Eine Kirche wie die Meersburger „Mariä Heimsuchung“ ist eine außergewöhnliche Baustelle. Für einen einheimischen Handwerker, etwa Zimmerer Benjamin Wurster von der Firma Holzbau Schmäh, die das Dach und den Dachstuhl instand setzt, trifft das ganz besonders zu.

Zimmermann Benjamin Wurster erklärt den Unterschied zwischen alter und neuer Dachdeckung.
Zimmermann Benjamin Wurster erklärt den Unterschied zwischen alter und neuer Dachdeckung. | Bild: Sylvia Floetemeyer

„Ich wurde in dieser Kirche getauft, hatte hier Erstkommunion und Firmung und meine beiden Kinder wurden hier auch getauft. Ich mache das hier richtig gerne.“ Das erzählt Wurster, während er mit seinem Kollegen Martin Herte Dachlatten annagelt. Sie sind stabiler als ihre Vorgängerinnen, brechen somit nicht so leicht durch, und werden in engerem Abstand angebracht. Ersteres dient auch dem Arbeitsschutz, Letzteres hat mit der Art der Ziegel zu tun.

Kirche erhält neue Biberschwanzziegel

Bisher war das Dach der 1833 errichteten Kirche mit Falzziegeln gedeckt, die „einfach“ gelegt wurden, wie Zimmerermeister Joris Neyrinck erläutert. Jetzt legt man in „Doppeldeckung“ Biberschwanzziegel auf, die nach historischem Vorbild hergestellt werden. Diese Deckung, bei der immer zwei, drei Ziegel übereinander liegen, habe den Vorteil, dass das Dach viel dichter sei.

Außerdem werden die Ziegel nicht mehr mittels Klammern gesichert, sondern jeder der rund 45 000 Ziegel, die die Zimmerer auf dem etwa 40 Meter langen Dach anbringen, wird gelocht und mit einer Schraube befestigt, ergänzt Neyrinck. Mit diesem Konzept, das eng mit dem Denkmalamt abgestimmt sei, werde man künftig auch besser gegen Starkregen und Wind gefeit sein.

Besondere Rücksicht auf Langohrfledermäuse

Berücksichtigt werden auch die grauen Langohrfledermäuse, die im Dachstuhl ihr Sommerquartier haben. Ihre alten Einflugschneisen blieben erhalten. Unter den neuen Dachrinnen aus Kupfer sind, im ebenfalls neuen, kupfernen Lochblech, Schlitze ausgespart, durch die nur Fledermäuse – und nicht etwa Tauben – passen sollen. Zusätzlich hat man einige Fledermausziegel mit Einschlupfröhren eingebaut.

Unter den neuen Dachrinnen erhielt man die alten Einflugschneisen der Fledermäuse.
Unter den neuen Dachrinnen erhielt man die alten Einflugschneisen der Fledermäuse. | Bild: Sylvia Floetemeyer

Sowieso richtet sich der ganze Zeitplan nach den Flugsäugern, die im Dachstuhl ihr Sommerquartier haben, wo sie auch ihre Jungen aufziehen. Deshalb wollte man eigentlich erst nach dem Umzug der Tiere in ihr – unbekanntes – Winterquartier außerhalb der Kirche mit der Sanierung des Langhauses beginnen. Doch nachdem Sturmtief „Sabine“ im Februar das Dach beschädigt hatte, musste man den Baustart vorziehen.

Architektin Sabine Jordan vom Erzbischöflichen Bauamt Konstanz leitet die Baustelle.
Architektin Sabine Jordan vom Erzbischöflichen Bauamt Konstanz leitet die Baustelle. | Bild: Sylvia Floetemeyer

Derzeit hausen die Fledermäuse im Bereich des Turms, davor lebten sie im Chor, der schon vor zwei Jahren im ersten Bauabschnitt saniert wurde. Ab September ziehen die Fledermäuse dann wieder ins Winterquartier, erzählt Jordan. Deshalb werde sich die Instandsetzung des Daches und des Dachstuhls noch bis in den Oktober hinein ziehen.

Möglichst viel Originalsubstanz soll erhalten bleiben

Auch beim Dachstuhl zeigt sich, dass heute anders saniert wird als noch vor wenigen Jahrzehnten. Ersetzte man früher beschädigte Balken einfach komplett, erhält man nun so viel Originalsubstanz wie möglich. Man entfernt nur irreparable Stellen und ersetzt sie per passgenauer „Anstückung“ mit neuem Holz, wie Fachmann Lukas Theurich erklärt.

Fachmann Lukas Theurich zeigt, wie man heutzutage per „Anstückung“ Dachstuhlbalken restauriert.
Fachmann Lukas Theurich zeigt, wie man heutzutage per „Anstückung“ Dachstuhlbalken restauriert. | Bild: Sylvia Floetemeyer

Statt grobschlächtiger Ausbesserungen sorgen heute etwa Eichenholznägel und unsichtbare Vollgewindeschrauben in den Sparrenfußpunkten handwerklich vollendet für neue Stabilität.

So besserte man noch vor wenigen Jahrzehnten beschädigte Balken aus.
So besserte man noch vor wenigen Jahrzehnten beschädigte Balken aus. | Bild: Sylvia Floetemeyer

Stadtpfarrer Matthias Schneider fühlt sich durch die Baustelle im Gotteshaus kaum eingeschränkt. Im Gegenteil, er war froh, als es mit der Dachsanierung losging – auch wegen der großen Verantwortung. Schließlich grenze die Kirche direkt an die Bundesstraße und an eine Bushaltestelle. Da habe man immer Angst, dass etwas vom Dach falle und Schaden anrichte.

Pfarrer Matthias Schneider hat eine gute Idee, wie man mithilfe der alten Ziegel Spendengelder flüssig machen kann.
Pfarrer Matthias Schneider hat eine gute Idee, wie man mithilfe der alten Ziegel Spendengelder flüssig machen kann. | Bild: Sylvia Floetemeyer

Rund zwei Drittel der Sanierung müsse die Meersburger Kirchengemeinde selbst zahlen, allein der zweite Bauabschnitt koste rund eine Million Euro. Außer dem Dach und dem Dachstuhl wird auch die Außenfassade renoviert: Durch Versalzungen und Nässe beschädigter Putz wird ausgebessert, der Sandstein im Sockelbereich und an den Eckquadern saniert, Türportale und Fenstergewände werden instand gesetzt. Schließlich erhält das Langhaus einen neuen Anstrich.

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Im dritten und letzten Bauabschnitt, der laut Jordan erst noch geplant werden muss, soll dann die Sanierung des Turms folgen. Er ist der älteste Teil der Kirche, war einst Teil der Stadtbefestigung und reicht bis ins Mittelalter zurück.