Wer mit offenen Augen und Ohren durch Kloster und Schloss Salem wandelt, kann den Weg des Wassers mitverfolgen. Denn die Aach fließt an verschiedenen Stellen über das Gelände und vielerorts gibt es Relikte der alten Wasserversorgung. Aber nicht nur das: Auch in Gebäuden ist das Rauschen des Wassers zu hören. Hier vor allem in alten Wasserleitungen, die noch auf die Mönche des Zisterzienserordens zurückgehen.

Birgit Rückert, Verwalterin von Schloss Salem, Archäologin und Autorin, sagt: „Die Zisterzienser haben grundsätzlich dort gebaut, wo Wasser ist.“ Unter dem Kloster fänden sich archäologische Schätze, so Rückert. Gemeint sind Brunnen und Wasser- beziehungsweise Abwasserleitungen. Bis vor sieben Jahren seien diese noch genutzt worden. Über die Leitungen bewässert wird nach wie vor der Schlossgarten.
Wasser als Energieträger und Voraussetzung für Ernährung
Das Wasser diente den Zisterziensern als Energieträger und Voraussetzung für ihre Ernährung. So wurden beispielsweise Fischteiche mit dem Wasser aus der Aach gespeist. Die Salemer Äbte waren nach Angaben von Birgit Rückert besonders innovativ, was unter anderem die Wassersysteme betraf.

Ulrich Knapp, Kunsthistoriker mit einem speziellen Interesse für Klöster, hat die Leitungssysteme im Auftrag der Staatlichen Schlösser und Gärten erforscht. Geplant war eine dünne Broschüre zu Salem, entstanden ist das Buch „Die Zisterzienser und das Wasser – Unter besonderer Berücksichtigung der Abteien Bebenhausen, Maulbronn und Salem„.
Es handelt sich um die erste umfassendere Veröffentlichung zu den Wassersystemen. Zuvor gab es so eine Betrachtung noch nicht, weil man sich eher für die Kunst und Architektur interessiert habe, weniger für die Infrastruktur, sagt Schlossverwalterin Birgit Rückert. Ihr zufolge wurde die Infrastruktur nur mit erforscht. In Salem gab es zum Beispiel keine systematischen Grabungen. „Was hier alles drinsteht, ist das am besten erhaltene Archiv“, berichtet Rückert schmunzelnd.
Wassersysteme zeigen, wie Klöster funktioniert haben
Autor Ulrich Knapp stellte viele Nachforschungen in den Kloster-Archiven an. Diese befinden sich in Karlsruhe und Stuttgart. Hinzu kamen Besuche in Salem, Bebenhausen und Maulbronn. Bebenhausen und Maulbronn dienten ihm als Vergleichsobjekte für Salem. Für Birgit Rückert geben die Wassersysteme wichtige Auskunft darüber, wie die Klöster funktioniert haben – auch für die Wissenschaft.
Knapp: „Abfall und Krankheitskeime aus Kloster kriegen“
So sind die unter- und oberirdischen Infrastrukturen damals in Salem an zahlreichen Stellen deckungsgleich. An den neuralgischen Punkten fanden sich einerseits Wasserquellen, andererseits Abwassersysteme mit Latrinen. Das habe auch einen gesundheitlichen Aspekt gehabt. „Man musste Abfall und Krankheitskeime aus dem Kloster kriegen“, erklärt Historiker Knapp bei einem Rundgang.

Insgesamt wurde versucht, die vorhandenen Wasserläufe optimal auszunutzen. Dabei wurden auch Wasserläufe verlegt, Wasserbecken angelegt und viele weitere Maßnahmen ergriffen. „Es ist schon gestaltete Natur, was die Zisterzienser machten“, sagt Birgit Rückert. „Wenn das Gründungskonvent kam, musste das Kloster bezugsfertig sein“, fügt Ulrich Knapp hinzu.

Es war klar geregelt, wer das Wasser wie nutzen darf. Knapp findet, dass man aus der Wassernutzung der Zisterzienser lernen kann, etwas bedachter mit den Ressourcen umzugehen. „Brauchbares Wasser ist nicht unendlich da“, appelliert er.

Die Leitungssysteme bestanden damals aus Naturmaterialen: Holz, Erde, Lehm, Steinen. „Sie mussten ständig neu aufgebaut werden“, erklärt Knapp, der die Arbeitsweise mit einem Fachwerkhaus vergleicht. Der Brunnenmeister sei beispielsweise ausgebildeter Zimmermann gewesen.
Alte Wasserleitungen im Klostermuseum zu sehen
Einige der Konstruktionen gehören – neben anderen Leitungen – zur Ausstellung im Klostermuseum. Sie zeigen die Entwicklung über die Jahrhunderte. „Es waren viele kleine Eingriffe in die Natur, die im Endeffekt verträglich waren“, sagt Kunsthistoriker Knapp.


Von Quellen wird immer noch Wasser in Kloster und Schloss Salem geleitet. Die Wasserleitungsstollen befinden sich unter der Anlage, sind entlang einer Wasserader bergmännisch in den Stollen getrieben. „Die Wasserleitungssysteme müssen regelmäßig überprüft werden“, berichtet Birgit Rückert – wegen der Keimentwicklung und einer möglichen Unterspülung. „Wenn die Stollen unterspült werden, müsste man eingreifen“, sagt Rückert.

Von den Stollen gehen die weiteren Leitungen ab, in Brunnenstuben drückte das Grundwasser hoch. „Wir stoßen bei Bauarbeiten häufig auf Kanäle. Diese werden dokumentiert. Im Bauamt haben wir einen modernen Plan, in den die alten Wasserleitungen nach und nach eingetragen werden“, erklärt Rückert.
Infrastruktur wird im 19. Jahrhundert umgebaut
Im 19. Jahrhundert wurde die Infrastruktur laut Ulrich Knapp umgebaut, im Kern sei sie aber mittelalterlich. Die Zisterzienser versuchten, überall Wasser hinzubringen – auch damit das System durchgespült wird. Ein Schwemmweiher, der abgelassen werden konnte, diente ebenfalls diesem Zweck. Bei den Stollen kam es oft vor, dass sie händisch gereinigt wurden. „Dass sie jemanden runtergeschickt haben, war gang und gäbe“, sagt Knapp. Der Schlamm wurde auch als Dünger genutzt.

Der Eindruck, dass den Zisterziensern hinsichtlich ihrer Wassersysteme alles gelang, bestätigt sich aber nicht. Wer was gearbeitet hat und dafür bezahlt wurde, lässt sich nach Angaben von Birgit Rückert über Jahrhunderte nachvollziehen.
Fehlplanungen sagen auch etwas über Baukunst aus
Das Spannende daran: In den Archiven finden sich gerade die Fehlplanungen. „Die Planungen, die ausgeführt wurden, fehlen. Die Fehlplanungen haben wir“, erklärt sie. Das liegt daran, dass Pläne verschickt wurden und ihre Spur sich dann beispielsweise auf Baustellen verlor.

Dennoch sind alleine in Karlsruhe 9500 Urkunden archiviert und es gibt 3000 Bände an Rechnungen. Vieles ist historisch noch nicht bearbeitet. Ulrich Knapp hat sich durch unzählige Dokumente gearbeitet. Wie viele Arbeitsstunden insgesamt in der Veröffentlichung „Die Zisterzienser und das Wasser“ stecken, kann er nicht beziffern. Die Neugierde hat ihn vorangetrieben.
Beim Rundgang über das Gelände von Kloster und Schloss – noch vor dem erneuten Lockdown – erkennen Mitarbeiter und Besucher den Historiker. Bekannt ist er ihnen von seiner Forschung und Führungen – etwa im Themenjahr „Gärten“ vor ein paar Jahren. Das soll auch das Ziel für die Zukunft sein. Birgit Rückert kann sich nach der Corona-Krise regelmäßige Führungen zum Thema Wasser vorstellen.