Es ist 17.04 Uhr am Donnerstagnachmittag. Der letzte Weinzuber mit Trauben verschwindet in der Kelterei des Winzervereins Meersburg in der Unterstadt, gelenkt von Stadtpfarrer Matthias Schneider, der die Ernte und die Winzer kurz zuvor noch gesegnet hat. Es ist der letzte Zuber der 20-tägigen Weinlese in diesem Jahr. Es ist aber auch der letzte Zuber, der jemals in der 100-jährigen Weinlese des Winzervereins in der Unterstadt abgeladen wurde. Denn ab dem kommenden Jahr befindet sich die neue Kelterei oberhalb der Stadt.
Dieses historische Ereignis wurde gebührend gefeiert. Geschäftsführer Martin Frank moderierte die Aktion, die von mehr als 500 Zuschauern in der Unterstadt verfolgt wurde. Zahlreiche Winzer kamen mit ihren geschmückten Traktoren und fuhren ebenfalls vor – angeführt vom Vorsitzenden Georg Dreher. Winzer Herbert Mayer aus Wangen bei Markdorf war es vorbehalten, die letzten Trauben zu liefern. Es waren Trauben der Sorte Riesling.

Der krönende Abschluss war die Anlieferung seiner letzten beiden Zuber mit einem Pferdegespann. Diese wurden gebracht von Fuhrmann und Winzer Franz Müller und seiner Familie mit drei Generationen. Mit dabei war ein Gespann mit zwei Pferden und einem großen Leiterwagen mit den beiden Zubern. Sie kamen durch die Unterstadt vor die Kelterei vorgefahren – so wie man die Weintrauben vor 100 Jahren an selber Stelle anlieferte.
Damals war Kellermeister Valentin Wagner natürlich noch nicht dabei, dennoch hatte auch er ein klein wenig Wehmut, dass nun der letzte Zuber angeliefert wurde. Es schwinge aber auch eine gehörige Portion Vorfreude auf die neue Kelterhalle mit, betonte er. „Gerade in diesem Herbst ist es so, dass ich bei meiner täglichen Arbeit denke, was alles anders und besser wird“, sagte der Kellermeister. „Aber eines ist auch klar: Das unglaubliche Flair der Unterstadt wird natürlich fehlen.“

Große Erntemenge macht Zwangspause notwendig
Mit der Ernte in diesem Jahr war Valentin Wagner hochzufrieden. Vor allem von der Menge her musste sogar eine Zwangspause eingelegt werden. „Wir hatten in den ersten acht Tagen so viel Trauben wie 2021 in der kompletten Lese“, erzählte der Kellermeister. „Da kamen wir tatsächlich an unsere Kapazitätsgrenzen und konnten drei Tage nichts mehr annehmen.“ Es sei perfektes Lesewetter gewesen. Durch die Sonne kamen noch jede Menge Oexle dazu. Die Winzer waren knapp vier Wochen mit dem Einholen der Trauben beschäftigt. An 20 Tagen wurde gelesen. „Es kann sogar sein, dass wir dieses Jahr die Grenze von einer halben Million Liter Wein geknackt haben“, so Valentin Wagner.

Geschäftsführer Martin Frank wurde die historischen Bedeutung des Tages erst danach so richtig bewusst: „Ich war organisatorisch so eingebunden und bin aktuell so im Neubau integriert, dass mir das ganze Ausmaß in der Situation gar nicht so klar war“, erklärte er. „Als ich die ersten Bilder sah, war ich völlig überrascht, wie viele Leute in der Unterstadt bei waren.“ Genau deshalb ist ihm auch ganz wichtig zu betonen, dass der Winzerverein definitiv weiter in der Unterstadt bleiben werde.