Das Fest geht weiter. Am Donnerstagabend trat Otto Waalkes mit seinen "Friesenjungs" auf dem Markdorfer Marktplatz auf. Tags zuvor hatte Max Mutzke mit Monopunk und der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz das Publikum begeistert. Heute Abend werden LaBrassBanda, die Froschenkapelle Radolfzell und Jack Russels Halsbänd spielen. Und am Sonntag gibt's einen Tag der Blasmusik als Abschluss des fünftägigen Open-Air-Events, mit dem die Stadtkapelle ihr 150-jähriges Bestehen feiert.

Otto ist erstaunt: "150 Jahre Blasmusik in Markdorf – unglaublich!" Das sei schon ein Grund zum Feiern. Und er bedankt sich sich artig, dass er zum Mitfeiern eingeladen worden ist. Er, der gerade erst selbst allen Grund zum Feiern gehabt hat. Schließlich ist er just am vergangenen Sonntag 70 geworden.

Das offizielle Ständchen kommt später, als sich das Publikum längst eingesungen hat – beim Refrain von "Dänen lügen nicht" und anderen längst zu Otto-Evergreens gewordenen Schlager-Verballhornungen à la "Marmor, Stein und Eisen bricht" oder "Aber bitte mit Sahne" – der Steilvorlage zum Tarzan-Ruf beziehungsweise dem Liane-Jane-Reim. Das Publikum lacht. Die altvertraute Zote ist damit gewissermaßen zur Probe geworden. Wirkt das Herr-des-Urwalds-Brüllen in der Stimmlage der Countertenöre aus dem Munde eines 70-Jährigen eher peinlich? Nein, wirkt es nicht.

Überhaupt steht da kein Zerrbild früherer Jugendlichkeit auf der Bühne. Otto kann immer noch hell gickeln. Und sein knieweiches Schreiten und Stolpern lässt den quecksilbrigen Schlaks erahnen, der in den 1970er Jahren der Fernsehnation das Zwerchfell strapazierte. Selbst dieses faunhafte Gieren grinst einem noch entgegen, auch wenn Ottos Lachfalten schon deutlich an Tiefe gewonnen haben.

Mit seinem Alter spielt er. Zum Beispiel wenn Otto den Mick Jagger gibt. Dessen allmählich steifbeinig wirkendes Stolzieren ahmt Otto nach. Auch Jaggers exaltiertes Mit-den-Armen-Rudern. "Hey, hey, hey", stakst Otto über die Bühne. "I cant get no satisfaction..."

Ja, und genug kriegen kann man auch nicht von diesem Otto und seiner Band. Nicht nur, weil Waalkes Possen reißend, grimmassierend, drollig, derb-komisch fast bis an die Grenzen des Zumutbaren, so niedlich wie clownesk, albern wie sinnfrei einen erneut daran erinnert, wie umwerfend die erste Begegnung mit diesem Otto war. Gänzlich frei von höheren Gehalten, anarchisch, grotesk und doch gescheit führte er eine Art des Humors vor, die sich aller Fesseln befreit hatte, in quasi kindlicher, zumindest pubertärer Unschuld daherkam. Eben dieser Impuls ist geblieben, wirkt immer noch nach – bei dem 70-Jährigen!
"Und wo sind die Geschenke?", ist Ottos Frage aufs Geburtstagsständchen seines Publikums. Geschenkt hat er indes – und das reichlich: etwa durch seine Friesenjungs. Fünf Musiker, die Ottos Parforce-Ritt durch die Rock-Geschichte spielend standhalten. Ob bei der fabelhaften "Hänsel-und-Gretel"-Phantasie, die die Grimmsche Geschichte mal mexikanisch, mal grönemeyerisch knödelnd servierte – ob Otto AC/DCs "Highway to Hell" befuhr oder ob er "Born to be Wild" anstimmte – seine fünf Friesenjungs boten Rhythmen, Rock und Groove vom Feinsten. "Markdorf, ihr seid die wahren Champions!", ruft der Meister des drollig-clownesken Humors in die Menge und hat nur zum Teil recht: Die Champions nämlich stehen auf der Bühne.

