Nach 500 Jahren ist Schluss mit der Hofapotheke im Schloss Salem. Nur vier Wochen nach der Übernahme stellte der neue Mieter, die Apotheke Dr. Braun aus Stockach, den Betrieb ein. Personalmangel macht Wolfgang Braun für die jetzige Situation verantwortlich. Brauns Vorgänger Rudolf Schulte hatte die Markgräflich badische Hofapotheke im Schloss Salem seit über 23 Jahren geführt, nun ging der 73-jährige Apotheker in den Ruhestand.

Schulte hatte seine beiden Betriebe, die Schlosssee-Apotheke in Salem gehört auch dazu, aus Altersgründen an Wolfgang Braun übergeben, der jetzt jedoch nur die Schlosssee-Apotheke in Salems „Neuer Mitte“ weiterführt. Der Virologe Wolfgang Braun entstammt einer alten Apothekerfamilie, bereits sein Urgroßvater war in den 1860er-Jahren Apotheker in Stockach, seit dieser Zeit befindet sich die Apotheke in Stockach ununterbrochen im Familienbesitz.

Viel Staub weit über den Schlossbezirk hinaus hat das abrupte Aus der um das Jahr 1500 als Klosterapotheke gegründeten Institution bei der Bevölkerung aufgewirbelt. Die Schlossverwalterin Birgit Rückert gibt ihrem Bedauern darüber Ausdruck, „das nun eine 500-jährige historische Tradition unterbrochen worden ist“.
„Auf Wiedersehen!“ heißt es in einer Anzeige von Wolfgang Braun. Darin erklärt der neue Apotheker seine Verpflichtung, die Apotheken seines Vorgängers weiterzuführen, leider zwinge der akute Personalmangel ihn jedoch jetzt dazu, die Apotheke im Salemer Schloss bis auf Weiteres geschlossen zu halten. Es wird aber vermutlich kein Wiedersehen in der Hofapotheke geben, dies bestätigte Wolfgang Braun gegenüber dem SÜDKURIER.

Zum dritten Mal in Folge hat die Bundesagentur für Arbeit den Apothekerberuf als Engpass definiert, offene Stellen bleiben demnach in der Regel 40 Prozent länger unbesetzt als in anderen Fachberufen, schreibt die Deutsche-Apotheker-Zeitung im Januar 2018. Apotheker Wolfgang Braun betreibt seit 1995 seine Hauptapotheke in Stockach, zusätzlich hat er seit 2014 auch eine Filiale in Uhldingen-Mühlhofen, die zwei Apotheken in Salem kamen jetzt nach über einjähriger Verhandlung dazu.
Alt-Apotheker Rudolf Schulte bedauert Situation
Die Apothekerin, die in der Markgräflich badischen Hofapotheke zusätzlich zu Rudolf Schulte stundenweise beschäftigt war, möchte unter den veränderten Umständen nicht weitermachen, sagt Schulte dazu. Eine seiner anderen beiden ehemaligen Mitarbeiterinnen sei rentenberechtigt, eine weitere wäre in der Apotheke am Schlosssee untergekommen, erzählt er, und macht aus seiner Enttäuschung über die Schließung der Hofapotheke kein Hehl. „Ich war wohl zu gutgläubig und zu blauäugig“, bedauert Schulte. Das schnelle Aus wäre so nicht vereinbart gewesen.
Sein Nachfolger Wolfgang Braun gibt ihm da Recht, er habe einen Testlauf bis zum 31. Dezember 2020 durchführen wollen, um damit die Wirtschaftlichkeit der Apotheke im Schloss zu prüfen. Dem Vorwurf, sein Augenmerk nur auf das Hauptziel, der Apotheke in der „Neuen Salemer Mitte“ gerichtet zu haben, und zu spekulieren, um zu akkumulieren, widerspricht Braun. Der Apotheker nennt die Gesetzesentscheidung aus der Schröder-Regierung von 2004, ein Apotheker kann seitdem im sogenannten „Eins-Plus-Drei-Modell“ bis zu vier Betriebe führen, als „völlig absurd“.

Bedingung dazu ist allerdings die Anwesenheitspflicht eines approbierten Apothekers in jeder Filiale. Apotheker Wolfgang Braun ist hauptsächlich in seiner Hauptapotheke in Stockach tätig. Gerade der Mangel an Fachkräften führe nun zu diesem Engpass, und zu seinem Schritt, die Hofapotheke durch die Landesapothekenkammer von der Dienstbereitschaft befreien zu lassen. „Ich bin mit der jetzigen Situation wirklich unglücklich, sie setzt uns enorm unter Druck, das ist ein schwerer Start in Salem„, kommentiert Braun.
Schulte: „Was heute zählt sind doch nur Zahlen“
Alt-Apotheker Schulte spricht von seinen Anfängen in Salem, da hätte er noch die Arznei in die Dörfer selbst ausgefahren, und auch einmal schnell beim Versagen eines Blutdruckmessgerätes vor Ort geholfen. Diese Zeiten wären wohl vorbei, das wäre der Wandel der Welt nicht nur bei Apotheken, attestiert Schulte. „Natürlich haben wir auch alle Betriebszahlen vorgelegt, und was heute zählt sind doch nur Zahlen“.
Diskretionsabstand lässt sich in altem Gebäude nicht realisieren
„Ja“, sagt Braun, „das ist nicht ganz falsch, denn wir müssen rentabel sein, ohne das geht es doch gar nicht mehr“. Sein kaufmännischer Geschäftsführer Andreas Maien erklärt, dass eine Apotheke über den Daumen gepeilt dann profitabel ist, wenn sie rund 10 000 Menschen im Einzugsgebiet hat. Investitionen von über 30 000 Euro wären allein für eine moderne Computeranlage in den historischen Räumen notwendig, auch könne man einen Diskretionsabstand, wie vielfach vom Kunden gewünscht, in der 500 Jahre alten Apotheke gar nicht herstellen beziehungsweise einhalten, erklärt er.

„Ich mag die Art, wie Herr Schulte die Apotheke gemacht hat, aber es gilt auch hier die normative Kraft des Faktischen. Wir haben theoretisch noch eine Möglichkeit bis Ende Dezember dieses Jahres, denn die Apotheke ist bis dahin zwar geschlossen, aber noch aktiv.“ Braun nannte diese Chance, in den nächsten Wochen noch einen Apotheker zu finden, jedoch bei höchstens 20 Prozent.
Geschockt vom plötzlichen Aus der Apotheke zeigten sich die Bewohner und Mitarbeiter im Schlossbezirk und ehemalige Kunden. Die Schlossverwalterin Birgit Rückert und Christian Schmid, Leiter des Gebäudemanagements der Kloster- und Schlossanlage Salem, bedauern, dass mit diesem Schritt der Schließung der Apotheke der Schlossbezirk an Lebendigkeit verliere. Schmid sagte außerdem, er sei weiterhin in Gesprächen mit Andreas Maien. Die Einbauten, wie der historische Apothekerschrank seien festes Inventar, die von einem möglichen Nachfolger Brauns wieder übernommen würden könnten.