Sie wollen als Bürger die Gemeinde mitgestalten und sehen sich bestens dafür aufgestellt: Die Freie Wähler Vereinigung (FWV) gehört mit sechs Gemeinderäten zu einer der drei größeren Fraktionen am Salemer Ratstisch. Ihr beruflicher Hintergrund ist bunt gemischt und mit drei Räten unter 35 haben sie den geringsten Altersdurchschnitt. „Man soll ja zukunftsorientiert arbeiten“, sagt die Fraktionsvorsitzende Henriette Fiedler schmunzelnd. Gemeinsam ist den Mitgliedern der FWV, dass sie das gemeinsame Vorgehen an den Sachproblemen ausrichten möchten.

Nachhaken beim Breitbandausbau

In den vergangenen zwei Jahren seit der Kommunalwahl gab es ihrer Ansicht nach jedoch nicht allzu viele Gestaltungsmöglichkeiten: Bereits beschlossene Großprojekte konnten lediglich begleitet werden, dazu kam Corona. „Da haben wir Neue eine blöde Zeit erwischt“, fasst Patrick Saile die Situation der erstmals gewählten Räte zusammen. Die pandemiebedingte Verlagerung auf die virtuelle Ebene zeigte allerdings, dass der Breitbandausbau ein Thema ist, bei dem nachgehakt werden müsse: „Es ist schon einiges passiert, aber da ist in Salem noch viel mehr nötig und möglich“, mahnt Henriette Fiedler. Da die Gemeinde das nicht allein stemmen könne, müssten Fördergelder von Bund und Land beantragt werden.

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Mehr Handlungsspielraum sehen die Freien Wähler hingegen bei der Modernisierung der Kläranlage, was viel Vorplanung erfordere. Gleiches gelte für das Sportstättenkonzept, das vom gesamten Gemeinderat beantragt wurde. „Bisher gab es nur ein Flickwerk, nun soll ein Gesamtkonzept her“, erklärt Patrick Saile. Eine Projektgruppe soll mit den Sportvereinen klären, was Salem benötige, was die Vereine bräuchten und was umsetzbar sei.

Vorbildfunktion beim Klimaschutz übernehmen

Auch beim Thema Klimaschutz sei noch Luft nach oben. Zwar werde an den Schulen und beim Kindergartenneubau auf „energetisch gute Hüllen“ geachtet, „doch es gibt viele alte gemeindeeigene Gebäude, wo noch viel zu tun ist“, sagt Stephanie Straßer. Ihre Fraktion befürwortete die Teilnahme der Gemeinde am European Energy Award, wodurch Kommunen auf dem Weg zu mehr Energieeffizienz unterstützt werden. Wichtig sei, dass man nicht nur nach Mindestenergiestandard baue, wie das beim neuen Rathaus geschehen sei, moniert Straßer.

„Die Gemeinde muss eine Vorbildfunktion einnehmen“, schließt sich Fiedler an, „man kann das nicht nur von den Gewerbetreibenden verlangen“. Für private Bauherren schlagen sie ein kostenfreies Beratungsangebot durch einen Energieplaner im Rathaus vor, da sich Klimaschutzaspekte beim Neubau gut berücksichtigen lassen.

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Grundstücksvergabe mit Bedacht

Daher bedauern die Freien Wähler, dass Grundstücke ihrer Ansicht nach häufig übereilt vergeben würden, sodass die Zeit fehle, sich vorher intensiv damit auseinanderzusetzen. Stephanie Straßer spricht dabei das Neubaugebiet Stefansfeld-Nordost an: „Da der Keltenring im Hochwassergebiet liegt, schieden viele innovative Heizsysteme aus.“ Bei einer sorgfältigen Planung im Vorfeld hätten die Weichen anders gestellt werden können. „Bauen ist ein Hauptschwerpunkt in Salem – für ganz vieles bräuchte man aber vorher ein Konzept“, fordert auch Henriette Fiedler.

„Bauen ist ein Hauptschwerpunkt in Salem – für ganz vieles bräuchte man aber vorher ein Konzept.“
Henriette Fiedler, Fraktionsvorsitzende

Gewerbeflächen für lokale Bedarfe

Dies sei nun besonders beim Grünzug wichtig, um den im Zuge der Diskussion über den Regionalplan und die Erweiterung des Gewerbegebiets in den vergangenen Monaten viel gestritten wurde. Die Räte der FWV sagen, dass es für die lokalen Betriebe eine Möglichkeit zur Weiterentwicklung geben müsse. Doch die laut dem noch nicht rechtskräftigen Regionalplan für Salem vorgesehene Fläche komme ihnen überdimensioniert vor: „Wir möchten nicht den gesamten Bedarf des gesamten Bodenseekreises abdecken“, erklärt Fraktionsvorsitzende Fiedler.

Kein „Filetieren“ des Grünzugs

Wenn eine Fläche an einen Interessenten vor Ort vergeben werde, müsse dies möglichst schonend gestaltet werden. „Wir dürfen den Grünzug nicht wie Hackfleisch filetieren“, formuliert es Straßer. Beispielsweise dürfe der Kaltluftstrom im Biotop durch ungünstig geplante Erschließungsstraßen und Gebäude nicht behindert werden, was strömungstechnische Untersuchungen im Vorfeld notwendig mache.

Bezahlbares Wohnen nicht nur als Alibi

Stolz sind die Räte der FWV auf das erste Bauvorhaben mit mietpreisgebundenen Wohnungen in Salem: Vor zwei Jahren auf den Weg gebracht, sollen im Stefansfelder Neubaugebiet 30 Wohnungen in zwei Gebäuden entstehen, die auch für Normal- und Geringverdiener erschwinglich seien. „Das darf aber nicht nur ein Alibi sein, sondern muss auch weitergehen“, betont Fiedler. Auf die Frage, ob Ein- und Zweifamilienhäuser wie im restlichen Keltenring umwelttechnisch noch vertretbar seien, antwortet Straßer: „Man muss mehr in den Geschosswohnungsbau gehen, aber die Mischung macht‘s.“ Werde zu kompakt gebaut, benötige es im Gegenzug Freiflächen für Rückzugs- und Erholungsmöglichkeiten.

„Man muss mehr in den Geschosswohnungsbau gehen, aber die Mischung macht‘s.“
Stephanie Straßer, FWV
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Kita-Standort Weildorf eventuell erhalten?

Auch im Bereich Kindergarten-Entwicklung sei die Gemeinde momentan „baulich relativ präsent“, berichtet Fiedler, zudem liefen viele Förderprogramme. Ein Natur- und Forscherkindergarten in der Nähe des Alten- und Pflegeheims Wespach sei in der Vorbereitung und der sechsgruppige Kindergarten im Stefansfelder Neubaugebiet soll im Herbst 2022 eröffnet werden. Die insgesamt drei Gruppen aus den bisherigen Standorten in Stefansfeld und Weildorf sollen in den Neubau ziehen. Aufgrund der Entwicklung der Kinderzahlen formuliert Straßer jedoch die Überlegung, den Standort Weildorf zu erhalten, um beispielsweise ein sonderpädagogisches Konzept umzusetzen.

Was die Schaffung von Kindergartenplätzen angeht, sehen die Freien Wähler Salem auf einem guten Weg. Stephanie Straßer, Leonard Straub ...
Was die Schaffung von Kindergartenplätzen angeht, sehen die Freien Wähler Salem auf einem guten Weg. Stephanie Straßer, Leonard Straub und Henriette Fiedler (von links) freuen sich außerdem, dass beim Neubau des Kindergartens in Stefansfeld auf Energieeffizienz geachtet wird. | Bild: Altmann, Miriam

Elternwünsche bei Schulen berücksichtigen

Kritischer fällt das Urteil der Freien Wähler aus, wenn sie auf die Gemeinschaftsschule blicken. Fiedler betont, dass sie das pädagogische Konzept prinzipiell gutheiße. „Ich habe aber den Eindruck, dass es die Eltern nicht so annehmen wie erhofft“, gesteht sie. Nach Abschaffung der Werkrealschule würden viele Familien eher auf die Realschulen setzen. Daher gelte es, die Anmeldezahlen genau im Blick zu behalten und zu prüfen, wo der Bedarf der Eltern liege.

Wichtig ist der Fraktion in allen Bereichen, dass die Gemeinderäte als fach- und sachkundige Bürger aktiv an der Zukunft Salems beteiligt werden. „Die Zusammenarbeit am Ratstisch ist das Wichtigste“, sagt Fiedler, und Straßer ergänzt: „Ansonsten könnte man sich vom Regierungspräsidium runterverwalten lassen.“ Beide betonen, dass Diskussionen die Kompromissfindung stets voranbrächten und man so gemeinsam etwas Gutes für Salem entwickle. „Wir wollen mitgestalten und sind bereit, das einzufordern“, unterstreicht die Fraktionsvorsitzende.