In der Bruggergasse baut der frühere Markdorfer und jetzige Ravensburger Bauträger Betz und Weber Baupartner ein Mehrfamilienhaus am Hang. Am 10. März besichtigte der Technische Ausschuss (TA) bei einem Vor-Ort-Termin das Bauvorhaben, auch um sich ein Bild zu machen, ob die Dimensionen der über den Hang ragenden Terrasse tatsächlich größer ausgefallen sind, als es ursprünglich geplant war und wovon man zu diesem Zeitpunkt in der Stadtverwaltung offenbar ausgegangen war.
Inzwischen hat sich um die voluminöse Betonplatte ein Streit entzündet: Bei Betz und Weber fühlt man sich zu Unrecht beschuldigt und sieht sich im Recht. Bei der Stadt und im Baurechtsamt fühlt man sich getäuscht und vor vollendete Tatsachen gestellt, muss aber eigene Versäumnisse einräumen.

- Woran hat sich der Streit entzündet? Bei dem Vor-Ort-Termin des Ausschusses waren auch Vertreter des Bauträgers zugegen und hätten laut Aussage von Geschäftsführer Hans-Peter Betz gegenüber dieser Zeitung dort darauf hingewiesen, dass die mehrfachen Änderungen gegenüber dem genehmigten Bauantrag, auch die der Terrasse, zwischenzeitlich vom Baurechtsamt bereits genehmigt seien. Stadträte und Verwaltung, so Betz, hätten ihnen jedoch kein Gehör geschenkt. Bürgermeister Georg Riedmann wiederum hatte die Dimension der Terrasse kritisiert und gesagt, wer so handle, müsse sich „nicht wundern, wenn er in Zukunft etwas strenger an die Kandare genommen wird“.

- Worum geht es? Es geht um die nachträgliche Vergrößerung der Terrasse an der Ecke Bruggergasse/Tulpenweg. Beim Bauträger ist man der Ansicht, diese sei in ihrer jetzigen Form genehmigt. Bei der Stadtverwaltung respektive im zuständigen Baurechtsamt des Gemeindeverwaltungsverbandes (GVV) Markdorf sind die Verantwortlichen der Auffassung, dass lediglich eine Änderungsgenehmigung für die veränderte Geländeausführung und -abstützung erteilt wurde, eine Genehmigung der Terrasse aber noch nicht, da der Bauträger die dafür nötigen Unterlagen noch nicht eingereicht habe. Deshalb müsse der TA nochmals darüber entscheiden.
- Wie stellt die Stadt den Vorgang dar? Mitte April 2019 habe Betz und Weber über deren Architekten im Baurechtsamt mündlich wegen einer Vergrößerung der Terrassen und Balkone angefragt. Am 29. April 2019 habe dann die Rohbauabnahme stattgefunden. Zu diesem Zeitpunkt seien nur die Lichtschächte erkennbar gewesen, die aufgeständerte Terrasse aber noch nicht gebaut. Am Tag darauf habe das Baurechtsamt dann die Änderungsgenehmigung für die Vergrößerung der Terrassen und der Balkone erteilt. Bei dem Antrag hätten aber die Grundrisse des neuen Carports mit Abstellraum und der neuen, aufgeständerten und deutlich vergrößerten Terrasse gefehlt. Bei einem weiteren Vor-Ort-Termin um die Monatswende Juni/Juli 2019 seien die Rundstützen der Aufständerung und die Terrassenplatte im Erdgeschoss bereits geschalt gewesen.

- Wie reagierte das Baurechtsamt? Bei diesem Termin hätten Vertreter des Baurechtsamtes die Veränderung „als genehmigungsfähig eingestuft und den Bau daher weiterlaufen lassen“, teilt die Stadtverwaltung in ihrer Stellungnahme auf Anfrage des SÜDKURIER mit: „Ein Baustopp wurde für unverhältnismäßig erachtet und die Nachtragsgenehmigung für erforderlich gehalten.“ Dies sei auch „im Hinblick auf die statische Begründung und Verbesserung des Sichtdreiecks und die dadurch mögliche Anlage von Längsparkplätzen“ geschehen.
- Woran hängt es nun? Die Stadt verweist darauf, dass die nächste Änderungsgenehmigung vom 25. Juli 2019 nur für die veränderte Geländeausführung und -abstützung an der Ecke Bruggergasse/Tulpenweg erteilt worden sei, nicht aber für die Terrasse. Dafür, so heißt es seitens des Baurechtsamtes, stünden die erforderlichen Plandarstellungen noch aus. Laut Stadt wolle Betz und Weber aber „allenfalls den Geländegestaltungs- und Eingrünungsplan abliefern“. Weitere Unterlagen sollen nicht eingereicht werden, habe die Firma dem Amt mitgeteilt.
- Was sagt man bei Betz und Weber dazu? Anlässlich des TA-Termins am 10. März habe man erfahren, dass die Stadt kommuniziere, dass das Bauvorhaben abweichend von der Genehmigung erstellt worden sei, so Betz. Er betont: „Natürlich ist dies nicht der Fall!“ Im Vorfeld des Vor-Ort-Termins habe man die Verwaltung über die erteilte Genehmigung vom 25. Juli 2019 informiert und per E-Mail auch eine Kopie gesendet. „Obwohl die Genehmigung selbst ja von dort kam“, so Betz. Die Genehmigung habe man dann bei der Ortsbegehung des TA auch dabei gehabt. Die Verwaltung habe dort aber die Stadträte auf Basis der Genehmigung vom 30. April 2019 informiert, statt auf Basis der nachfolgenden vom 25. Juli. „Dabei kann ja nichts Vernünftiges rauskommen“, sagt Betz. Trotz dieser nochmaligen Hinweise vor Ort sei das Bauvorhaben so behandelt worden, „als ob wir nachträglich um eine Genehmigung für ein widerrechtlich erstelltes Gebäude ersucht hätten“, so Betz. Die Motive, die die Verwaltung zu einem solchen Vorgehen veranlasst habe, könne er nicht nachvollziehen. Er empfehle Riedmann, sich mehr mit den verwaltungsinternen Abläufen zu beschäftigen, statt ihn mit „nachweislich falschen Vorwürfen zu konfrontieren und so zu tun, dass es seine wichtigste Aufgabe wäre, uns an die ‚Kandare‘ nehmen zu müssen“, so Betz gegenüber dem SÜDKURIER.
- Was antwortet Riedmann darauf? Seitens der Stadt oder des Amtes habe niemand diesen Vorwurf erhoben, sagt dazu Riedmann. Gestritten werde darüber, ob alle Änderungen tatsächlich von der Genehmigung des 25. Juli erfasst seien und bemängelt werde, dass so weitreichende Planänderungen auf der Baustelle besprochen wurden, statt in Ruhe komplette Pläne abzugeben und in Ruhe die Bearbeitung abtzuwarten.

- Wie soll es nun weitergehen? Das Baurechtsamt empfiehlt dem Technischen Ausschuss, allen nun nötigen Befreiungen für das Bauvorhaben pauschal zuzustimmen. Eine Behandlung im Ausschuss könne aber nur erfolgen, wenn Betz und Weber den Geländegestaltungs- und Eingrünungsplan rechtzeitig zuvor abgegeben hätten. Dafür sei eine Frist von einem Monat vorgesehen.
- Der Bau ist nun ein anderer als er geplant war: Etliche Befreiungen sind nötig. Was bedeutet das für die Stadträte und die Anwohner? Der Ausschuss wird vermutlich eine bittere Kröte zu schlucken haben. Denn um das Vorhaben genehmigen zu können, muss er wegen der umfangreichen Veränderungen gleich einen ganzen Sack voll Befreiungen gegenüber der ursprünglichen Baugenehmigung erteilen. Diese Befreiungen sind nötig: Garagengeschoss als Vollgeschoss, über die bisherige Genehmigung hinausgehende Nichteinhaltung der Geschossflächenzahl und der Grundflächenzahl, über die bisherige Genehmigung hinausgehende Nichteinhaltung des Bauraums durch das Garagengeschoss und die darüber liegende Terrasse, Nichteinhaltung des Stauraums von mindestens 5,5 Meter vor dem Garagengeschoss, Nichteinhaltung des Sichtdreiecks, jedoch Verbesserung gegenüber der bisherigen Genehmigung.
- Haben die Stadträte denn eine Wahl? Vermutlich nicht. Das Baurechtsamt stehe bezüglich seiner damaligen vor Ort getroffenen Entscheidungen im Wort, heißt es. Und: „Etwaige Amtshaftungsansprüche wären zu prüfen, falls sich das Vorhaben jetzt als nicht genehmigungsfähig herausstellen sollte.“