Nicole Burkhart

Seit sechs Jahren nun arbeiten Sie als Yogalehrerin. Was bedeutet Yoga für Sie ganz persönlich?

Yoga ist für mich definitiv mehr als Sport oder Entspannung. Ich erlebe Yoga mit spirituellem Hintergrund. Es ist die alte indische Lehre, die uns ermöglicht, mit unserer Seele in Kontakt zu kommen. Dabei hängt es davon ab, ob man sich als Mensch sieht, der eine Seele hat oder ob man sich als Seele sieht, die temporär in einem Körper wohnt. Yoga wird ja oft angepriesen zur Entspannung oder als Achtsamkeitsübung. Schlimm, dass der Mensch dies wieder lernen muss. Wir Menschen nehmen alles selbstverständlich und haben vergessen, wie man einfach lebt oder wie es ist, wenn man nichts hat. Mit all dem Konsumdenken versuchen die Menschen etwas zu füllen, was Materie aber nicht geben kann. Viele Menschen sind ständig unzufrieden, weil sie sich immer vergleichen, anstatt die wundervollen Gaben in sich selbst zu sehen. Yoga ist für mich ein Weg. Der Weg zur Glückseligkeit.

Ist Yoga denn überhaupt für jeden etwas? Und wie findet man das passende Angebot für sich?

Es gibt ganz viele Yoga-Stile. Es gibt etwa Yoga für Kinder, für Schwangere oder Yoga auf dem Stuhl. Für jeden Charakter sollte eigentlich etwas dabei sein. Bin ich beispielsweise leistungsbezogen und muss mich nach der Arbeit abreagieren, ist schweißtreibendes Power-Yoga sicherlich geeignet. Bin ich erschöpft oder habe Schmerzen, ist eher regeneratives Yoga angesagt. Es finden sich Unmengen an Anbietern, heutzutage darf sich jeder Yogalehrer nennen. Es gibt zwar eine Reihe von Zertifizierungen, die aber auch sehr undurchsichtig sind.

Worauf sollte man also Ihrer Meinung nach achten?

Yoga beruht auf alten Lehren, die unterschiedlich interpretiert werden können. Daher ist ein kritischer Umgang ganz wichtig. Jeder muss für sich persönlich schauen, was ihm guttut. Es gibt niemanden, der einem sagen kann, was gut und richtig für einen ist. Jeder muss das selbst entscheiden. Und das gilt nicht nur für das Yoga. Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, dass gute Leute dir helfen, dich selbst zu erkennen. Ohne Druck zu erzeugen oder etwas überzustülpen. Sie unterstützen dich beim Erkennen, was in dir ist.

Sie selbst bezeichnen Ihr Yoga als Ametrin-Yoga. Was hat es damit auf sich?

Ich bin in die Situation gekommen, einen eigenen Namen finden zu müssen, der nur mit mir in Verbindung steht. Das war sehr schwer, schließlich durfte dieser Name weltweit noch nicht für ein Yoga-Angebot genutzt werden. Für Ametrin-Yoga habe ich mich schlussendlich entscheiden, weil die Bedeutung gut zu meiner Spiritualität passt. Der Ametrin ist ein wertvoller Edelstein, ein Heilstein. Er ist zur Hälfte Amethyst und zur Hälfte Citrin. Die Farben Violett und Gelb sind auch die Farben im menschlichen Energiesystem, die helfen, den Teil von uns zu ergründen, der unvergänglich ist.

Im Internet bieten Sie auch Yogatherapie an. Was kann ich mir darunter vorstellen?

Zuerst einmal muss jeder, der Yogatherapie anbietet, dies in seinem Fachbereich tun. Da ich Heilpraktikerin für Psychotherapie bin, kann ich in diesem Bereich weiterhelfen. Durch das Yoga als Entspannungsverfahren wird der Parasympathikus angeregt, unser Ruhepol im vegetativen Nervensystems. Im Alltag löst die ständige Aktivierung des Kampf-Flucht-Mechanismus durch Stress, körperliche Probleme aus. Dieser alte Überlebensmechanismus flutet unser Nervensystem mit Adrenalin. Wir werden überstimuliert, da wir unsere Gedanken nicht ausblenden können. Yoga hilft, die Gedanken still werden zu lassen, und beruhigt sanft das Nervensystem. Yoga hilft uns zu verarbeiten, was wir tagsüber an Reizüberflutung abbekommen haben.

Wie kam es zu Ihrer Berufswahl?

Nach der Schule habe ich ein Jahr in Konstanz Soziologie studiert und dabei auch für ein Online-Magazin gearbeitet. Dadurch habe ich angefangen, mit dem Bildbearbeitungsprogramm Photoshop zu arbeiten. Das hat mir im Gegensatz zum Studium richtig Spaß gemacht. Statistik war dagegen nicht so mein Ding (lacht). Also bin ich nach Köln gezogen, habe dort erst ein Praktikum und dann eine Ausbildung zur Mediengestalterin für Digital- und Printmedien gemacht. Eine Zeit lang habe ich in Köln freiberuflich gearbeitet. 2004 begann ich zusätzlich eine Ausbildung zur Aura-Soma-Beraterin. Dieses System arbeitet mit der psychologischen Bedeutung von Farben. Das war gewissermaßen die Brücke, meine berufliche Laufbahn zu verändern. 2012 entschied ich mich dann für die Yogalehrer-Ausbildung. Mitten in der Ausbildung wurde mir aber klar: Ich will mehr. Ich befasste mich schon viele Jahren mit der Heilpraktiker-Ausbildung und sah mir unterschiedliche Schulen an. 2014 habe ich dann die Heilpraktiker-Akademie in Lindau und damit genau die richtigen Lehrer für mich gefunden. Ich hatte wirklich sehr großes Glück, schon im ersten Versuch sicher durch die Prüfung zu kommen. Das ist äußerst selten. Da die Schule auf Kinesiologie spezialisiert ist, hat es mich auch in diese Richtung gezogen. Es hat mir eine Ebene aufgezeigt, wie man Stress im Körper noch besser aufspüren und durch tolle Methoden auch ausgleichen kann. Seit 2016 darf ich mich nun Heilpraktikerin für Psychotherapie und nennen und weiß, dass meine Berufung sich nun in die richtige Richtung entwickelt.

Was schätzen Sie an der Selbstständigkeit?

Ich war schon immer ein sehr freiheitsliebender Mensch, das kommt mir natürlich sehr entgegen. Ich genieße es, mein eigener Herr zu sein, selbst verantwortlich für die Zeitplanung und Zeiteinteilung zu sein. Aber ich bin auch ein strenger Chef zu mir selbst.

Gibt es auch einen Nachteil daran?

Leider all die Bürokratie, die dahintersteckt, und das ganze Versicherungssystem. In diesem Bereich ist Deutschland wirklich ein Entwicklungsland. Ich würde mir wünschen, dass Deutschland umdenkt. Kleinunternehmen bereichern das Leben, machen eine Stadt erst interessant.

Was hilft Ihnen selbst, wenn es Ihnen nicht gut geht?

Jeder hat seine persönlichen Probleme und Schwierigkeiten, das gehört zum Leben. In vielen Dingen kann ich mir tatsächlich selbst helfen. Aber auch sonst hilft mir die Zusammenarbeit mit Kollegen ungemein. Jeder braucht einen Spiegel, daher ist mir der Austausch sehr wertvoll. Ich bin auch der Meinung, dass ich keinem Menschen etwas empfehlen kann, was ich nicht selbst kenne.

Was macht für Sie neben dem Yoga einen gesunden Lifestyle aus?

Ich lebe seit 28 Jahren als Vegetarierin, seit sieben Jahren ernähre ich mich pflanzlich und dabei gerne bio und regional. Ich kann sagen, dass ich seitdem viel gesünder bin, ich fühle mich leichter und zufriedener. Das Essen ist anders, aber immer noch lecker. Schon als Kind sah ich keinen Sinn darin, Tiere zu töten, um deren Fleisch zu essen. Auch im Yoga gibt es das Ahimsa. Es steht für das Grundprinzip der Gewaltlosigkeit. Es bezieht sich aber auch auf unsere Gedanken, unsere Gefühle, unser Handeln.

Also auf unseren Umgang mit den Mitmenschen?

Auch, aber vor allem auf den Umgang mit mir selbst, mit dem Ich-Sein. Im Yoga setzt man sich auch mit seinen Bewertungssystemen auseinander, die wir von Eltern, Freunden, Medien, Religion oder Gesellschaft übernehmen. Die inneren Überzeugungen werden infrage gestellt und kritisch betrachtet. Wie sich unser Leben gestaltet, beginnt also mit unseren Gedanken. Und an dieser Stelle zeigt sich, dass die alten heiligen Schriften, moderne Psychotherapie und Meditation sowie Yoga an vielen Punkten Gemeinsamkeiten haben.