Ralf Meßmer beugt sich über zwei aneinandergelegte große Karten. Auf der sind überflutete Flächen in Bitzenhofen eingezeichnet. Die Karten wurden im Juni 2022 angefertigt, sie sind aus einem Ordner „Kommunales Starkregenrisikomanagement Bitzenhofen“ und auf ihnen ist der Rohmbach großflächig über die Ufer getreten.
Die Simulation des Ingenieurbüros Wasser-Müller eines „extremen Abflussereignisses“ wurde am 26. Juni bittere Realität: Wie dort eingezeichnet, bahnten sich die Wassermassen, die an jenem Mittwochmorgen vom Gehrenberg herabschossen, ihren Weg durch Bitzenhofen herab über die B33 bis direkt in den Ortskern von Oberteuringen. Allerdings waren die tatsächlich aufgetretenen Wassermassen nochmals deutlich höher als die angenommenen.

Alle Karten in dem Ordner enden direkt am Ortseingang von Oberteuringen, unmittelbar vor dem Wohngebiet West III, das mit am stärksten von den Überschwemmungen betroffen war. Ein Starkregenrisikomanagement für den Kernort gibt es noch nicht. Es sei aber nun bei dem Büro in Auftrag gegeben worden, sagt der Bürgermeister. Das Problem: Bis das erstens fertig ist und zweitens die meisten Maßnahmen daraus umgesetzt sind, werden noch Jahre vergehen. Das weiß auch Meßmer. „Das ist vom Gefühl her jetzt halt schon wie ein Wettlauf gegen die Zeit“, sagt er. Kurzfristige Dinge würden natürlich sofort erledigt.
Jetzt soll es ein Starkregenkonzept für den Kernort geben
Bitzenhofen hätte es noch stärker getroffen, hätte es dort das Risikomanagement noch nicht gegeben, betont Meßmer. In den vergangenen Jahren seien zum Beispiel Gräben ertüchtigt und ein Starkregenschutz an der Siedlung Rebhuhnweg eingebaut worden. Im Kernort hingegen wurden bislang noch keine Maßnahmen gegen ein Hochwasser getroffen. Dort, so Meßmer, habe man sich bislang auf den Hochwasserschutz an der Rotach konzentriert. Die jedoch hatte beim Starkregen am 26. Juni keine Rolle gespielt. Geht es nun um die Starkregenmaßnahmen für den Ortskern, komme es darauf an, dass sich beide Konzepte nicht gegenseitig beeinträchtigen. „Ich kann ja nicht ein Baugebiet schützen und ein anderes dafür absaufen lassen“, sagt Meßmer.

Beim künftigen Schutz des Kernorts steht man in Oberteuringen noch ganz am Anfang. Der Bürgermeister kann sich zum Beispiel Abläufe auf Höhe der Bundesstraße bei Stadel in die Flächen unterhalb der Straße vorstellen. Wenn man dort einen Teil der Wassermassen bereits ableiten könnte, wäre das Ortszentrum schon besser geschützt. Allerdings wäre das auf Markdorfer Gemarkung. Solche und weitere Möglichkeiten soll in den kommenden Monaten das Ingenieurbüro prüfen.
Meßmer appelliert an Eigenverantwortung der Bürger
Eines sei aber jetzt schon klar, sagt Meßmer: „Die Gemeinde wird durch ihre Maßnahmen nicht alles verhindern können, da ist jeder Bürger auch privat gefordert.“ Denn guter Starkregenschutz kostet viel Geld. Geld, das die Gemeinde angesichts großer anstehender Aufgaben wie dem neuen Feuerwehrgerätehaus oder der Umnutzung des alten Schulbaus eigentlich nicht hat. Was Meßmer von den Bürgern erwartet, sagt er auch: „Zum Beispiel das eigene Haus je nach örtlichen Gegebenheiten zu schützen.“ Auch der Einbau von Rückschlagklappen sei zum Beispiel sinnvoll. Hier seien auch „Eigenverantwortung und private Vorsorge“ gefragt.

Noch sei man im Rathaus mitten in der Analyse der Katastrophe vom 26. Juni, die im Kernort und in Bitzenhofen Schäden in Millionenhöhe verursacht hatte. Sei die Auswertung abgeschlossen, soll es eine Bürgerinformationsveranstaltung geben. In der sollen auch Hinweise aus der Bürgerschaft aufgenommen werden und eventuell dann in das Starkregenkonzept für den Kernort einfließen, sagt Meßmer.

Trägt der Landkreis Müllkosten? Verhandlungen laufen
Ganz am Anfang stehen auch noch die Gespräche mit dem Landratsamt: Erstens über die Frage, ob die Kreisbehörde die Kosten privat beauftragter Schuttabfuhrdienste übernimmt und zweitens wie eine künftige Lösung einer Müllentsorgung im Katastrophenfall aussehen könnte. Er habe Verständnis dafür, dass sich die Bürger darüber beschwerten, dass der Landkreis die Kosten privater Abfuhren beim Hochwasser in Meckenbeuren übernommen, dies aber nun in Oberteuringen abgelehnt habe. „Da müssen wir zu einer allgemeingültigen Regelung für alle kommen“, betont Meßmer. Er werde sich für die Kostenübernahme einsetzen, könne sie aber noch nicht versprechen. Im Grundsatz sei aber nicht zu vergessen, dass es für solche privaten Kosten auch Versicherungen gäbe.
Ebenfalls überarbeitet werden nun die Notfallpläne der Gemeinde: Was kann man tun oder was muss angeschafft werden, um etwa besser gegen Stromausfälle abgesichert zu sein? Was fehlt der Feuerwehr noch? Wie lässt sich die Kommunikation mit den Bürgern bei einem Notfall verbessern? Auch dort, sagt Meßmer, sollen in einigen Wochen konkrete Antworten vorliegen.

Kritik der Landwirte: Gräben werden nicht freigemacht
Kritik gab es aus der Landwirtschaft, CDU-Rätin Sabine Müller hatte sie am 11. Juli auch im Gemeinderat eingebracht: Es würden nicht regelmäßig und stark genug die Randstreifen an den Gewässern zurückgeschnitten. Dadurch seien vor allem die kleineren Bäche schnell verstopft, das Wasser könne nicht abfließen, Überflutungen seien daher programmiert. Die Landwirte selbst und auch die Gemeinde dürfen jedoch solche Arbeiten auf ihren Flächen nicht vornehmen, da schiebt der Natur- und Artenschutz, für den das Landratsamt zuständig ist, einen Riegel vor.

„Teilweise wurden die Gräben vier oder fünf Jahre nicht mehr aufgemacht und wenn wir das machen, ist es illegal“, hatte Müller kritisiert und Meßmer darum gebeten, als Kreisrat das Thema im Kreistag auf die Agenda zu bringen. Die zugewucherten Gewässer seien auch ein Kreisproblem, sagte sie. Meßmer hatte im Rat zugesagt, das Anliegen mit den Verantwortlichen im Landratsamt zu besprechen.
Diese Zusage bekräftigt er auch gegenüber der Redaktion. „Aber auch wir als Gemeinde haben da strenge Vorgaben und dürfen oft nichts machen“, schränkt er ein. Er werde das Thema beim Landkreis aber auf alle Fälle zur Sprache bringen, eventuell gemeinsam mit dem Markdorfer Bürgermeister Georg Riedmann. „Das müssen wir dringend mit den Naturschutzbehörden abklären“, sagt Meßmer auch. Man benötige eine Lösung, die dem Naturschutz und den Gemeinden und Landwirten gleichermaßen gerecht werde. Doch ob und wann es bei diesem Thema Bewegung gibt – auch das ist völlig ungewiss.

Meßmer: An der Kanalisation lag es nicht
Kein Thema ist für Meßmer hingegen die Frage, ob die Kanalisation auch deswegen überlastet war, weil es dort Handlungsbedarf gibt. Das Kanalnetz der Gemeinde werde den gesetzlichen Vorgaben entsprechend regelmäßig geprüft und bei Bedarf instandgesetzt, sagt er. Daran habe es nicht gelegen. Eine andere Frage sind die Retentionsbecken in der Gemeinde. Aus der Bürgerschaft gab es Hinweise, dass am 26. Juni eventuell Abläufe verstopft gewesen seien. Dort gibt es jedoch keine Vorgaben zur Kontrolle. Die Abläufe werden dann kontrolliert, wenn es Hinweise gibt, dass etwas nicht stimmt. Regelmäßige Überprüfungen gebe es bislang noch nicht. Auch hier sieht Meßmer aber die Bürger gefordert, es der Gemeinde zu melden, wenn es den Anschein habe, dass Abflüsse zu seien.
Das Fazit des eineinhalbstündigen Austausches im Rathaus: Die Gemeinde analysiert noch den Fluttag und seine Folgen. Erste Maßnahmen sind eingeleitet, doch bis die greifen, wird es dauern. Mit dem Landratsamt soll der Austausch über das Starkregen-Thema intensiviert werden. Ob das Wetter sich an diese Zeitpläne und Zeiträume hält, ist dann die andere Frage.