Mit einem eindringlichen Appell an die Stadträte um finanzielle Zurückhaltung verband Stadtkämmerer Michael Lissner die Einbringung des Haushaltsplanentwurfes 2020 am Dienstagabend im Gemeinderat. Ab 2021 werde es Stand jetzt nicht mehr gelingen, ausgeglichene Haushalte vorzulegen, sagte Lissner. Mehr noch: Treffe die Prognose der städtischen Finanzplanung ein, drohe zum Ende des Haushaltsjahres 2023 ein Minus in Höhe von 6,8 Millionen Euro.
Eine hochkomplizierte Umstellung für die Stadt
Der Grund ist ein einfacher – und er bedeutet zugleich eine hochkomplizierte Umstellung für Verwaltung und Gemeinderat: Weil Markdorf zum 1. Januar 2020 – andere Kommunen in der Nachbarschaft haben es bereits getan – seinen Haushalt von der kameralistischen Buchführung auf die Doppik, die dem kaufmännischen Rechnungswesen entspricht, umstellt, stehen tiefgreifende Auswirkungen auf das Wirtschaften der Stadt ins Haus. Die schwerwiegendste: Künftig können Abschreibungen, zum Beispiel auf Gebäude, nicht mehr wie bisher gestreckt werden, sondern müssen in den folgenden Haushalten wieder erwirtschaftet werden. Vereinfacht ausgedrückt heißt das: Jede Investition, ob in Straßen oder Bauten, bedingt zugleich eine „Zusatzinvestition“, indem die Wertminderung fortlaufend erwirtschaftet werden muss. Der Werteverzehr des Vermögens wird ebenso berücksichtigt wie die Rückstellungen als Aufwendungen.

Mehr Generationengerechtigkeit
Die Doppik gewährleistet somit, dass der Ressourcenverbrauch, die Ausgaben, in jedem Haushaltsjahr durch das Ressourcenaufkommen, die Einnahmen, gedeckt sind. Damit, so hat es der Gesetzgeber vorgesehen, sollen die Kommunen ihrer Verantwortung für die Generationengerechtigkeit nachkommen. Auf Deutsch: Auf Pump leben geht nicht mehr, auch die nachfolgenden Generationen sollen die Möglichkeit haben, in gesundem finanziellen Rahmen wirtschaften zu können.
Kämmerer Michael Lissner: „Mammutaufgabe“
Ein „Riesenaufwand“ und eine „Mammutaufgabe“ sei die Umstellung des Haushaltes auf die Doppik gewesen, bekannte Lissner. Er verwies auch darauf, dass dem Gemeinderat künftig eine deutlich größere „strategisch steuernde Aufgabe“ zukomme. Sein Appell an die Räte: Pflichtaufgaben vor Freiwilligkeitsleistungen und eine sachliche und zeitliche Priorisierung der Maßnahmen mit Überprüfung ihrer finanziellen Machbarkeit schon im Vorfeld.
Keine Luft für weitere neue Investitionen
Setze man die aktuellen Pläne für die Großvorhaben – Rathaus, Schulen, Kindergärten, Straßen- und Wasserinfrastruktur – wie Stand jetzt auf den Weg gebracht um, werde die Stadt 2023 Kredite in Höhe von 15 Millionen Euro aufnehmen müssen. Wolle man dies nicht, müsse man geplante Investitionen in dieser Höhe wieder herausstreichen. „Für weitere neue Investitionen ist keine Luft mehr da“, mahnte Lissner.

Der Gemeinderat hat das Steuern der Finanzen in der Hand
Das Steuern habe der Gemeinderat aber noch in der Hand: Durch eine kluge Priorisierung der Projekte, durch geringere Investitionsvolumina bei Vorhaben, die noch nicht beschlossen seien, sei es durchaus möglich, in den kommenden Jahren noch ausgeglichene Haushalte zu erwirtschaften.
Konjunkturelle Entwicklung mahnt zur Vorsicht
Vorsicht, so der Kämmerer, sei auch deswegen angebracht, da sich die Konjunktur vermutlich weiter abkühlen werde. Da Markdorf mit seinen vielen Unternehmen eine hohe Abhängigkeit von der konjunkturellen Entwicklung habe, werde sich dies auch auf den städtischen Haushalt auswirken – in Form von sinkender Steuerkraft durch geringere Einnahmen bei Gewerbe- und Einkommensteuer.
Dennoch keine Steuererhöhungen in 2020
Trotz der schwierigen Lage werde die Stadt für 2020 keine Steuererhöhungen vorschlagen, so Lissner. Eine gute Nachricht hatte er zuletzt auch: Seit 2010 hat die Stadt kontinuierlich ihre Schulden abgebaut, mit einem auf Ende 2020 prognostizierten Tiefstand von 3,6 Millionen Euro.
Die gute Nachricht am Anfang: Weil bei der Umstellung auf die Doppik Haushaltsreste aufgelöst wurden, fällt der Jahresabschluss 2018 deutlich besser aus als erwartet. Der Vermögenshaushalt schloss nicht wie geplant mit einem Plus von 6,3 Mio. Euro, sondern mit einem Plus von 8,6 Mio., weil aus dem Verwaltungshaushalt anstatt geplanter 2,2 Mio. Euro nun 4,9 Mio. zugeführt werden konnten. Infolgedessen fließen aus dem Vermögenshaushalt 6 Mio. Euro in die allgemeine Rücklage. Geplant war eine Rücklagenentnahme von 407 449 Euro. Damit beläuft sich die allgemeine Rücklage Ende 2018 auf 31,6 Mio. Euro.
- Das ist anders: Die bisherigen Verwaltungs- und Vermögenshaushalte werden zu Ergebnis- und Finanzhaushalten. Eins zu eins kann man sie nicht vergleichen. Bildete der bisherige Verwaltungshaushalt die laufenden Geschäfte der Stadt ab, so besteht der Ergebnishaushalt nun aus den Aufwendungen und Erträgen und zusätzlich den Abschreibungen. Im Finanzhaushalt werden künftig die Einzahlungen und Auszahlungen und auch die Investitionen erfasst. Aus den Einzelplänen des Haushaltes werden Teilhaushalte. In Markdorf sind es deren sieben, die den bisherigen Einzelplänen weitgehend entsprechen.
- Das ärgert den Kämmerer: Wegen fehlender Software-Kompatibilität ist kein Vergleich zum Haushaltsjahr 2019 möglich. „Wir starten also komplett blank“, sagt Lissner.