Das Parken in Markdorf sollte auch in Zukunft kostenlos bleiben. Diese Empfehlung gab Claus Kiener, Verkehrsplaner und Geschäftsführer des Büros Modus Consult Ulm, dem Gemeinderat mit auf den Weg – und sorgte damit in der Sitzung für den Aufreger des Abends.
Seit Jahren wird darüber diskutiert, ob das kostenfreie Parken – ein Alleinstellungsmerkmal in der Region – abgeschafft werden soll, Stichworte Klimaschutz und anstehende Millionensanierungen der maroden Parkhäuser. Freie Wähler, CDU in Teilen und FDP-Rat Rolf Haas fühlten sich bestätigt, Umweltgruppe (UWG) und SPD hatten das Gefühl, dass ihnen Kiener in ihrem langjährigen Einsatz für die Einführung von Parkgebühren dazwischengrätscht.

Modus Consult Ulm analysiert den gesamten Verkehrskomplex der Stadt, samt Südumfahrung und Tempo-30-Zonen. Er rate dazu, die Frage der monetären Parkraumbewirtschaftung derzeit nicht weiterzuverfolgen. „Wir erachten das als ein Nullsummenspiel“, sagte Kiener. Heißt: Für die Stadt springt dabei kein Geld raus. Nun fragt sich sicherlich Mancher: Wie kann das sein?

Kieners Rechnung ist einfach: Ein mittlerer sechsstelliger Betrag muss erst einmal aufgebracht werden, um die Technik dafür einzurichten. Und die Stadt müsste ihre Stellen für Vollzugsbeamte, die derzeit eher noch in homöopathischen Dosen unterwegs sind, deutlich aufstocken – auch das kostet Geld. Auf der Gegenseite stünden, so Kiener, ein deutlich zu kleiner gebührenfähiger Parkraum rund ums Zentrum, zu viele Kundenparkplätze, kostenfreies Parken in der Nähe am Bahnhof und in den Nebenstraßen rund um die Innenstadt. Außerdem sei die Verweildauer der Parkenden in Markdorf im Schnitt zu kurz. All das sorge dafür, dass sich Parkgebühren auf Sicht nicht rechnen würden, prognostizierte Kiener.

Im Rat prallen die Meinungen aufeinander
In den Fraktionen regten sich die Emotionen. SPD-Chef Uwe Achilles verwies auf den Investitionsstau bei den Parkhäusern. „Wer soll das zahlen? Alle? Die Allgemeinheit? Das Thema müssen wir noch einmal diskutieren.“ Auch für die UWG war klar: Der Verkehrsplaner hatte den Auftrag nicht umfassend genug betrachtet. Oder die Stadt hatte ihn missverständlich formuliert. Ob man Parkgebühren einführen sollte, entscheide sich nicht an der Frage, ob das monetär gewinnbringend für die Stadt sei, kritisierte Fraktionschef Joachim Mutschler.
Kosten und Einnahmen seien sekundär und kein Kriterium. „Wir wollen und müssen damit den Umweltverbund stärken, das steht für uns im Vordergrund“, betonte Mutschler. Wenn man die Ziele einer gebührenpflichtigen Parkraumbewirtschaftung anders formuliere, komme man zu einem anderen Schluss. Markdorf habe erst kürzlich den Zuschlag zur Teilnahme am Bundesprogramm Zukunftsfähige Innenstädte bekommen, inklusive 1,5 Millionen Euro Zuschuss. Was verstehe man im Rathaus unter einer zukunftsfähigen Innenstadt, fragte der UWG-Fraktionschef in Richtung Verwaltung: „Bauen wir die Stadt auch künftig für Autos?“

Bürgermeister Georg Riedmann verhehlte nicht, dass die Analyse des Verkehrsbüros der Stadt einen Strich durch die Rechnung machte. Schließlich hatte man hinsichtlich der Parkgebühren mit einer ordentlichen neuen Einnahmequelle gerechnet. Geld, das man dann in die Sanierung der Parkhäuser gesteckt hätte, frei nach dem Verursacherprinzip: Wer die öffentliche Infrastruktur nutzt, der zahlt auch dafür. Nun müsse man das Thema anders angehen, bekannte Riedmann. „Natürlich müssen wir über die Ziele reden, das ist unsere Aufgabe“, gab er Mutschler recht.

Das wiederum sahen die beiden anderen Fraktionen anders. Man sehe am Beispiel des Hallenbades in Friedrichshafen, dass Parkgebühren nicht funktionieren würden, wenn in der Nachbarschaft kostenfrei geparkt werden könne, sagte Simon Pfluger (CDU). Das Parkhaus sei leer, während der Parkplatz am Bodenseecenter voll sei. „Außerdem herrscht in Markdorf nur an den Donnerstagen während des Wochenmarktes Parknot.“ Er sei sogar überzeugt davon, dass die Stadt bei Parkgebühren drauflegen würde, sagte FW-Rat Jens Neumann. Er rate auch dringend dazu, mit den Einzelhändlern über dieses Thema zu sprechen.
Mit den Händlern wurde noch nicht gesprochen
Auf seine Frage, ob dies bereits geschehen sei, antwortete Riedmann, dass die Verwaltung bislang weder mit den Händlern noch mit den anderen Parkraumanbietern gesprochen habe: „Wir brauchen die Pferde nicht scheu machen, bevor sie aus dem Stall gelassen werden.“ Gegen Parkgebühren sprachen sich auch FDP-Rat Rolf Haas und Neumanns Fraktionskollege Arnold Holstein aus. Gebühren würden die Leute eher vom Einkaufen in Markdorf abhalten, warnte Haas. Holstein befand, dass man das Ansinnen schlicht beerdigen sollte: „Die Zahlen sprechen für sich.“

Jetzt soll alles noch einmal untersucht werden
Auf Vorschlag von CDU-Fraktionschefin Kerstin Mock beauftragte Riedmann noch in der Sitzung Kiener damit, eine konkrete Berechnung der zu erwartenden Ausgaben und Einnahmen anzustellen. Kiener sagte dies zu. Seine Ausführungen seien allgemein gehalten und an vergleichbaren Städten orientiert gewesen, nicht spezifisch auf Markdorf zugeschnitten. „Aber wenn wir den Umweltgedanken stärken wollen, müssen wir einige liebgewonnene Gewohnheiten über Bord werfen“, sagte er. Vor allem müsse die Verwaltung zuerst den ÖPNV stärken und die Stadt attraktiver für Radfahrer und Fußgänger machen.
Bis Kieners Ausarbeitung auf dem Tisch liegt, wird weiter diskutiert werden: Riedmann gab den Fraktionen die Hausaufgabe, das Thema nochmals intern in ihren Reihen aufzuarbeiten und gerne dem Rathaus dann auch Vorschläge für denkbare Parkraumkonzepte vorzulegen.