Seit 1. Januar gibt es das elektronische Rezept. Ärztinnen und Ärzte können es am Computer freigeben, es wird digital gespeichert und Apotheker können es abrufen, wenn der Patient mit seiner Gesundheitskarte in den Laden kommt. So zumindest die Theorie. In der Praxis läuft jedoch noch nicht immer alles reibungslos.

Das bestätigt etwa Detlef Ambraß, Arzt aus Uhldingen-Mühlhofen. „Ein großes Problem ist, dass sich die Patienten nicht aufgeklärt fühlen. Sie wissen nicht Bescheid, gerade die Älteren“, erzählt der Allgemeinmediziner. Deswegen führt Ambraß seit Anfang des Jahres täglich geduldig Gespräche mit seinen Patienten. Schritt für Schritt erklärt er ihnen das Prozedere rund um das E-Rezept.

„Ich mache das gerne“, sagt der Arzt, betont jedoch auch: „Eigentlich ist das aber doch nicht meine Aufgabe.“ Stattdessen sieht er die Krankenkassen in der Pflicht. Sie hätten schon im Vorfeld Informationsschreiben an ihre Mitglieder verschicken können, in denen die Änderungen aufgeführt sind – so der Vorschlag von Ambraß.

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Es hapert noch an der Umsetzung des E-Rezeptes

Neben den fehlenden Informationen für die Patienten hapert es beim elektronischen Rezept auch an der Umsetzung, wie Ärztin Patricia Andriessens aus Salem erzählt. Schon 2023 stellte die Praxis, in der Andriessens arbeitet, ihr komplettes System um und bereitete sich auf die Einführung des E-Rezeptes vor. In den ersten Tagen funktionierte die Handhabung der Ärztin zufolge sogar ausgesprochen gut.

Doch schon nach wenigen Wochen kamen die ersten Probleme zum Vorschein. „Aus unerfindlichen Gründen kommt es vor, dass wir Rezepte nicht freigeben können“, nennt Andriessens ein Beispiel. Außerdem würden manche Patienten rückmelden, dass sie Medikamente nicht in der Apotheke bekommen konnten – obwohl in der Praxis alles so aussieht, als sei das Rezept ordentlich versendet.

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Wie ihr Kollege Detlef Ambraß aus Uhldingen-Mühlhofen bemängelt auch die Salemer Ärztin die Kommunikation rund um das elektronische Rezept. „Was Politiker in den Medien preisgeben, ist teilweise einfach falsch“, sagt Andriessens. Viele Patienten gingen nun etwa davon aus, dass sie gar nicht mehr in die Praxis kommen müssen, wenn sie ein Rezept benötigen. „Das ist aber völliger Quatsch. Der Patient muss wie gewohnt einmal im Quartal zu uns kommen“, sagt die Ärztin deutlich. Alle Rezepte, die im weiteren Verlauf des Quartals fällig werden, können dann online angefragt werden.

„Es wird nicht richtig kommuniziert“, beanstandet Andriessens und fragt sich: „Wie sollen wir denn Geld verdienen, wenn die Leute nicht mehr kommen? Ein Rezept ist eine ärztliche Verordnung. Da gehören regelmäßige Überprüfungen dazu.“

Arztpraxen zahlen für Softwareentwickler und Ausstattung

Und wie sieht es mit den Kosten aus? Direkte Kosten sind für die Arztpraxen mit dem E-Rezept nicht verbunden. „Dennoch haben wir Kosten, zum Beispiel für die IT-Dienstleister, die wir bezahlen, damit sie unsere Praxis digital betreuen“, erklärt Patricia Andriessens. Und die seien mittlerweile auch nicht mehr wegzudenken.

„Jeden Tag tauchen Probleme auf, die dann von der IT gelöst werden. Zum Beispiel, wenn wir die Karte nicht einlesen können oder Rezepte nicht versendet werden.“ Hinzu kommen Kosten für die Hardware. Damit das neue Programm für die elektronischen Rezepte auch funktioniert, haben Andriessens und ihre Kollegen sich leistungsstarke Computer zugelegt. Die Ärztin betont: „Es wird von uns erwartet, dass wir ausgestattet sind.“

Kaum Probleme in der Münster-Apotheke

Während Patricia Andriessens und Detlef Ambraß von einem nicht ganz reibungslosen Start mit dem E-Rezept berichten, läuft es in der Münster-Apotheke in Überlingen beinahe problemlos. Das berichtet Leiterin Annette Munck. Sie bilanziert: „Unsere Technik ist stabil, wir sind zufrieden.“

Für die Apothekerin ist das elektronische Rezept eine Chance. Vieles sei nun schneller und einfacher möglich. „Wenn ein Kind im Notfall ein Antibiotikum braucht und wir das Medikament nicht im Lager haben, können wir beim Arzt anrufen und nach einem Ersatz-Antibiotikum fragen. Der Arzt kann das Medikament im Handumdrehen in die Cloud schicken und wir können es sofort herausgeben“, nennt Munck ein Beispiel.

Annette Munck ist Leiterin der Münster-Apotheke in Überlingen. Sie hat bisher fast ausschließlich positive Erfahrungen mit dem E-Rezept ...
Annette Munck ist Leiterin der Münster-Apotheke in Überlingen. Sie hat bisher fast ausschließlich positive Erfahrungen mit dem E-Rezept gemacht. „Manchmal müssen die Kunden etwas länger warten, wenn gerade etwas hakt. Aber ansonsten läuft es prima“, berichtet Munck. | Bild: Lippisch, Mona

Ein kleines Manko fällt jedoch auch der Apothekerin auf: der Weg der Rezepte in die Cloud. „Ärzte können während ihrer Arbeit nicht ständig die Rezepte freischalten. Da kann es schon sein, dass das Rezept eine Weile liegen bleibt. Wenn der Patient aber direkt zu uns kommt, um seine Medikamente zu holen, ist das Rezept noch nicht abrufbar“, erzählt Annette Munck.

Gerade für Senioren sei es seit der Einführung des E-Rezeptes zudem schwieriger, Medikamente telefonisch vorzubestellen. Während die Kunden früher in der Apotheke anriefen und das Medikament durchgaben, wissen sie heute gar nicht mehr, was der Arzt ihnen verschrieben hat – denn das ist nur digital via Gesundheitskarte einsehbar. „Wir können das Medikament also im Zweifel nicht vorbestellen.“

Hier komme dann der Botendienst der Münster-Apotheke zum Tragen, den Annette Munck künftig weiter ausbauen möchte. „Wenn das Medikament nicht vorrätig bei uns ist, können wir es den Kunden ausliefern, sobald es da ist“, erklärt sie. „So entfällt ein zweiter Besuch bei uns in der Apotheke.“