Die Abendstimmung war elektrisierend. Acht Gastronomen luden zur ersten Sommerversion von „Zell on Stage“ ein. Die Menschen tanzten auf den Straßen, am See und in den Hinterzimmern. In den Lokalen oder im Freien sang das Publikum zu Liedern der Live-Bands. Manche Gäste nahmen sogar eine lange Anreise aus dem Schwarzwald in Kauf, um eigens in Radolfzell zu feiern.
Fast ausnahmslos sah man fröhliche Gesichter. Bis plötzlich in den Gassen der Kernstadt nach nur zwei Stunden Konzert die musikalische Sperrstunde ausgerufen werden musste – sehr zum Ärger der betroffenen Wirte und deren Gäste. Lokale, die in den Innenräumen der Kernstadt die Bühne aufbauten, durften dort bis Mitternacht ihre Bands weiter auftreten lassen.
Viel los am Radolfzeller Seeufer
Der Andrang an der Seepromenade war riesig. Wer die langen Distanzen von der Seebar bis zur Tanke am See zügig überwinden wollte, kam mit dem Fahrrad. Dutzende Fahrräder standen vor den drei Lokalen am See oder sie waren im Konvoi zu den Auftritten an der Promenade unterwegs. Der Wirt der „Tanke – Haus am See“ musste das Lokal zeitweise mit Ketten absperren um den Service mit Getränken gewährleisten zu können.
Chrissy Auer empfand die Zell on Stage Veranstaltung super gelungen. Letztlich stoppte sie in der „Tanke“ ihren musikalischen Rundgang. Dort sei für sie die beste Veranstaltung gewesen. Tolga Lempp startete an der Seebar. Das Schönste sei dort gewesen, dass er den Vollmondaufgang erleben durfte: „Das war ein Traum“.

In der Tanke wurde er von der Stimme der Sängerin Elysa Kay der Band „Two Souls“ in den Bann gezogen: Da stecke so viel Kraft, so viel Energie und Schwung dahinter, sagte Lempp: „Es ist einfach zauberhaft.“ Eduard und Barbara Konzept steckten eine Woche vor dem Zell on Stage im Matsch des Wacken-Open-Air-Festivals fest. Ehe das Paar in ihren Mittsechzigern zum heimischen Event startete, gingen sie noch „fein dinieren“. Beide lieben die irische Folkmusik und beide waren von der Veranstaltung begeistert.
Gäste und Wirte loben die Veranstaltung
Daniela Brunner aus Böhringen wurde gleich an der ersten Station in der Seebar gefangen genommen. Sie erlebte einen tollen Abend mit ihren Freunden und mit einer super Stimmung. Der Gastgeber in der Old Daddys Bar war sehr zufrieden. Es seien viele tolle Leute und ein gutes Publikum in seine Bar gekommen, sagte Cihan Küce: „Die Musik ist sehr gut angekommen und es war ein sehr sehr schöner Abend“.

Die Sommerversion von Zell on Stage ging an den Start um die heimische Gastronomie zu fördern. Sie förderte aber auch den Missmut von Wirten, die ihre Show-Bühnen in der Kernstadt in den Gassen errichteten wie auch unter den Gästen, die sich überrascht zeigten, als Musiker um 22 Uhr ihren Auftritt im Freien abzubrechen hatten – und zwar genau zu jenem Zeitpunkt, an dem die Kassen der Wirte zu klingen begannen und die Gäste so richtig in Schwung kamen.
Ärger über Sperrstunde für Musiker
Im Irish-Pub kam es zu einem Raunen im Publikum als der Folksänger seine letzten Lieder ankündigte. Kurz zuvor kamen Gäste von der Promenade, weil sie in der Seebar lange für ihre Getränke hätten anstehen müssen. 15 Minuten vor der traurigen Ankündigung erschienen zwei Fußballer mit ihren Freundinnen. Sie waren gemeinsam nach ihrem Fußballspiel aus dem Schwarzwald angereist um nicht nur der Live-Musik beizuwohnen, sondern vor allem um die lokale Gastronomie zu stärken, wie der Fußballer Dennis Roser vom SV Mühlhausen gegenüber dem SÜDKURIER betonte.
Während die Live-Musik am See zum Teil bis 24 Uhr ertönte, so musste sie in den Gassen der Kernstadt um 22 Uhr eingestellt werden. Bands, die im Lokal auftraten, durften bis Mitternacht spielen. Magnus Haferkamp vom Irish-Pub zeigte sein Unverständnis über die musikalische Sperrstunde im Freien: Sie sei lachhaft. „Die Live-Musik sollte mindestens bis um 23 Uhr gehen“, sagte Haferkamp im Einverständnis der Wirtin.
Wunsch nach einer Stunde mehr am Samstag
Maria Oltano schmiss die S-Bar. Ihr Publikum tanzte auf der Straße zwischen dem Lokal und dem Österreichischen Schlösschen. Die Gastgeberin engagierte einen Discjockey im Freien. „Radolfzell braucht Leben“, zeigt sich die Gastronomin überzeugt. Mit Blick auf ihre Gäste sagte sie: „Die Radolfzeller genießen den Abend. Wenn die Musik nun eingestellt werde, dann werden sie gehen“. Schließlich sei es Sommer, außerdem habe die Stadt Radolfzell keine Diskothek. Eine Stunde mehr an einem Samstag würde nicht schaden.
Besser lief es für den Gastgeber an der Mole, Werner Gratzl: Ihm seien keine Auflagen kommuniziert worden. Gratzl stellte sich solidarisch auf die Seite der Wirte in der Kernstadt: „Was wir hier auf die Beine stellen wollen, ist gegen die Gastronomie-Förderung und gegen die Förderung der Stadt Radolfzell“. Solange Gäste vor Ort seien und die Musik spiele, sollte man das Geschäft mitnehmen dürfen, ist der Gastgeber überzeugt: „sowohl in der Innenstadt wie am See“.
Die Gäste seien begeistert von der Musik und von der Idee, die dahinter stehen würde, sagte Gratzl: Und er habe schon lange nicht mehr so viele glückliche Gesichter hier gesehen. Auch der Biergarten sei schon lange nicht mehr so voll gewesen. „Das ist genau das, was wir brauchen und das, was wir wollen“, sagte Gratzl.