Einiges hat sich geändert in fünf Jahrzehnten sonderpädagogischer Arbeit in Buggensegel, vieles ist gleich geblieben. Die im Sommer frisch gestartete Schulrektorin Annette Uhl blickt gemeinsam mit Gesine Smaglinski und Monika Friesenhagen auf die Entwicklung der Sonnenbergschule zurück.

Die beiden langjährigen Lehrkräfte, die einen Großteil der Entwicklung der Sonnenbergschule mit begleitet und geprägt haben, erinnern sich lebhaft: Der erste Rektor, Peter Höring, sei damals noch über die Dörfer gefahren und habe die potenziellen Schüler eingesammelt. Im Gegensatz zu der 1919 eingeführten allgemeinen Schulpflicht sei es für Kinder mit besonderem Förderbedarf erst Ende der 1960er-Jahre üblich geworden, zur Schule zu gehen.

So sah die Schule in den 80er Jahren vor Neu- und Anbau aus.
So sah die Schule in den 80er Jahren vor Neu- und Anbau aus. | Bild: Sonnenbergschule

Mit 15 Schülern und drei Pädagogen wurde schließlich am 21. Februar 1972 der Unterricht aufgenommen. Der fand in der alten Dorfschule statt. Weil es so gut wie kein Material gab, mussten die Arbeitsblätter noch mühsam über Matrizen erstellt und Zeugnisse von Hand geschrieben werden. Die Kochrezepte für den lebenspraktischen Unterricht wurden gemalt. „Kochunterricht war sehr beliebt, weil man in Einem Mathe, Lesen und das Miteinander lernen kann“, erklärt Friesenhagen.

Bewegtes Lernen und größere Klassen

Der Unterrichtstag sei geprägt gewesen von Morgenkreis, Märchenspielen und Epochenunterricht, um fächerübergreifend an einem Thema längere Zeit verweilen zu können. „Es war ein eher bewegtes Lernen“, erzählt Friesenhagen mit Blick auf häufig wechselnde Lernorte. Mit bis zu zwölf Schülern seien die Klassengruppen deutlich größer gewesen als heute. Die Lehrkräfte seien ganztägig im Einsatz gewesen. Die Eltern hätten gern und viel mitgeholfen. Unterstützung in Form von Schulbegleitern habe es noch nicht gegeben.

Sonnenbergschüler im Schullandheim auf Sylt.
Sonnenbergschüler im Schullandheim auf Sylt. | Bild: Sonnenbergschule

Der ehemalige Hausmeister Leopold Gomm sei selbstverständlich mit den Kindern zum Schwimmen gegangen und habe auch den Schulbus gesteuert, heute sei das undenkbar. Martin Notheis, der jetzt den Hausmeisterdienst versieht, ist vor allem mit der mittlerweile deutlich aufwendigeren Haustechnik, den Reinigungsarbeiten sowie Reparaturen betraut.

Anforderungen an Förderung und Betreuung sind gestiegen

Erst Anfang der 80er-Jahre kam der erste Zivildienstleistende in die Einrichtung. „Die Klientel war noch eine ganz andere“, meint Smaglinski im Hinblick auf das vormals kleine Betreuungsteam. Die Kinder, die heute die Einrichtung in Buggensegel besuchen, bräuchten viel mehr intensive Förderung und Betreuung. Die Anforderungen seien gestiegen. Die neue Schulrektorin ergänzt, der Gedanke an fachorientierten Unterricht sei mit der Zeit hinzugekommen. „Den Eltern ist es wichtig, dass ihre Kinder Lesen und Schreiben lernen“, betont sie.

Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren ist seit 1991 fester Bestandteil des Unterrichts für Schul- und Kindergartenkinder. Abdel, ...
Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren ist seit 1991 fester Bestandteil des Unterrichts für Schul- und Kindergartenkinder. Abdel, Samet und Kim haben viel Spaß mit den Pferden. | Bild: Sonnenbergschule

Auch das Arbeitsleben werde jetzt mit gedacht. Alles, was an der heutigen Sonnenbergschule unterrichtet wird, hat laut Uhl mit den unmittelbaren Lebensfeldern der Kinder zu tun. Fächer wie Geografie, Physik oder Mathematik würden mit eingeflochten. Arbeitsmaterialien seien den unterschiedlichen Begabungsniveaus der einzelnen Kinder angepasst. „Für Kinder, die die Sprache nicht gut verstehen, nutzen wir Gebärdensprache und Symbolbilder“, erläutert die Rektorin.

Das könnte Sie auch interessieren

Schuljahr ist geprägt vom Jahreskreis mit seinen Festen

Gleich geblieben ist der Morgenkreis, in dem besprochen wird, was am Tag ansteht. Beispielsweise für autistische Schüler sei die Sicherheit eines strukturierten Tagesablaufs sehr wichtig. Ebenfalls wie schon in den Anfangsjahren werden Themenbereiche nach dem Epochenunterrichsprinzip über längere Zeit und aus verschiedenen Perspektiven behandelt. Als Beispiel nennt die Rektorin den Martinstag. Von der Legende über das Laternenbasteln bis hin zum festlichen Umzug mit der Dorfgemeinschaft werde das Thema beleuchtet. Das Schuljahr sei geprägt vom Jahreskreis und den entsprechenden Festen.

Das könnte Sie auch interessieren

Schulsekretärin Gabriele Hagen betont die sehr gute Verankerung der Schule im Dorf- und Vereinsleben. Überhaupt sei die Wertschätzung für ihre Schüler in der Gesellschaft bis heute gewachsen, ist sich die Gesprächsrunde um Uhl einig.

Geschichte und Zahlen

  • Am 19. Mai 1971 beschloss der damalige Landkreis Überlingen, eine „Sonderschule für Bildungsschwache“ einzurichten. Als Standort wurde die ehemalige Dorfschule wegen der „teils zentralen Lage und der leer stehenden Gebäude“ auserkoren. Nach notwendigen Umbauten ging der Schulbetrieb am 21. Februar 1972 mit 15 Schülern und drei Lehrkräften an den Start. Ein Jahr später gab es drei Schülergruppen (Unter-, Mittel-, und Oberstufe) sowie eine zusätzliche Betreuungskraft, die für die Verpflegung in der Ganztagsschule sorgte. Dreieinhalb Jahre später wurden ein Sonderschulkindergarten und eine Frühberatungsstelle eingerichtet.
  • Der Schulträger ist das Landratsamt Bodenseekreis. Am Standort Buggensegel befinden sich heute drei unabhängige Institutionen, die sowohl den vorschulischen als auch den schulischen Bereich voll abdecken. Die Frühförder- und Beratungsstelle ist ein kostenloses Angebot für Kinder in den ersten Lebensmonaten bis zum Schuleintritt, für Kinder mit Auffälligkeiten, Entwicklungsverzögerungen und geistiger Behinderung. Es wird einzeln und in Gruppen gearbeitet. Elterngesprächskreise und Informationsabende gehören zum Angebot. Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren ist seit 1991 fester Bestandteil des Unterrichts für Schul- und Kindergartenkinder. Seit einigen Jahren gehört auch Bogenschießen dazu.
  • In dem von Inken Kraft geführten ganztägigen Schulkindergarten werden derzeit acht Kinder mit Entwicklungsverzögerung und/oder geistiger Behinderung in einer Gruppe betreut und gefördert.
  • In der Sonnenbergschule oder den inklusiven Bildungsangeboten absolvieren die Schüler im Regelfall neun Schulbesuchsjahre. Für den Besuch der Berufsschule wechseln die jungen Menschen an die Friedrichshafener Tannenhag-Schule. Heute besuchen 23 Schüler die Stammschule der Sonnenbergschule. 17 Kinder und Jugendliche werden in inklusiven Bildungsangeboten in Salems Gemeinschaftsschule und der Fritz-Baur-Grundschule unterrichtet.
  • Zu dem aktuellen Lehr- und Betreuungsteam aller drei Einrichtungssäulen gehören neben Fachlehrern, Sonderpädagogen und Erziehern auch Lerntherapeuten, Logopäden und Physiotherapeuten sowie Sekretärin, Hausmeister, Küchenmitarbeiter und Bundesfreiwilligendienstleistende.