Wodurch nur hat Jos Dachs den tödlichen Zorn dieser Salemer Laienmönche erregt, die ihn um 1463 von untertänigen Bauern per Boot aus Überlingen entführen und in Nußdorf aufhängen lassen? Das würde Birgit Rückert, Leiterin der Schlossverwaltung Salem, die auch Autorin historischer Klosterkrimis ist, gerne wissen. „Also, wenn Sie was rausfinden, was er angestellt hat, sagen Sie‘s mir“, bat sie denn auch die 20 SÜDKURIER-Abonnenten, die exklusiv an ihrer Sonderführung „Kriminalfälle aus dem Kloster“ teilnehmen durften. Sie waren die glücklichen Gewinner der Karten für diese besondere Aktion aus der Reihe „Der SÜDKURIER öffnet Türen“.
Bei einem Sektempfang im Schlossgarten, wo die Schlossverwalterin und SÜDKURIER-Redakteurin Jenna Santini die Gäste begrüßten, stimmte Rückert sie auf den spannenden Rundgang ein, bei dem Sophie zu Löwenstein und Susanne Gerhardt sie unterstützten. Die Tour führte vom Novizengarten in den Betsaal, einst Speiseraum der Mönche, über den Kreuzgang ins Münster bis in die alte Schmiede und das ehemalige Gefängnis. Anschließend saß man im Gasthaus Schwanen noch gemütlich beisammen, genoss das Getränk, das der SÜDKURIER spendierte, und rekapitulierte eifrig das Gehörte und Gesehene. So war Sascha Fischer aus Owingen baff, „dass solche Kriminalfälle in Klöstern und Kirchen möglich waren“.

Gewalt war im Mittelalter überall präsent
Tatsächlich, so machte Rückert eingangs klar, „war Gewalt in der mittelalterlichen Gesellschaft überall präsent und die Eskalationsschwelle niedrig, wie die vielen Quellenbelege über Abtmorde und waffentragende Mönche zeigen“. Anlässe zu Konflikten zwischen Zisterzienserklöstern, zu denen auch Salem zählte, und benachbarten Bauern lieferten oft Streitigkeiten um Weiderechte und Holzeinschlag. Bei der Aufarbeitung von Totschlag sei es aber, anders als heute, weniger darum gegangen, den Täter zu ermitteln, als darum, die Folgen der Tat durch eine Sühne beizulegen. Tötungsdelikte an Ordensangehörigen zogen jedoch härtere Strafen nach sich als jene an Außenstehenden und wurden in Cîteaux, der Zentrale des Zisterzienserordens, ganz schlimme Fälle sogar beim Papst verhandelt.

Im Betsaal verwies Rückert auf den berühmten Barockofen, dessen Kacheln das Leben von Mönchen und Konversen (Laienmönchen) illustrieren. Die Konflikte zwischen ihnen nahmen gegen Ende des Mittelalters in vielen Klöstern zu, wie auch der Fall Jos Dachs zeige. Die Bauern, die sich hier darauf beriefen, nur Befehle ausgeführt zu haben, wurden freigesprochen.

Doch auch sonst gab es Ärger mit Konversen und Mönchen, die teils, etwa 1467, sogar aus dem Kloster flüchteten. Daraufhin erlaubte Papst Paul II. den Salemer Äbten, getürmte Ordensangehörige auch „an exemten Orten“ wieder einzufangen. In der Küche, die direkt hinter dem Ofen lag, wurde laut der Totenliste des Abtsekretärs Jodokus Ower 1496 der Konverse Peter Wagner getötet. Ob vorsätzlich, wisse man nicht, so Rückert.
Doch im Refektorium ist auf einem Bild auch eine eindeutige und spektakuläre Bluttat dargestellt: Die Ermordung von Thomas Becket, Erzbischof von Canterbury, 1170 am Altar. „Die Mörder verteilen das Gehirn des späteren Heiligen auf dem Fußboden, um sicher zu gehen, dass er tot ist.“

Die Brutalitäten des Dreißigjährigen Krieges machten vor Kirchen und Klöstern ebenfalls nicht halt. Im Salemer Kreuzgang ist auf dem Porträt des Abtes Thomas Wunn (bis 1647) dargestellt, wie ein schwedischer Soldat von einer Leiter stürzt, die an einer Mariensäule lehnt. Frivol hatte er vor der Muttergottes sein Schwert gezogen und sie zum Kampf aufgefordert. Doch Maria schlug zurück, zumindest behauptete das, laut Salemer Chronist, der Soldat, bevor er den Geist aufgab. Maria habe auch zweimal, 1632 und 1634, verhindert, dass die Kirche geplündert worden sei.

Doch das stimme nicht. So hätten schwedische Soldaten die Grablegen im Münster auf der Suche nach Schätzen zerstört, berichtete Rückert an Ort und Stelle und zeigte anhand alter Pläne, wo einst hochrangige Personen bestattet wurden. Dazu zählten neben Äbten auch Laien wie die Grafen von Bodman und der Überlinger Stardoktor Andreas Reichlin von Meldegg.

Selbst einen sonst verschlossenen Gang im Münster zeigte Rückert. Wahrscheinlich ließ ihn Anselm II. im 18. Jahrhundert anlegen, damit man die Chororgel bespielen konnte. Die gesamte Klosteranlage sei von Kanälen durchzogen, sodass sich allerlei Geschichten um Geheimgänge darum rankten. Die Schüler der Schlossschule versuchten jedes Jahr aufs Neue, sie zu finden, sagte Rückert amüsiert. Dazu passte die Geistergeschichte um den Scharfrichter von Baufnang, die sie draußen am Brunnen erzählte.

Mit einer richtigen Räuberpistole wartete Sophie zu Löwenstein in der alten Schmiede und dem benachbarten ehemaligen Gefängnis auf: die der einst hier einsitzenden Räuberhauptfrau „Alte Lisel“, die vier Männer an den Scharfrichter verlor, bevor sie 1732 selbst hingerichtet wurde.

Beim Umtrunk im „Schwanen“ erzählte Rückert noch die Sage vom Salemer Mönch, der im 15. Jahrhundert angeblich in einem Weinfass ertrank und, da vom Kellermeister heimlich in ungeweihter Erde verscharrt, immer noch in den Klostergängen umhergehe. Die SÜDKURIER-Leser, die auf ihrer Exklusivtour dort umgingen, waren von all diesen Geschichten schwer beeindruckt, sogar Einheimische, wie Fritz Vogler aus Salem-Mimmenhausen, der trocken meinte: „Aktenzeichen XY… ungelöst hätte man damals schon einführen müssen.“