Station 1: Der Schnabelgiere-Brunnen und Meersburgs Fachwerkhäuser
Die Station am Brunnen nutzt Anna Wrzesinsky gern, um zu erzählen, wer Annette von Droste-Hülshoff war und wie die gebürtige Münsterländerin nach Meersburg kam. Ihre Schwester Maria Anna (genannt: Jenny) von Droste-Hülshoff habe 1834 geheiratet, ihr Ehemann Joseph von Laßberg kaufte später das Alte Schloss in Meersburg.
Annette holten sie zu sich, denn damals verheirateten Adelige selten alle Töchter, weil jedes Mal eine Mitgift fällig wurde. „Man muss sich vorstellen: Zuhause wusste die Mutter über alles Bescheid, auch Briefe wurden gemeinsam gelesen. Hier in Meersburg war das anders. Von Laßberg kümmerte sich nur darum, dass sie zum Abendessen zuhause war. So bedeutete für sie Meersburg die absolute Freiheit.“

Auch sonst war damals einiges anders. „Ich sage den Leuten immer, sie müssen sich das alles etwas schmuddeliger und unordentlicher vorstellen.“ So erlauben die alten Gebäude dann eine kleine Zeitreise. Tiere seien hier damals gehalten worden, es gab Misthäufen vor den Häusern. Man müsse sich vorstellen, dass das Fachwerk, was wir heute besonders schön finden, im 19. Jahrhundert eigentlich ein Zeichen von Armut gewesen sei. „Wer sich das Verputzen nicht leisten konnte, ließ die Balken frei liegen.“
Auch die hohen unteren Stockwerke, die teilweise Torbögen haben, die heute in Schaufenster von Läden umgewandelt wurden, seien keinesfalls ein Zeichen großen Wohlstands gewesen. „Da unten musste der Heuwagen durchpassen“, erläutert Wrzesinsky. Mit Blick auf den Kirchturm, der hinter den Häusern, die den Brunnen umrahmen, hervorlugt, liest sie dann einen ersten Text der von Droste-Hülshoff, die Beschreibung eines Fronleichnamstages in Meersburg.
Zwischenstation: Der Kirchturm
„... – den 26ten Fronleichnamstag – Ich schreibe dir unter Kanonendonner, unter Pauken- und Trompetenschall – die Bürgermiliz hat sich vor der Pfarrkirche aufgeplanzt, und läßt ihr Geschütz (wirklich ordentliche Kanonen) seit vier Uhr Morgens – sechs Messen lang – so unbarmherzig zu Gottes Ehre knallen, daß fast in jedem Hause ein Kind schreit, und wir auf dieser Seite haben alle Fenster aufsperren müssen, damit sie nicht springen. – In den Schwaben ist doch mehr Lust und Leben wie in unsern guten Pumpernickeln!“ (Aus: Annette von Droste-Hülshoff, Sämtliche Briefe, historisch-kritische Ausgabe herausgegeben von Winfried Woesler.)

Station 2: Der Sturm
Von Droste-Hülshoff schildert in dem Brief im November 1843 an Elise Rüdiger einen besonders stürmischen Spaziergang: „...und einen Sturm habe ich erlebt, o einen Grospapa aller Stürme! und habe Gott gedankt daß ich ihn allein überstehn mußte, – es war in der zweyten Woche nach Ihrer Abreise, ich hatte einen langen Spaziergang, weit über Haltenau hinaus, gemacht, und mich eben zum Rückwege gewendet, als ein wahres Teufelswetter losbrach, – ohne Regen nur Sturm, aber um Berge zu versetzen, – bey jedem Ruck faßte er mein dickes wattirtes Kleid, und wollte mich über die Mauer reißen, so daß ich gleich bergan in die Reben flüchten mußte, wo ich mich kümmerlich an den Pfählen fortlawirte bis Haltenau, und dort wie ein verunglückter Luftballon ins Haus mehr plumpste als flatterte (...)“ (Wie alle weiteren zitierten Texte ohne Quellenangabe aus: Annette von Droste-Hülshoff am Bodensee, ein literarischer Reiseführer von Irene Ferchl.)

Später in ihrem Brief spielt auch die Brücke, die zur Burg führt, sowie der Bewohner des gelben Hauses, das davor im Bild zu sehen ist, eine Rolle. Dort lebte nämlich der Müller: „(...) noch einmahl hatte ich einen schweren Stand, die Stiegen hinauf, wo der Wind wieder alle Macht hatte, und besonders auf der langen schmalen Brücke über den Mühlrädern, wo ich einmahl keinen anderen Rath wuste als mich platt hinzuwerfen, und doch wohl herab geweht wäre, wenn nicht der Müller, der auch grad genöthigt war die Brücke zu passiren, mich am Boden festgehalten und dann auch die letzte Stiege hinaufgeleitet hätte (...)“
Zwischenstation: Die Gassen und Galgen
Meersburg wurde auf Sandstein erbaut. Deshalb haben die Häuser keine Keller, zu aufwändig wäre es gewesen, diese zu graben, oder sogar unmöglich. Was man anderswo im Keller aufbewahrte, lagerte man also in Meersburg unter dem Dach. Die Galgen erinnern heute noch an die damaligen Lastenaufzüge.
Station 3: Die „Spiegelei“ im Alten Schloss, die sie bei ihrem zweiten Meersburgaufenthalt im Herbst 1843 bezieht
Den Raum, der zuvor auch schon eine Zeit lang als Gefängnis gedient hatte, nannte sie mutmaßlich so, weil der See bei Sonnenschein Reflexionen an die Wände und Decke des runden Zimmers wirft.
In einem Brief an Louise Schücking im Jahr 1844 schrieb sie: „Mein Thurm ist köstlich, d.h. meinem Geschmacke nach. Einsam, graulich, – heimliche Stiegen in den Mauern – Fensterscheiben mit Sprüchen von Gefangenen eingeschnitten – eine eiserne Thür die zu Gewölben führt wo es nachts klirrt und rasselt – und nun drinnen mein lieber warmer Ofen, – mein guter großer Tisch mit Allem darauf was mein Herz verlangt, Bücher, Schreibeyen, Mineralien – und als Hospitant mein klein Kanarienvögelchen das mir aus der Hand frißt und die Federn verschleppt. – o es ist ein prächtiges Ding, der runde Thurm!“
Anna Wrzesinsky erzählt hier oben auf der Terrasse des Neuen Schlosses mit Blick über den See auch gern die Geschichte eines Touristen, der sie gefragt habe, wieso der Raum denn „das Spiegelei“ genannt werde, lächelt bei der Erinnerung und liest dann ein paar Zeilen der Schriftstellerin über die Meersburger und Schwaben an sich, die sie im Jahr 1844 in einem Brief an Sophie von Haxthausen verfasst hat: „Du siehst, es giebt hier mitunter nette Leute; wenn die Schwaben gut sind, so sind sie gleich recht gut, sonst durchgängig etwas dickhäutig und dickköpfig, aber doch durch die Bank fromme Schlucker und das Sprichwort ‚ehrlich wie ein Schwab‘ ist nicht umsonst da. Es wohnen hier noch viele ehemalige Diener und Beamte der letzten Fürstbischöfe von Constanz (die hier bekanntlich residierten), und ich habe mich bei diesen Leuten aus der guten alten Schule, die so ehrerbietig sind und doch so würdig ihre Stelle auszufüllen wissen, recht erholt von der geistreichen Tatlosigkeit unseres Bürgerstandes; dazu die himmlische Gegend, die gesunde Luft, das romantische alte Schloß und Musik von allen Ecken. (...) Kurz, Meersburg hat wirklich etwas Zauberhaftes. Du mußt nothwendig kommen und sehen, ehe es zu spät wird.“ (Aus: Briefe – Annette von Droste-Hülshoff, Hg. Hermann Cardauns.)
Station 4: Das Fürstenhäusle, das Annette von Droste-Hülshoff am 17. November 1843 ersteigert hat
„Jetzt muß ich Ihnen auch sagen, daß ich seit acht Tagen eine GRANDIOSE Grundbesitzerin bin, ich habe das blanke Fürstenhäuschen, was neben dem Wege zum Frieden liegt – doch dort waren Sie nicht, aber man sieht es gleich am Thore, wenn man zum Figel geht – nun das habe ich in einer Steigerung, nebst dem dazu gehörendem Weinberge, erstanden – und wofür? – für 400 Reichsthaler – Dafür habe ich ein kleines aber massiv aus gehauenen Steinen und geschmackvoll aufgeführtes Haus, was vier Zimmer, eine Küche, und Bodenraum enthält, – und 5000 Weinstöcke, die in guten Jahren schon über zwanzig Ohm Wein gebracht haben, – es ist unerhört!“, schrieb Annette von Droste-Hülshoff über ihr Fürstenhäusle im November 1843.
Letzte Station: Der See

Wäre die Sicht etwas klarer, könnte man hier vom Vorplatz des Fürstenhäusles den Säntis in seiner vollen Pracht sehen. Hierzu das gleichnamige Gedicht.
Der Säntis von Annette von Droste-Hülshoff
Annette von Droste-Hülshoff lebte und starb in Meersburg.