An der Ecke Hauptstraße/Biberacherhofstraße tut sich was, nach zuletzt monatelangem Stillstand: Ein neues Gutachten bringt nun gehörig Bewegung in die verfahrene Angelegenheit mitten in der Innenstadt um die abbruchreife Bauruine Hauptstraße 22 (“Gelbes Haus“) und das schwer beschädigte Nachbarhaus Hauptstraße 24.
Vielen Passanten wird es bereits aufgefallen sein: Der Gehwegbereich rund um das Haus Nr. 22 ist inzwischen abgesperrt. Das war nötig, weil die gelbe Ruine zusehends weiter verfällt, die hintere Haushälfte ist schon seit Jahren abgerissen. Nun sei „Gefahr im Verzug“, heißt es von behördlicher Seite. Doch die eigentliche Wendung gibt es vom baufälligen Nachbarhaus zu vermelden, dem Eckhaus. Denn das Gutachten, das vor zwei Wochen beim Baurechtsamt eingegangen war, bescheinigt unmittelbaren Handlungsbedarf. Zusammenfassend heißt es auf der letzten von 19 Seiten, dass eine weitere Nutzung des Hauses zu untersagen sei und auch hier Gefahr im Verzug bestehe.
Eckhaus muss bis zum 2. September geräumt werden
Darauf hat man im Baurechtsamt nun unverzüglich reagiert. Das Gebäude, das von mehreren Parteien, unter anderem auch der Eigentümerfamilie, bewohnt wird, muss bis zum kommenden Montag, 2. September, geräumt werden, sagt die stellvertretende Amtsleiterin Myriam Kaiser. Bis dahin werden sich die Bewohner also eine neue Bleibe suchen müssen. Die Stadtverwaltung sei bereits informiert, so Kaiser. Im Ordnungsamt wisse man Bescheid, dass mehrere Personen eventuell kurzfristig eine neue zumindest vorübergehende Bleibe finden müssen.

Direkt nach Eingang des Gutachtens sei dem Eigentümer des Hauses eine einwöchige Frist gegeben worden, mit einem Gegengutachten die Standfestigkeit des Gebäudes nachweisen zu lassen. Diese Frist habe der Eigentümer aber verstreichen lassen. Daher, so Kaiser, habe man die Nutzungsuntersagung ab dem 2. September verfügen müssen. Das Baurechtsamt selbst habe zuvor auch noch eine Zweitmeinung eingeholt. Die Nutzungsuntersagung betrifft auch die Gewerbeeinheit im Erdgeschoss des Hauses. Die Eigentümerfamilie wollte auf Anfrage des SÜDKURIER zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Stellungnahme abgeben.
Haus Hauptstraße Nr. 24 ist einsturzgefährdet
In dem Gutachten führt der Sachverständige zahlreiche erhebliche Mängel auf, die das Haus zu einem Gefahrenort machen: Die Nordwand, rückseitig der Hauptstraße zum Betz-und-Weber-Rohbau in der Biberacherhofstraße hin, verforme sich, angebrachte Zugbänder knicken inzwischen ab. Das gesamte Haus lehnt sich außerdem an die Hausruine 22 an. Die Ostwand von Nr. 24 drückt gegen die gelbe Ruine, die wiederum nur von vier dicken Baumstämmen an ihrer Ostseite gestützt wird. Außerdem würden eine ganze Reihe von Um- und Anbauarbeiten, die der Eigentümer von Nr. 24 vor rund 20 Jahren bereits in Eigenregie und unfachmännisch vorgenommen hatte, die Standsicherheit zusätzlich gefährden. So hatte der Eigentümer etwa tragende Pfetten auf einem selbst ausgebauten Dachstuhl angebracht. Die Ausführung entspreche nicht den allgemeinen Anforderungen an die Statik, heißt es in dem Gutachten. Das Ergebnis: Das Haus ist inzwischen einsturzgefährdet.

Dieser Umstand bewirkt wiederum auch Handlungsdruck für die nebenstehende gelbe Ruine. Die gehört dem Bauträger Betz und Weber, der das Haus bereits vor Jahren abreißen lassen wollte, jedoch wegen der unklaren Verhältnisse bei der Standfestigkeit des Nachbarhauses vom Baurechtsamt gestoppt wurde. Seither kann der Bauträger auch seinen direkt dahinter im Rohbau befindlichen Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses nicht mehr fortsetzen. Dort, so sagt Geschäftsführer Hans-Peter Betz, habe sein Unternehmen durch Witterungsschäden und die Rückabwicklung von Kaufverträgen bereits einen Verlust in sechsstelliger Höhe hinnehmen müssen. Und mit jedem Tag, den man am Rohbau nicht weiter arbeiten könne, summiere sich der Verlust weiter.

Gelbes Haus muss in vier Wochen abgerissen sein
Doch die Chancen stehen nicht schlecht, dass Betz und Weber eventuell im nächsten Jahr ihren Rohbau weiterbauen können. Denn das Baurechtsamt, das bereits im Oktober 2023 den restlichen Abbruch der gelben Ruine wieder freigegeben hatte, hat diesen Abbruch nun verfügt. Innerhalb von zwei Wochen, vorausgesetzt die Bewohner des Hauses 24 sind ausgezogen, muss Betz und Weber nun mit dem Abriss des Hauses beginnen. In vier Wochen muss das gelbe Haus abgerissen sein. Betz hatte bereits mehrfach signalisiert, auch selbst den Abbruch zeitnah vornehmen zu wollen. Im Baurechtsamt bestätigt Kaiser, dass man darüber „gute Gespräche“ mit Betz und Weber geführt habe.

Die Ruine war zuletzt von der örtlichen FDP zu Wahlkampfzwecken genutzt worden, doch auch dem Ortsverband wurde das Betreten und die weitere Nutzung vor längerem schon untersagt. „Inzwischen haben wir die Ruine komplett geräumt, unsere Beamer und unsere Technik haben wir wieder abgebaut“, sagt der FDP-Stadtrat und Mitinitiator Rolf Haas.
Der Abbruch der gelben Ruine wird indes eine diffizile Angelegenheit werden. In dem Gutachten heißt es, dass es unklar sei, ob bei einem Abbruch nicht auch das Haus Nr. 24 zusammenfalle. Deshalb, sagt Kaiser, muss der Abriss unter „statischer Begleitung“ vorgenommen werden. Falls das Haus Nr. 24 wackelt, muss gestoppt werden. Für die Abrissarbeiten muss die Hauptstraße voraussichtlich halbseitig gesperrt werden. Das wäre dann wiederum Sache der Stadt.