„Hallo, können Sie mich hören?“ Der zwölfjährige Ahmed Skare kniet neben der ohnmächtigen Person und überprüft ihre Vitalfunktionen. „Hol den Defibrillator!“, weist er seinen Klassenkameraden Feroz Ahadi an. Während dieser in den Schulsanitätsraum eilt, setzt Ahmed einen Notruf ab und meldet einen bewusstlosen Jungen im Schulflur. Was nach einer Schreckensmeldung klingt, ist für die beiden Sechstklässler Routine: Die auf dem Boden liegende Person ist eine Puppe, der die beiden Jungen gekonnt die Elektroden auf die Brust kleben, als sie von der Sprachsteuerung des Laien-Defibrillators dazu aufgefordert werden.

Schüler üben Umgang mit Defibrillator
Am Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) in Stefansfeld steht neben Mathematik und Deutsch auch Erste Hilfe auf dem Lehrplan. „Es geht um persönlichkeitsstärkende Maßnahmen – und das ist ein Weg dazu“, erklärt Schulleiter Gerd Magino. Eine Ersthelfer-AG gebe es an der Schule schon lange, doch der Automatisierte Externe Defibrillator (kurz AED) sei relativ neu. Dieses Gerät ist speziell für nicht ausgebildete Ersthelfer konzipiert, die damit bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand auch ohne medizinische Vorkenntnisse Leben retten können.
Im Eingangsbereich der öffentlich zugänglichen und sehr frequentierten Turnhalle der Schule hängt seit zwei Jahren solch ein Laien-Defibrillator. „Dann kam bei der Einweisung die Frage auf, ob wir Interesse haben, an einem Projekt teilzunehmen“, erinnert sich der Rektor.

Björn-Steiger-Stiftung unterstützt Schülerprojekt
Die Björn-Steiger-Stiftung, die sich für die Verbesserung der Notfallhilfe und die Massenverbreitung von Laien-Defibrillatoren einsetzt, schickte einen Kardiologen, der das halbe Lehrerkollegium im Umgang mit dem AED schulte. „Diese Hälfte hat in einer internen Fortbildung die andere Hälfte geschult“, erzählt Magino. Im Zuge dessen habe die Schule das zweite Defi-Gerät, das nun im Sanitätsraum hängt, sowie ein Dutzend Übungspuppen geschenkt bekommen. „Es ist auf jeden Fall etwas Besonderes, dass wir solch ein Projekt durchführen können“, freut sich der Schulleiter.
Regelmäßiges Training nimmt Hemmungen
Der Defibrillator analysiert gerade den Herzrhythmus des Patienten und empfiehlt daraufhin einen Elektroschock. Schon ist Ahmeds Zeigefinger auf der Taste und kurz darauf beginnt Feroz mit der Herz-Lungen-Wiederbelebung, ohne abzuwarten, bis das Gerät ihn darin anleitet. Claudia Irtenkauf schaut ihren Schülern stolz zu: „Ich hätte keine Bedenken, mich den beiden anzuvertrauen“, sagt die Lehrerin, die die Ersthelfer-AG betreut. Anfangs sei eine gewisse Skepsis gegenüber dem Gerät normal, doch je öfter man übe, desto mehr schwinde die Angst.

Sechs Kinder sind als Schulsanitäter im Einsatz
Dass die Schüler den Umgang mit dem AED sowie die Herzdruckmassage regelmäßig üben, merkt man der Vorführung an. „Die Schülerinnen und Schüler der Hauptstufe sollen wissen, was sie machen müssen, wenn so ein Fall eintritt“, unterstreicht die Lehrerin. Sechs Kinder stünden als Schulsanitäter auf dem Dienstplan, aber es seien noch viel mehr geschult.
Die Einteilung der Dienste gestalte sich aktuell schwierig, da die Lerngruppen pandemiebedingt getrennt bleiben müssen, doch die elfjährige Lillith Radtke habe diese Aufgabe erfolgreich gemeistert, lobt Irtenkauf. Die Klassenkameradin der beiden Jungen hätte ebenfalls gern ihr Können gezeigt, doch beim Pressetermin konnte sie nicht dabei sein, bedauert ihre Lehrerin.
Soziales Lernen steht im Vordergrund
Bei einem Notfall musste das Gerät bislang zum Glück noch nicht zum Einsatz kommen, ist Irtenkauf erleichtert. Dafür sind die Ersthelfer in der Schule immer wieder bei weniger schlimmen Vorfällen gefragt: „Hier versorgen wir Kinder, die sich verletzt haben oder Bauchweh haben“, sagt Ahmed, als er den Sanitätsraum präsentiert. Neben Kühlpads, Pflastern und einem Eimer stehen auch Bücher zur Ablenkung zur Verfügung.
„Manchmal geht es auch darum, dass sich jemand kümmert und tröstet“, ergänzt Claudia Irtenkauf. Sie schätzt es, dass ihre Schüler voneinander und miteinander lernen und viel Interesse und Hilfsbereitschaft zeigen. „Jeder kann helfen“, stellt die Lehrerin klar. „Es kann nur was passieren, wenn man nichts tut.“