Akrobaten, Schauspieler, Musiker: Künstler aus allen Sparten leiden unter der Corona-Krise . Konzerte fallen aus, Ausstellungen wurden abgesagt. Manches hat sich inzwischen wieder etwas entspannt – zum Beispiel in den Museen und Galerien – anderes entfällt immer noch, weil etwa Chöre nicht wie gewohnt proben können. Eine Umfrage unter den Kulturschaffenden aus Markdorf zeigt, wie stark die Covid-19-Pandemie sich auf das Arbeiten der hier lebenden oder von hier stammenden Künstler auswirkt.
Gudrun und Harald Häuser bekommen verstärkt Unterstützung von Sammlern.
| Bild: Jörg Büsche
Künstler Harald Häuser: Freude über spontane Zuwendungen Wie zahlreiche andere bildende Künstler ist auch der in Markdorf aufgewachsene Maler Harald Häuser von den Pandemie-Restriktionen betroffen. So wurde ein ursprünglich für September angesetztes Kunstprojekt in Paris abgesagt. Nicht abgesagt, aber aufs nächste Jahr verschoben wurde die „Experimentelle“, für der Häuser regelmäßig seine Beiträge leistet – bei der er an verschiedenen Orten seine Bilder, Skulpturen oder seine Keramik zeigt. So verheerend wie zunächst gedacht habe sich die Corona-Pandemie am Ende doch nicht ausgewirkt, berichtet Häuser. „Zu Anfang der Krise befürchtete ich den finanziellen Totalausfall für 2020 – und so war ich überaus glücklich, dass einige, sogar eher kleinere, Städte und Gemeinden durch Zuwendungen spontan ihre Solidarität bekundet haben.“ Hilfe sei auch von anderer, übergeordneter Seite gekommen. Häuser erhielt von der Hessischen Kulturstiftung ein Arbeitsstipendium, das konkret auf die Pandemie-Zeit bezogen sei. Beistand erfahre er auch von Privatleuten. „Ganz überrascht bin ich, dass sich in dieser Zeit einige Sammler, die teils vor über 30 Jahren Bilder erworben haben, meldeten, um großzügig ihre Sammlung zu erweitern.“ Häuser vermutet, dass in Zeiten der Rezession Kunst verstärkt auch wieder als Wertanlage entdeckt werden könnte. Unabhängig davon sieht Harald Häuser einen weiteren positiven Effekt in dieser ansonsten schwierigen Zeit: „Ich empfinde die Entschleunigung als sehr befreiend, auch weil dadurch die Kunst- und Galerieszene von vielen Schaumschlägern gereinigt wird.“ Dadurch könnte die wahre Funktion der Kunst für die Gesellschaft wieder stärker in den Blick geraten.
Der Tänzer und Choreograf Matthias Kass macht sich Sorgen um die Zukunft der unabhängigen Ensembles. Hier in einem Gespräch mit SÜDKURIER-Mitarbeiter Jörg Büsche im Sommer 2019.
| Bild: Jörg Büsche
Choreograf und Tänzer Matthias Kass: Ohne Kontakt zu Tänzern ist die Arbeit fruchtlos Matthias Kass, Choreograf und Tänzer aus Markdorf, musste zwei ursprünglich für Ende Mai geplante und von Pfarrer Ulrich Hund angeregte Vorstellungen des Stücks „EQUI-LIBRE“ wegen der Corona-Krise absagen. Sie wurden auf nächstes Jahr verschoben. Durch solche und ähnliche Absagen – in Reutlingen, in Steckborn, im Wallis, in Bern – seien ihm beziehungsweise seiner Tanzkompanie „Company Idem“ erhebliche Einbußen entstanden. Die Verluste seien aber auch anderer Art, führt Kass aus. „Bei jeder Vorstellung sammle ich und die Tänzer Erfahrungen, wie ein Fußballspieler bei jedem Spiel – und dadurch wird man als Performer reifer und präziser.“ Diese „Lerneffekte“ unterblieben nun. „Die Situation stellt uns vor große Schwierigkeiten und Herausforderungen.“ Schwerwiegend sei die wirtschaftliche Bedrohung. Wegen der ausgefallenen Vorstellungen sei die gesamte Tanztheater-Sparte gefährdet. Könnten sich die etablierten Tanzkompanien oftmals durch Spenden oder Hilfsaktionen sowie gezielte Fördermaßnahmen über Wasser halten, so treffe das für die kleinen Kompanien nicht zu. Matthias Kass ist dankbar für die erhaltene Soforthilfe – „aber die wird auch nur eine Zeit lang reichen“. Immerhin sehe er sich in der glücklichen Situation, dass „unsere Unterstützer und kooperierenden Theater uns weiterhin unterstützen und die Produktionen und Vorstellungen zum größten Teil auf die nächste Spielzeit verschieben können.“ Kass überbrückt die Zeit, indem er im Studio arbeitet, neue Bühnenkonzepte entwickelt. Dennoch: „Ein Choreograf, der nur mit sich selbst arbeitet, ist auf Dauer eingeschränkt.“ Ohne Kontakt zu seinen Tänzern sei seine Arbeit fruchtlos.
Musste etliche Auftritte absagen: die Pianistin Elisa Ringendahl – hier bei einem Konzert im Rittersaal des Bischofschlosses.
| Bild: BUESCHE,JOERG
Pianistin Elisa Ringendahl: Kunst ist nicht umsonst zu haben Coronabedingte Konzertabsagen gab es nicht nur im Bereich Rock, Pop und Jazz, sondern auch für die klassische Musik. Davon berichtet die mittlerweile in Konstanz lebende Markdorfer Pianistin Elisa Ringendahl. „Mich persönlich hat besonders schwer der Ausfall meines für Ende März geplanten Klavierabends getroffen“, erklärt sie. „Ich hatte mich darauf seit Monaten vorbereitet und unendlich viel Zeit und Nerven investiert.“ Als eine Woche vor dem Konzert die auch aus ihrer Sicht „vollkommen nachvollziehbare Absage der Veranstalter“ gekommen sei, war dies gleichwohl für sie „eine herbe Enttäuschung“. Die junge Pianistin bedauert auch die Konzertveranstalter. „So manche lokale Konzertreihe kann sich sicher ohnehin schon nur dank einer guten Portion Idealismus über Wasser halten“, sagt sie und befürchtet: „Viele werden ihre Aktivitäten wohl erst einmal auf Eis legen müssen.“ Existenzsorgen müsse sie sich nicht machen. Sie hat neben ihrer Konzerttätigkeit eine feste Stelle als Klavierpädagogin in der Schweiz. Unangenehm war für sie als Grenzgängerin, dass während des Lockdowns die Grenze geschlossen war. Sie konnte ihre Klavierschüler dann online unterrichten. „Anders als viele Musikschulen in Deutschland haben die Schweizer Einrichtungen keine Kurzarbeit für ihre Mitarbeiter beantragen müssen.“ Den Versuch so vieler Künstlerkollegen, mithilfe digitaler Medien in der Öffentlichkeit präsent zu bleiben, sieht Elisa Ringendahl mit Skepsis. Ihrer Ansicht nach haben sie in einer Zeit, in der einem schmerzlich vor Augen geführt wurde, dass Kunst nicht „systemrelevant“ ist, das falsche Signal gesendet: Das Signal nämlich, dass Kunst auch umsonst zu haben ist. Dem sei aber nicht so. Auch Künstler müssten von ihrer Arbeit leben.
Muss zu seinem Glück nicht von seiner Musik leben: Schlagzeuger und Produzent Tom Wagener.
| Bild: Jörg Büsche
Schlagzeuger Tom Wagener: Zweites Standbein als großer Segen Tom Wagener spielt Schlagzeug. Er ist nicht nur ein in der Szene begehrter Drummer. Er ist zudem Produzent, Promoter und Tontechniker. Stilistisch überaus breit aufgestellt, in der Volksmusik ebenso unterwegs wie im Blues, im Pop und in Rock tritt der Inhaber des Markdorfer Kopierladens beinahe an jedem Wochenende mit einer der diversen Bands auf, in denen er mitspielt. Das gilt in normalen Jahren. Seit Ausbruch der weltumspannenden Covid-19-Pandemie gilt das nicht mehr. „Bis auf ganz wenige Auftritte wurde alles abgesagt“, berichtet der Schlagzeuger. Gecancelt wurde unter anderem das Bellinzona Blues Festival , das Ende Juni auf der Piazza Governo der Tessin-Gemeinde hätte stattfinden sollen. „Vor einigen Wochen habe ich in der Schweiz gespielt – mein erster Gig seit vielen Wochen – und danach auch in Ravensburg.“ Bis in den September sei sein Terminkalender jedoch leer. Ebenso leer seien die Kassen der Veranstalter. Viele würden um ihre wirtschaftliche Existenz fürchten. Insbesondere die freischaffende Club-Szene sei bedroht. Nun ist Tom Wagener froh, dass er sich nicht für die Musik entschieden hat. Mit seinem Kopierladen stehe er auf der sichereren Seite. Glänzend laufen die Geschäfte derzeit zwar nicht. Die Bilanzen fallen jedoch längst nicht so katastrophal aus wie bei den meisten seiner Musiker-Kollegen. Wohl dem, der da sein Einkommen nicht allein mit Gesang oder das Spielen eines Instruments erzielt. Wohl dem, für den das Musizieren nur ein Zubrot darstellt. Prognosen, wie sich die Corona-Krise mittel- oder gar langfristig auswirkt in der Branche, will Tom Wagener keine aufstellen. „Schon jetzt sieht es für viele sehr kritisch aus“, hört er in der Szene. „Da könnte einiges wegbrechen“, fürchtet Wagener.
Kultur in der Krise Die Covid-19-Pandemie bringt die gesamte Kulturbranche in eine tiefe Bredouille. Theater, Kinos, Konzerthäuser, Clubs stehen vor dem Nichts. Künstler bekommen keine Engagements. Der Deutsche Musikrat fordert, dass die Bundesländer, aber auch die Kommunen nicht vor allem im Bereich Kultur sparen. Gleichzeitig lobt er das Hilfspaket der Bundesregierung für den Kreativbereich. Kulturstaatsministeren Grütters stellt eine Milliarde Euro in Aussicht, 150 Millionen gehen daraus in die Musikwirtschaft. Künstlern droht der Status des Sozialfalls. Sie bekommen keine Subventionen, heißt es in einem offenen Brief von Kreativen an die Kulturstaatsministerin Monika Grütters. In „Sonntagsreden“ werden die Kreativen gerne als „Prägekräfte für die kulturelle Landschaft“ bezeichnet. Während der Corona-Krise stellt sich die Frage, ob Kultur lediglich ein als Luxus sei, ausschließlich für gute Zeiten. (büj)