„Mountainbiken bedeutet für mich Freiheit“, sagt Josef Hänfling nach kurzem Innehalten, während er auf den Gehro-Trail hinabblickt. Rund um den einzigen legalen Mountainbike-Trail auf dem Gehrenberg herrscht am späten Vormittag noch weitgehend Ruhe. Einzig das Kreischen der Sägen bei Forstarbeiten in der Ferne stört die Idylle vereinzelt. Der Gehrenberg ist für Hänfling so etwas wie ein zweites Wohnzimmer, verbringt er doch jede Woche viele Stunden auf dem Markdorfer Hausberg.
Wenn Josef Hänfling in den Wald kommt, dann jedoch in der Regel nicht, um die Ruhe zu genießen. Er mag es vor allem anstrengend und aufregend. Denn auch mit 79 Jahren ist er noch regelmäßig auf dem Mountainbike unterwegs und bezwingt dabei auch immer wieder die 150 Höhenmeter auf dem 2,2 Kilometer langen Gehro-Trail.
Seit 40 Jahren auf dem Mountainbike
Mit 15 Jahren entdeckt der gebürtige Ingolstädter das Rennrad für sich. Es ist der Startpunkt einer lebenslangen Leidenschaft. Neben dem Rennrad, das er auch heute noch begeistert fährt, fasziniert ihn dann Mitte der 1980er Jahre ein neuer Fahrrad-Trend, der erstmals so richtig aus den Vereinigten Staaten nach Deutschland schwappt – das Mountainbike.

Das Offroad-Fieber packt Josef Hänfling ziemlich genau vor 40 Jahren, als er nach Markdorf und an den Gehrenberg zieht. „Da hat alles angefangen“, sagt er. Rennrad oder Mountainbike sind fortan auf jeder Reise mit dabei, sei es in Österreich oder beim Urlaub in der italienischen Region Umbrien. Hänfling will sich nirgends die Chance entgehen lassen, auf zwei Rädern die Landschaft zu erkunden.
Heute befährt er hauptsächlich Strecken in der Bodensee-Region. Dazu trifft sich Josef Hänfling regelmäßig mit seiner Gruppe der Mittwochsbiker, die auf Forstwegen und seit 2020 auch auf dem Gehrenberg auf einer legalen, eigens dafür angelegten Mountainbike-Strecke abseits der Wege, dem Gehro-Trail, fahren. Mit acht bis 13 Personen sind sie jeden Mittwoch unterwegs und legen zwischen 20 und 24 Kilometer zurück. „Unsere Truppe ist super. Sie nehmen auch immer Rücksicht auf mich, wenn ich mal nicht so mitkomme.“

Weggefährten steigen auf E-Bike um
Dass Josef Hänfling mit dem Mountainbiken ein für sein Alter ungewöhnliches Hobby hat, erkennt der 79-Jährige bereits an der Altersstruktur seiner Gruppe: „Ich bin nicht der Älteste, ich bin der Allerallerälteste“, sagt er und lacht. Weitgehend sind die Biker zwischen 35 und 55 Jahre alt. Ein 60-Jähriger ist auch mit dabei. „Von den Älteren haben mittlerweile alle mehr oder weniger aufgehört.“
Viele alte Weggefährten sind laut dem Maschinenbauer auch auf der Straße im Laufe der Jahre auf E-Bikes gewechselt. Für Hänfling selbst ist beides noch keine Option. Im Gegenteil, er will Menschen ermutigen, mit dem Mountainbiken anzufangen: „Man kann es auch im hohen Alter noch machen. Es muss ja nichts Wildes sein.“ Man müsse nicht mit waghalsigen Trails beginnen, sondern kann sich über die vielen, schönen Waldwege in der Region herantasten. Verletzungen kommen beim erfahrenen Radfahrer zwar schon noch vor. Mehr als kleinere Kratzer sind es aber in der Regel nicht, betont er.

Ein Hirntumor verändert alles
Ganz so wie früher kann der Markdorfer jedoch nicht mehr über die Mountainbike-Trails fahren. Sprünge und schwierigere Hindernis-Elemente, wie sie auch auf dem Gehro-Trail existieren, umfährt er mittlerweile. Mit dem Alter hat das aber nur bedingt etwas zu tun. Vor 26 Jahren entdecken Ärzte bei Josef Hänfling einen Gehirntumor, der operativ entfernt werden muss. Ein komplizierter Eingriff, der glückt, aber Folgen nach sich zieht. Auf dem linken Ohr ist er nun taub und hat dort auch seinen Gleichgewichtssinn komplett verloren. Außerdem hat er einen Tinnitus.
Schon vor der Operation sagen ihm die Ärzte, dass das Fahrradfahren nicht mehr möglich sein werde. Trotzdem holt Josef Hänfling nach dem Eingriff heimlich das Rad heraus und will es austesten – mit einem für den Sportbegeisterten schwer zu akzeptierenden Ergebnis: „Es ging wirklich gar nicht. Ich war froh, dass ich wieder heil runtergekommen bin.“
Zu dem Zeitpunkt glaubt er selbst nicht mehr daran, dass er nochmal richtig fahren kann, sagt Hänfling. Doch er macht weiter, gibt nicht auf und sitzt nun auch für die Ärzte überraschend wieder fest im Sattel. Ein weiterer Grund, warum Josef Hänfling nicht wie viele Gleichaltrige auf ein E-Bike umsteigen möchte. Er hat so hart dafür gekämpft, wieder richtig fahren zu können, das möchte er so lange ausreizen, wie es geht.
Immer wieder Neues ausprobieren
Eine unbändige Leidenschaft für das Fahrradfahren hat Josef Hänfling in seiner Familie nicht allein. „Als unser Sohn Adrian noch hier gelebt hat, hatte kein Auto mehr Platz in der Garage“, sagt Hänfling. Heute stehen noch zwei Mountainbikes und ein Rennrad an der Wand. Wenn sein ältester Enkel Julius zu Besuch ist und mitfährt, bekommt die Kollektion immer wieder kurzzeitig Zuwachs. Ob nun mit dem Enkel oder mit den Mittwochsbikern – eins ist für Josef Hänfling klar: Sein Weg führt immer wieder zurück auf den Gehrenberg.