Die Lehrerin beginnt das Interview mit Schweigen. Katrin Schwoerer-Genenz zündet bei sich in Tüfingen eine Kerze an und startet das Pressegespräch in organisierter Ruhe. Eine Minute Schweigen, sich sammeln.

Damit sind wir mitten drin im Thema. Denn auch so – schweigend – stellt sich Katrin Schwoerer-Genenz den richtigen Start in einen neuen Schultag vor. Die vierfache Mutter ist Vorsitzende des Vereins Ananda, der die Gründung einer freien Schule in Salem plant. Auf der Internetseite des Vereins wird der Start in den Tag beschrieben: „Gemeinsam meditieren, singen, sich verbinden.“

Gesucht: 5000 Quadratmeter

Doch zunächst fehlt es der Schule an einem geeigneten Grundstück. An Platz für Klassenzimmer, Sporträume, sanitären Anlagen, Freiflächen. Das ist eine zwingende Voraussetzung für die Genehmigung durch das Regierungspräsidium Tübingen. Dirk Roddewig, Mitglied im Vorstand von Ananda, beschreibt: „Das Grundstück, das wir suchen, liegt im Idealfall im Außenbereich. Es muss bebaubar sein, nicht nur mit einer Jurte, sondern mit festen Gebäuden. Vielleicht handelt es sich um eine alte Hofstelle, wo eine Verbindung zur Natur stattfinden kann.“

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Bei Salems Bürgermeister Manfred Härle ist Zurückhaltung herauszuhören: „Die Gemeinde kann der Schulinitiative zum jetzigen Zeitpunkt kein Grundstück mit der gewünschten Größe von 5000 Quadratmetern anbieten“, teilte er dem SÜDKURIER mit. Härle: „Das entwickelte pädagogische Konzept lehnt sich nach unserem Eindruck sehr stark an die Waldorfpädagogik an, für die es im benachbarten Rengoldshausen eine sehr gute Schuleinrichtung gibt.“ Ihm stelle sich deshalb die Frage, ob ein Bedarf in Salem überhaupt vorhanden sei.

Gefunden: Schon fast 50 Interessenten

Das sieht Schwoerer-Genenz anders. „Wir wollten mit 36 Kindern und Jugendlichen anfangen, jetzt haben wir schon 48 Anmeldungen und weitere Interessierte, die wir nur vertrösten können. Wir bekommen wöchentlich neue Anfragen. Eine Warteliste führen wir nicht.“

Sie hätten nicht vor, eine Konkurrenz zu anderen Schulen aufzubauen. „Vielmehr bieten wir ein anderes Konzept – etwas Neues, das es so in dieser Region nicht gibt“, sagt die Mathe-, Bio- und Ethik-Lehrerin.

Mit der Genehmigungsbehörde, dem Regierungspräsidium Tübingen, gebe es gute Gespräche. „Bei uns kam das Signal vonseiten des Regierungspräsidiums an, dass das Konzept für genehmigungsfähig befunden wird“, sagt Schwoerer-Genenz, die das Konzept auch ohne Grundstück prüfen lassen durfte und von der Behörde Hinweise erhielt, wo nachzubessern sei. „Beispielsweise gibt es in unserem Konzept nun statt einem offenen Tagesbeginn verbindlichere Vorgaben, die sich aus der Schulpflicht heraus ergeben.“

Getaktet: Warum Taktung nicht gewollt ist

Die Wörter „Schule“ oder „Klasse“ kommen im Vokabular der Schul-Initiative eigentlich gar nicht vor. „Wir sind ein Ort der Begegnung und des Lernens“, sagt Katrin Schwoerer-Genenz, die seit 22 Jahren Lehrerin an Waldorfschulen ist. „Waldorfschulen sind toll, aber nicht unbedingt für alle Kinder. Es gibt Kinder und Jugendliche, die nicht gerne in die Schule gehen, weil sie mit der Dreiviertelstundentaktung nicht zurecht kommen oder damit, dass alle gemeinsam sich um den gleichen Stoff zur selben Zeit bemühen sollen. Manchen passt der Fächerkanon, manchen passt er nicht.“ Weiterhin sagte die Vorsitzende: „Wir wollen Räume schaffen, in denen Eigeninitiative möglich ist.“

Manfred Härle, Bürgermeister: „Das entwickelte pädagogische Konzept lehnt sich nach unserem Eindruck sehr stark an die ...
Manfred Härle, Bürgermeister: „Das entwickelte pädagogische Konzept lehnt sich nach unserem Eindruck sehr stark an die Waldorfpädagogik an, für die es im benachbarten Rengoldshausen eine sehr gute Schuleinrichtung gibt.“ | Bild: Gemeinde Salem

Genehmigt: Behörde prüft nicht den Bedarf

Zurzeit gibt es 190 Privatschulen im Regierungsbezirk Tübingen, teilte Stefan Meißner, RP-Sprecher, dem SÜDKURIER mit. Viele von ihnen seien schon an die 100 Jahre alt, Neugründungen sind heutzutage eher selten. Pro Jahr gebe es etwa drei Anträge auf Neueinrichtungen. Die Anträge auf Errichtung von weiterführenden Privatschulen würden „in der Regel genehmigt“. Denn das Regierungspräsidium nehme keine Bedarfsprüfung vor, sondern prüfe lediglich die gesetzlichen Voraussetzungen – ob das Lehrziel erreicht werde, die Lehrkräfte geeignet seien und die Gebäude den Vorschriften entsprächen.

Bei Grundschulen komme es eher vor, dass eine Ablehnung erfolgt, sofern ein noch nicht ausreichend erprobtes pädagogisches Konzept eingereicht wird. Zu den Erfolgsaussichten, die Ananda hat, wollte sich das Regierungspräsidium nicht äußern. Nur so viel, dass bei der Behörde die Ernsthaftigkeit des Projekts wahrgenommen werde, oder, wie es Stefan Meißner ausdrückte: „Es wirkt nicht uninteressiert.“

Gegründet: Schon vor Corona

Mit Corona und den neuen Herausforderungen, denen Schule in der Pandemie ausgesetzt ist, habe die geplante Schulgründung nichts zu tun, betonen Schwoerer-Genenz und Roddewig. Die Vorstandsmitglieder sagen, dass die Initiative schon vor Ausbruch von Corona entstanden sei.

Beim Regierungspräsidium landen in der Corona-Krise vermehrt Anfragen für Schulgründungen an. An Zahlen lasse sich das nicht festmachen, aber am „Eindruck“, den man im zuständigen Referat gewinne, sagte Meißner. Anträge habe es noch keine gegeben, aber Anfragen von Personen aus dem schulischen Bereich, die sich überlegten, „andere Wege zu gehen“.

Geparkt: Keine konkretisierten Pläne der Siebententagsadventisten

2017 gab es in Überlingen Diskussionen um die Gründung einer freien Schule durch die Freikirche der Siebententagsadventisten. Auf ihrer Homepage ist nach wie vor zu lesen, dass sich die Schule „in Gründung“ befinde. Die Pläne hatten damals für Aufsehen gesorgt, weil die Siebententagsadventisten in den Augen anderer christlicher Kirchen eine fundamentalistisches Bibelverständnis pflegen, die Bibel nicht als historisch gewachsenes Buch betrachten und die Theorie vom Urknall zugunsten einer biblischen siebentägigen Schöpfungsgeschichte ablehnten.

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Die Genehmigungsbehörde in Tübingen verwies damals dennoch darauf, dass eine Genehmigung durchaus möglich sei, zumal die Gemeinde der Siebententagsadventisten in Baden-Württemberg bereits freie Schulen betrieben. Doch in dieser Sache habe sich nichts Neues mehr ergeben. Wie RP-Sprecher Meißner sagte, ruhe der Antrag. Die Antragsteller hätten sich nicht mehr gemeldet.

Roland Lachmann, Pastor der Freikirche der Siebententagsadventisten, antwortete auf SÜDKURIER-Anfrage per Mail: „Wir sind zur Zeit noch mit den vorgegebenen Brandschutzmaßnahmen und geplanten Umbaumaßnahmen im Kirchengebäude beschäftigt, deren Umsetzung und Durchführung sich verzögert haben. Der Termin für die Schulplanung ist derzeit noch offen.“