Eine Traube von Menschen bildet sich in der Meersburger Unterstadt. Einige halten ihre Handykamera parat, andere begutachten das Treiben mit ihren bloßen Augen: Ein Traktor mit Anhänger steht vor dem großen gelben Gebäude des Winzervereins Meersburg. Auf dem Anhänger hat Winzer Herbert Schellinger sechs Zuber voll mit Trauben geladen – aus denen später Weißburgunder wird.

„Dieses Jahr war ein gutes Jahr für die Weinlese“, sagt Schellinger. „Bis auf einen Regentag hatten wir Glück mit dem Wetter.“ Trotz erfolgreicher Lese hört man die Wehmut in der Stimme des Winzers. Denn dieses Jahr werden die Trauben, die er zum Winzerverein gebracht hat, zum letzten Mal am Standort in der Unterstadt zu Wein verarbeitet.

Winzerverein zieht in die Oberstadt
2024 zieht der Winzerverein in sein neues Zuhause, an den Siechenweiher in die Meersburger Oberstadt. Künftig können also nicht mehr hunderte Touristen und Einheimische live bei der Traubenannahme dabei sein. „Hier waren immer ein‘ Haufen Leut‘, wenn Wein gemacht wurde. Es hat die Unterstadt im Herbst belebt“, blickt Herbert Schellinger zurück, der selbst seit einigen Jahrzehnten jedes Jahr seine Trauben dort abgegeben hat.
Doch der Winzer weiß auch: Die Arbeit rund um die Weinherstellung wird für die Mitarbeiter des Winzervereins im neuen Gebäude um einiges einfacher sein. „Es ist eine Arbeitserleichterung für die Beteiligten. Und für uns wird die Anfahrt praktischer, dann staut es sich nicht mehr bis in der Unterstadt.“

Mehr Vorteile am neuen Standort
Diese Umstände sieht auch Martin Frank, Geschäftsführer des Meersburger Winzervereins. Beim Blick auf die Maschinerie im Inneren des Gebäudes wird er nostalgisch. „Es ist mein 30. Herbst, den ich hier mitmache. Es ist toll, es ist einzigartig und ganz besonders, inmitten der ganzen Menschen zu arbeiten“, sagt er.

Und doch gebe es mehr Vorteile als Verluste am neuen Standort in der Oberstadt. „Die Arbeitsabläufe werden künftig effizienter sein, durch neue Maschinen und Lagermöglichkeiten sparen wir uns Mitarbeiter und dadurch auch Kosten“, erklärt Frank. Kellermeister Valentin Wagner stimmt ihm zu. Ihm zufolge gibt es noch weitere Vorzüge. So könne beispielsweise der Wasserverbrauch in Zukunft deutlich verringert werden. Aktuell werde der Wein während der Gärung mittels Wasser gekühlt, am neuen Standort sei eine Kühlanlage geplant. Die Energie für diese Anlage soll von einer Photovoltaikanlage kommen.

„Außerdem erhöhen wir die Annahmekapazität. Statt wie bisher 60 Tonnen am Tag, können wir ab nächstem Jahr doppelt so viele Trauben annehmen“, sagt Valentin Wagner. Ähnlich sieht es mit dem Volumen der Weintanks aus. Bisher konnte der Winzerverein etwa 750.000 Liter lagern, demnächst sind es knapp 1.000.000 Liter.
Vorfreude auf Umzug ist groß
Sowohl Valentin Wagner als auch Martin Frank werden die Begegnungen in der Unterstadt in Zukunft vermissen. Trotz aller Nostalgie und aller Wehmut betonen die beiden: „Wir freuen uns sehr auf den neuen Standort.“ Dieser soll voraussichtlich im Juni 2024 fertiggestellt werden. Wie viel der Neubau den Winzerverein kostet, möchten die Verantwortlichen aktuell noch nicht sagen – denn man befinde sich in einem laufenden Verfahren. Frank verrät nur so viel: „Kostentechnisch ist es eine wahnsinnige Herausforderung für uns.“
Winzerverein plant Vergrößerung des Kellereiverkaufs
Sobald der Winzerverein umgezogen ist, stehen die Räumlichkeiten in der Unterstadtstraße leer – das aber nur vorerst. Schon bald soll das alte Gebäude wieder zum Leben erweckt werden. Der Winzerverein selbst plant eine Vergrößerung seines Kellereiverkaufs „Der Weintreff am See“. Aktuell besteht der Weintreff aus einem kleinen Lokal, in dem Besucher Wein kaufen und probieren können.
„Wir wollen den Kellereiverkauf, die Direktvermarktung und auch die Gastrofläche ausbauen“, kündigt Martin Frank an. Dafür bleiben circa 360 Quadratmeter des alten Winzerverein-Gebäudes in eigenem Besitz. Was mit dem Rest der Fläche passiert, die dem Winzerverein bisher unter anderem als Lager- und Gärfläche diente, ist noch nicht sicher.
Bauvoranfrage für Gebäude bereits Thema im Ausschuss
Laut einer Bauvoranfrage, die jüngst Thema im Ausschuss für Umwelt und Technik war, und der mehrheitlich zugestimmt wurde, ist folgendes geplant: Im Erdgeschoss sollen eine Marktpassage, eine Weindegustation sowie Verkaufsflächen entstehen. Im ersten Stock sind Küche, Lager- und Personalräume geplant, in den oberen Geschossen soll ein Beherbergungsbetrieb unterkommen.