumdenken.
Welche konkreten Themen beschäftigen Sie hier in Markdorf?
Es gibt noch Themen, wie „Urban Gardening“, die gärtnerische Nutzung von städtischen Flächen, Dachterrassen oder Balkonen und auch das Streben nach einer pestizidfreien Landwirtschaft in Markdorf, die mich natürlich beschäftigen. Hier suche ich die Vernetzung mit der Stadt und Menschen, die für die Sache gemeinsam an einem Strang ziehen. Der Verein „Erde in Balance“, der sich unter anderem mit ganzheitlichem ökologischen Anbau beschäftigt, gibt mir hierzu Gelegenheiten und Unterstützung.
Worauf freuen Sie sich besonders?
Besonders freue ich mich, dass der weltgrößte Staffellauf für Nachhaltigkeit, der am 20. Juli in Augsburg gestartet ist und bis Ende 2020 durch über 100 Städte in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol führt, im September auch nach Markdorf kommt und voraussichtlich hier in meinem Garten endet. Es wird auch einen Infostand geben und alle sind herzlich eingeladen, vorbeizuschauen und sich zu informieren.
Zur Person
Barbara Hack wurde 1951 im Taunus, Nähe Wiesbaden, geboren, hat nach dem Abitur Zahnmedizin in Mainz studiert und später in Kiel eine Gemeinschaftspraxis mit ihrem damaligen Ehepartner betrieben. Sie hat zwei Söhne und eine Enkeltochter, seit 2012 lebt sie in Möggenweiler. Eine Hauterkrankung ihres zweiten Kindes gab für sie den Anlass für zahlreiche Weiterbildungen über das Thema Ernährung. Bereits damals, im Jahr 1983, hat sie sich für eine vegetarische Ernährung entschieden. Es folgten zahlreiche Schulungen und Fortbildungen in komplementär-medizinischer Naturheilkunde. Seit 2010 lebt Barbara Hack vegan und ist laut eigener Aussage Dank ihrer Kenntnisse in der Pflanzenheilkunde ihr eigener Hausarzt.