Das Hofgut Wegwarte an der Tüfinger Straße 12 liegt idyllisch auf einer Anhöhe. Spaziergänger aus Salem und Umgebung kennen das Gehöft nahe des Martinsweihers. Eine Genossenschaft hat das Hofgut vor neun Jahren erworben und ein Jahr später, als es vom Landwirtschaftsamt als privilegiert eingestuft war, die vorhandenen Hofgebäude in Wohnungen und Ferienwohnungen umgebaut. Um die dazu gehörende Ackerfläche in Form einer Demeter-Landwirtschaft zu betreiben, wurde der Verein Solidarische Landwirtschaft Wegwarte (Solawi Wegwarte) gegründet.

Dem Verein steht keine Anbaufläche zur Verfügung

Seit 2017 wird solidarische Landwirtschaft betrieben. Damit ist jetzt vorerst Schluss, wie die Solawi-Vorsitzende Angela Schindler sagt. Zumindest in der neuen Pflanzsaison könne nichts angebaut werden. Die Mitglieder hätten zwar schon begonnen, den Boden für den Gemüseanbau in der neuen Saison vorzubereiten und ihn mit Mulchfolie bedeckt. Doch es stehe schlicht keine entsprechende Anbaufläche mehr zur Verfügung.

Das Hofgut Wegwarte ist idyllisch gelegen.
Das Hofgut Wegwarte ist idyllisch gelegen. | Bild: Martina Wolters

Genossenschaft fordert Flächen vom Verein zurück

Die Genossenschaft als Hofgutbesitzer hatte die Fläche bislang zur Verfügung gestellt, fordert sie aber nun zurück. Da laut Schindler kein schriftlicher Pachtvertrag besteht, muss die Solawi weichen. „Für mich ist das schon heftig, ich habe so viel Zeit und Herzblut investiert“, sagt die Vorsitzende. Es gebe mehrere Gründe, warum es zu dem Bruch zwischen Genossenschaftsgemeinschaft und dem Solawi-Verein gekommen sei, wie die Vorsitzende erklärt. Angela Schindler, die selbst in einer der Genossenschaftswohnungen auf dem Hof lebt, spricht von lange schwelenden zwischenmenschlichen Problemen auf der einen und Ängsten auf der anderen Seite.

Angela Schindler, Vorsitzende des Vereins Solawi Wegwarte.
Angela Schindler, Vorsitzende des Vereins Solawi Wegwarte. | Bild: Mardiros Tavit

Eduard Lamprecht: Vereinsmitglied habe illegal Flächen an Landwirt weitergegeben

Eduard Lamprecht, Vorsitzender der Genossenschaft, formuliert im Telefonat den Konflikt deutlich schärfer. Ein Mitglied der Solawi Wegwarte habe seine Kompetenzen überschritten und eigenmächtig Teile des von der Genossenschaft gepachteten Ackerlands illegal, wie Lamprecht sagt, an einen Landwirt weitergegeben. Die verbliebene Restfläche von 2000 Quadratmetern müsse aus rechtlichen Gründen von den Genossenschaftsmitgliedern selbst landwirtschaftlich bewirtschaftet werden. Schließlich sei die Privilegierung des Gehöfts mit den Landwirtschaftsflächen und deren Nutzung verknüpft.

Eduard Lamprecht, Vorsitzender der Genossenschaft Wegwarte.
Eduard Lamprecht, Vorsitzender der Genossenschaft Wegwarte. | Bild: Archiv

Genossenschaft sorgt sich um Verlust der Privilegierung

„Die Solawi tut mir leid, aber wir müssen jetzt selbst Landwirtschaft betreiben“, begründet der Vorsitzende der Genossenschaft die Absage an die Solidargemeinschaft. Außerdem kündigt Lamprecht an, dass unrechtmäßig agierende Mitglieder den Hof verlassen sollten. Auch zu den von Angela Schindler angesprochenen Ängsten bezieht Eduard Lamprecht Position: Im Genossenschaftsgremium werde befürchtet, man könnte die vom Landwirtschaftsamt ausgesprochene Privilegierung verlieren und müsste dann schlimmstenfalls die bestehenden Gebäude abreißen.

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Angela Schindler: Übergabe der Flächen an den Landwirt wurde im Gremium beschlossen

Angela Schindler schüttelt über die Aussagen des Vorsitzenden der Genossenschaft den Kopf. Zum einen sei die Übergabe der Flächen an einen Salemer Landwirt nicht im stillen Kämmerlein, sondern im Gremium beschlossen worden. Zum anderen habe sie sich wegen der Sorge, die Privilegierung zu verlieren, bei den Behörden informiert und klar Entwarnung bekommen. Die Behörde habe zwar immer ein Auge auf bauliche Aktivitäten auf dem Hof. Auflagen, unbedingt eine Landwirtschaft zu betreiben, werde es aber nicht geben.

Fachbehörde prüft Privilegierung mit jedem folgenden Bauantrag

Ein jüngst positiv beschiedener Antrag auf Nutzungsänderung gibt Schindler recht. Allerdings bestätigt Salems stellvertretender Bauamtsleiter Marc Dürrhammer auf Nachfrage des SÜDKURIER am Telefon, dass die Fachbehörde die Situation der Privilegierung mit jedem folgenden Bauantrag prüfen werde.

Vorsitzende will Amt abgeben, auf Wunsch aber beratend unterstützen

Dass die Solawi Wegwarte auf der Kippe steht, bedauert deren Vorsitzende sehr. Zumal die Hofgemeinschaft eigentlich ein Frieden stiftender Ort werden sollte. „So steht es sogar in der Satzung“, sagt Schindler. Wenn sich eine neue Vereinsspitze und gegebenenfalls ein entsprechendes Gelände plus Lagermöglichkeit für geerntetes Gemüse findet, kann sich die Umweltberaterin einen Fortbestand der Solawi in ein, zwei Jahren vorstellen. Sie selbst will ihr Amt unter den gegebenen Bedingungen nicht mehr weiterführen, würde aber mit Rat und Tat unterstützen, wenn gewünscht. Die endgültige Entscheidung soll bei einer Mitgliederversammlung im März fallen.

Der Gemüsegärtner Lucas Bergmann liebte seine Arbeit, hat Solawi jedoch zum Ende der Saison 2020 verlassen.
Der Gemüsegärtner Lucas Bergmann liebte seine Arbeit, hat Solawi jedoch zum Ende der Saison 2020 verlassen. | Bild: Martina Wolters

Gärtner Lucas Bergmann erzählt über seine Arbeit bei Solawi Wegwarte

Lucas Bergmann war bis Ende der Saison 2020 drei Jahre lang Gärtner für den Verein der Solidarischen Landwirtschaft Wegwarte. Und das mit Leib und Seele, wie der 27-jährige Gemüsegärtner erzählt. Die Vereinsziele entsprächen genau seinen Vorstellungen von einem pflanzen- und menschengerechten Bewirtschaften.

Der solidarische Grundgedanke von Solawi sagt ihm ebenfalls zu. „Es ist doch ein wunderschönes Prinzip, dass sich Menschen verpflichten, gemeinsam die Kosten und die Verantwortung für eine Landwirtschaft zu tragen.“ Diese Art des gemeinsamen Kalkulierens und Wirtschaftens habe ihm als Gärtner Sicherheit gegeben inmitten von Unwägbarkeiten, wie Wetter und Ernteertrag.

Gärtnerisch setzte er bei seiner Arbeit für die Solawi Wegwarte auf Vielfalt. Kartoffeln, Salat und Radieschen bis hin zu Kräutern, Pastinaken, Auberginen und Kohl baute er an. Für Lucas Bergmann passten die kleinteiligen Strukturen in der Solawi mit 40 Ernte-Abnehmern wunderbar. Er habe es geschätzt, jeden persönlich mit seinen Vorlieben für bestimmte Gemüsesorten zu kennen.

Beim Gärtnern selbst lag sein Hauptaugenmerk darauf, einen „lebendigen“ Boden bestellen zu können. Der Pflanzboden müsse humusreich sein, Flüssigkeit gut aufnehmen, gut mit Hitze auskommen und Mikroorganismen Raum geben. Je mehr nützliche Kleinstlebewesen im Boden vorherrschten, desto lebendiger sei der Boden. Um diesen Kleinstlebewesen nicht zu schaden, sei bei Solawi nach dem Eggen viel Arbeit mit der Hand gemacht worden, was andernorts per Schlepper erledigt würde.

Bergmann erzählt, er habe zusammen mit den Vereinsmitgliedern auf der Ackerfläche gearbeitet. Das sei wichtig, um eine Verbindung zwischen den Menschen und den Pflanzen zu schaffen. Die Arbeit für den Verein Solawi Wegwarte habe ihm viel Freude bereitet. Weil er aber gespürt habe, dass die Genossenschaft nicht wirklich ein Interesse an der Solawi gehabt habe, habe er sich entschlossen zu gehen.