Es war ein Bangen fast bis zur letzten Minute. Aber so richtig vorstellen konnten sich die 1205 Mitglieder nicht, dass der Turnverein Markdorf (TVM) nach 144 Jahren Vereinsgeschichte am 19. März 2024 zu Grabe getragen wird. „Ich habe immer daran geglaubt“ dass es weitergeht, sagt Kurt Rogalla, selbst langjähriger Vereinsvorsitzender und Wahlleiter an diesem denkwürdigen Abend.
Denkwürdig war die Hauptversammlung des TVM aus mehreren Gründen. „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass je so viele Menschen anwesend waren“, sagt der scheidende Vorsitzende Uwe Schäfer. Rund 70 Mitglieder waren gekommen, um sich nach 12 Jahren von ihm zu verabschieden.
Denkwürdig war freilich auch der daraus resultierende Anlass. Wie ein Damoklesschwert hing bis kurz vor dem Versammlungstermin die unbeantwortete Frage nach einem Nachfolger für Uwe Schäfer über dem Verein. Sollte dies etwa die letzte Hauptversammlung gewesen sein? Die Frage konnte glücklicherweise mit „nein“ beantwortet werden.

Vom Übungsleiter zum Vorsitzenden
Denn mit Robert Wesolowski und Carl Stromann ist ein Duo gefunden, das zu zweit die Vereinsspitze übernehmen wird. „Erst vor vier Wochen kam Robert auf mich zu“, sagt Uwe Schäfer. Bis dato hätten sich die beiden nicht gekannt. „Als wir von Krauchenwies nach Markdorf kamen, suchten wir einen Platz für unsere Tochter im Kinderturnen“, erklärt Wesolowski. Als Übungsleiter im Kinderturnen bringen er und seine Frau bereits Erfahrung mit. Jetzt will er sich darüber hinaus beim TVM engagieren.

Ein zweiter im Bunde reagierte auf einen Aufruf des TVM im Amtsblatt der Stadt Markdorf. Der gebürtige Bonner absolviert derzeit an der Dualen Hochschule in Friedrichshafen ein Studium zum Wirtschaftsingenieur. „Ich war fünf Jahre lang Übungsleiter im Kinderturnen in Bonn“, sagt Stromann. Jetzt hat er den Posten beim TVM von Katrin Willamowski übernommen – und gleich noch den stellvertretenden Vorsitz.
Ob das mit den beiden als Doppelspitze harmoniere? Man müsse da doch gut miteinander können? „Da sehen wir gar keine Probleme“, sagen beide lachend. Im Gegenteil. Das passe hervorragend. „Wir haben uns zwar erst vor zwei Wochen kennengelernt“, räumt Robert Wesolowski ein. Aber es sei ein sehr guter Anfang gewesen.
Und so war dann auch die Wahl des Duos eine eindeutige, eine überaus emotionsgeladene Angelegenheit. Noch nicht die Worte von Wahlleiter Kurt Rogalla verhallt, flogen schon die zustimmenden Hände sämtlicher Anwesenden in die Höhe, um gleich darauf erleichtert in einen frenetischen Applaus zu wechseln.

Langjähriger Kassierer gibt sein ebenfalls Amt ab
Bei aller Sorge um den Vorsitz war überdies noch ein dritter Posten zu besetzen: Mit Heribert Stützle verliert der Verein seinen langjährigen Kassierer, denn auch für ihn sei die Zeit gekommen, sein Amt weiterzugeben. Seine Nachfolge wird nun Wolfgang Giessmann antreten. Mit der Samstagslaufgruppe am Gehrenberg unterwegs, liegt ihm nicht nur das Laufen im Blut, sondern als Prokurist an der Zeppelin-Universität auch die Welt der Zahlen.
Bevor aber die Kassenbücher weitergereicht werden, zeigte ein letzter Kassenbericht von Heribert Stützle: Der Verein steht hervorragend da, auch wenn es ein gewisses Maß an gekonntem Jonglieren erforderte. „Wir hatten für ein paar Jahre zu viel Geld in der Kasse“, erklärt Stützle. Das sei problematisch geworden beim Finanzamt, da ein Verein immer als gemeinnützig gelte und kein Kapital anhäufen dürfe. Geschuldet war diese hohe Summe der geplanten Schnitzelgrube in der Turnhalle, an der sich der TVM mit 100.000 Euro beteiligt hätte. Die Schnitzelgrube kam nicht, das Geld aber blieb. Es wurde also zweckgebunden investiert in Geräte, in Trikots und Turnanzüge, in EDV und Hardware für die Geschäftsstelle. Die Mitgliedsbeiträge wurden für die vergangenen beiden Jahre halbiert, um das Vereinsvermögen wieder auf ein Normalmaß zu schrumpfen. Jetzt werden die Beiträge wieder auf die ursprüngliche Höhe angehoben.

Zeit für Rückblick auf die Amtszeit von Uwe Schäfer
Bei aller Aussicht auf das Kommende stand der Abend ganz im Zeichen des Rückblicks. Denn in zwölf Jahren als Vereinsvorsitzender kommt da schon eine ordentliche Retrospektive zusammen: 12 Hauptversammlungen, 56 Vorstandssitzungen, 24 Hegau-Bodensee-Turngau-Versammlungen, 14 Sitzungen mit dem Sportkreis, ebenso viele mit Markdorf Marketing, zehnmal Neubürgerempfang „und ein Haufen Kleinkram“, listet Uwe Schäfer nur die offiziellen Termine auf. Die inoffiziellen freilich, die zahllosen Gespräche, das Kümmern um alles und jeden, die kleinen zwischenmenschlichen Dinge, die Weihnachtsfeiern und das Gefühl eines großartigen Zusammenhalts, seien die Quintessenz dieser prägenden Jahre. „Früh habe ich gemerkt, hier fließt mein ganzes Herzblut rein.“

Geprägt waren diese zwölf Jahre auch von einer Vielzahl an großartigen Veranstaltungen. „Über den Gehrenberglauf kam ich zum Verein“, sagt Uwe Schäfer. „Und damit ich selbst nicht mehr mitlaufen musste, übernahm ich einfach den Vorsitz“, scherzt er. Zahlreiche Stadtfeste, TVM Total, Workshops und nicht zuletzt die Veranstaltung Movement in Kooperation mit der Musikschule waren beachtliche Höhepunkte.
Es bleibt „ein bisschen Wehmut“
Was von zwölf Jahren bleibt? „Ein bisschen Wehmut, wenn ich jetzt die Bilder sehe“, gesteht Uwe Schäfer. Und hoffentlich noch lange den nicht enden wollenden Applaus in den Ohren, die stehenden Ovationen vor Augen und die Dankbarkeit aller Vereinsmitglieder für immer im Herzen.