Hildegard Distel aus Villingen ist verärgert. Der Grund: Am Fastnacht-Sonntag plagten die 77-Jährige heftige Schmerzen. Sie hatte eine Niere in Verdacht und ließ sich kurzerhand von ihrem Lebensgefährten Kuno Vosseler (84) in die Notaufnahme im Schwarzwald-Baar Klinikum fahren. Dort angekommen, wurde sie gegen 13 Uhr umgehend untersucht. Diagnose: Die starken Schmerzen wurden vom Hüftgelenk verursacht. Dass die Schmerzen nicht von einer Niere kamen, darüber ist Distel froh. Auch wie schnell alles ging in der Notaufnahme, überrascht sie positiv: "Da war nämlich richtig viel los." Mit einem Rezept für ein Schmerzmittel verließ sie eine Stunde später das Klinikum.

Dann kam der Dämpfer. In ganzen Stadtgebiet von Villingen-Schwenningen hatte an diesem Tag keine Apotheke Notdienst. "Nicht die beiden in unmittelbarer Nachbarschaft zum Klinikum, und auch nicht die 24 anderen, die in den Gelben Seiten aufgelistet sind", erinnert sich Distel. "Das ist unzumutbar! Es kann doch nicht wahr sein, dass man als kranker, älterer Mensch zehn Kilometer fahren muss, um sein Medikament zu bekommen."

So weit liegt die Eschach-Apotheke in Niedereschach entfernt, die an diesem Tag zum Notdienst eingeteilt war. Alternativ stand die Salinen-Apotheke in Bad Dürrheim zur Auswahl, die von ihrer Wohnung in der Wöschhalde aus jedoch noch umständlicher zu erreichen sei. Gefahren wurde sie schließlich von ihrem Lebensgefährten, der solch lange Strecken aber eigentlich nicht mehr fahren möchte. Ihre Tochter aus Trossingen wäre zur Not auch noch eingesprungen. "Sonst hätte ich den Notruf wählen müssen", sagt Distel im Gespräch mit dem SÜDKURIER.

"Das ist nicht sehr glücklich gelaufen", gibt Walther Rohlfes von der Alleen-Apotheke in Schwenningen zu. Es sei an diesem Tag aufgrund eines krankheitsbedingten Ausfalls zu einem Tausch gekommen. "Normalerweise ist im Kernbereich, also in Villingen, oder in Schwenningen, immer mindestens eine Apotheke verfügbar", so Rohlfes, der seit rund vier Jahren als ortskundiger Vertreter die Notdienstpläne für die in Stuttgart sitzende Landesapothekerkammer plant und koordiniert. Das gilt im Allgemeinen an sieben Tagen die Woche, rund um die Uhr. Rohlfes ist zuständig für die Apotheken in der Region Villingen-Schwenningen, Bad Dürrheim, Tuningen, Trossingen, Donaueschingen, Hüfingen bis Blumberg.

Ein großes Gebiet, in dem es immer weniger Apotheken gibt. Weniger Apotheken bedeuten mehr Notdienste für die Verbliebenen. "Die Belastung ist höher geworden", so Rohlfes.

Die wirtschaftliche Lage habe sich verschärft und bürokratischen Anforderungen seien gestiegen, verdeutlicht Apothekenkammer-Sprecher Stefan Mobius die Situation. Die Konkurrenz aus dem Internet macht den Apothekern vor Ort das Leben mit Billigpreisen schwer. Diese versuchen, mit dem Betrieb von zusätzlichen Filialen Kosten und Einkaufspreise im Zaume zu halten und der Onlinekonkurrenz mit persönlicher Beratung die Stirn zu bieten. Anders als die Versandapotheken sind sie aber zu Notdiensten verpflichtet. Die werden mit rund 260 Euro für einen 24-Stunden-Dienst honoriert. Kein lohnender Betrag laut Rohlfes, der nach Abzug von Personal- und Betriebskosten und angesichts der Arbeitszeiten bei Notdiensten von "nahezu Mindestlohnniveau" spricht.

Ein weiteres Problem für die gestiegene Arbeitsbelastung der Apotheker in Villingen-Schwenningen sieht Rohlfes in der zentralen Notfallpraxis neben dem Klinikum, welche 2013 ihren Betrieb aufnahm. Sie versorgt am Wochenende Patienten aus der ganzen Region. "Das Einzugsgebiet habe sich damit enorm vergrößert", erklärt er. "Das sind arbeitsreiche Tage", weiß er aus eigener Erfahrung.

Auch das Schwarzwald-Baar-Klinikum kann diese Situation nicht entschärfen. Kliniksprecherin Sandra Adams erklärt es so: "Wir als Klinikum dürfen keine Medikamente auf Rezept ausgeben. Es ist gesetzlich geregelt, dass Rezepte nur in öffentlichen Apotheken eingelöst werden können."

Und Hildegard Distel? Sie hat Verständnis für die Probleme der Apotheker und versteht die bürokratischen Hürden im Medikamentenhandel versteht, aber wünscht sich für sich und andere Patienten eine bessere Lösung.

Apothekenschließungen

Zahlreiche Betreiber haben in den vergangenen Jahren ihre Apotheken für immer geschlossen. Allein im Schwarzwald-Baar-Kreis verzeichnet die Kammer elf Apotheken weniger als noch vor zehn Jahren. Das widerspiegele den Trend in ganz Baden-Württemberg, sagt der Apothekenkammer-Sprecher Stefan Mobius. Im gleichen Zeitraum seien landesweit rund 200 Apotheken am Markt verschwunden. Jüngstes Beispiel ist die traditionsreiche Stadtapotheke in Villingen, die Ende Januar aufgrund einer kräftigen Mieterhöhung ihre Pforten schließen musste und keinen Nachfolger fand.