Sie steht am westlichen Eingang des Dorfes Sipplingen und wirkt etwas deplatziert: die Radwegbrücke über die B31 alt. An ihrem westlichen Ende müssen sich die Radler über einen im Sommer stark frequentierten Parkplatz schlängeln. In östlicher Richtung endet die Fortführung des Radweges nach ein paar 100 Metern auf der Bundesstraße. Ab hier geht es für gut einen Kilometer im Nahkampf mit zahlreichen Autos über die zweispurige Straße. Erst am Ortsausgang setzt sich der Radweg fort. Das soll sich ändern, zumindest wenn es nach dem Willen des Sipplinger Gemeinderates geht.

Radweg neben dem Zug
Im Februar beschloss das Gremium, dass die Verbesserung des Radweges mit Nachdruck betrieben werden soll. Bürgermeister Oliver Gortat unterstützte den entsprechenden Antrag der DBS-Ratsfraktion, zeigte sich aber wenig optimistisch. „Wir bleiben in dieser Angelegenheit unangenehm“, sagte der Rathauschef. „Wir sollten uns aber keine großen Hoffnungen machen, ob unser Beschluss etwas bringt. In den nächsten drei Jahren wird sicher nichts passieren.“

Damit bezog sich Gortat in erster Linie auf die Radwegplanung entlang der B31 alt zwischen Ortsmitte und östlichem Ortsausgang. Eine Planung, die schon vor rund 20 Jahren vorsah, den Radweg in Richtung Überlingen auf einem rund 850 Meter langen Steg im Bodenseeuferbereich südlich der Gleise zu führen. Anschließend sollte er in einer Grundwasserwanne unter der Bahnlinie und der B31a hindurchgeführt und an den nördlich davon verlaufenden Wirtschaftsweg angeschlossen werden. Eine Planung, die damals bereits mit den Trägern öffentlicher Belange in Gesprächen einvernehmlich abgestimmt war und auf deren Grundlage die Unterlagen zur haushaltsrechtlichen Genehmigung erarbeitet wurden.
Kostenpunkt: 5,6 Millionen Euro
Doch plötzlich stockten die Planungen. Der damalige Bürgermeister Anselm Neher nennt mehrere Gründe dafür: So weigerte sich einer der Anlieger, ein kleines Stück seines Grundstückes am Ufer für den Bau des Radweges bereitzustellen, in Unterschriftenlisten wurden Stimmen für eine Petition gegen den Radweg gesammelt – die Petition wurde später verworfen – und es protestierten unter anderen auch Auswärtige in Leserbriefen an den SÜDKURIER. Zudem stand eine Summe von rund 5,6 Millionen Euro im Raum, die diese Radwegführung vermutlich kosten würde.

Angesichts anderer wichtiger Projekte im Regierungsbezirk zog sich das Regierungspräsidium (RP) schließlich aus der Planung zurück. Übrig blieb ein einseitiger Radschutzstreifen in Fahrtrichtung Überlingen, der 2020 angebracht wurde. In Richtung Bodman-Ludwigshafen war das aufgrund der Fahrbahnbreite nicht möglich. Eine schon unter Bürgermeister Neher veranlasste, auf dem Lärmaktionsplanung fußende Tempo-30-Beschränkung auf der Seestraße verlangsamt seither den Autoverkehr. Dieser Zustand dauert bis heute an.
Sicherheit würde „drastisch“ verbessert werden
Bürgermeister Oliver Gortat griff die damaligen und bis heute geltenden und nun auch im DBS-Antrag formulierten Argumente für einen Radweg südlich der Bahnlinie wieder auf: Es werde nicht nur die Verkehrssicherheit durch den südlich der Bahnstrecke geführten Radweg drastisch verbessert, argumentierte Gortat schon im Dezember 2024 an das RP Tübingen, „gleichzeitig werden Behinderungen für den motorisierten Verkehr auf der B 31a in der Ortsdurchfahrt von Sipplingen reduziert“.

Keine Aussicht auf Erfolg?
Doch das RP winkte im Januar 2025 ab. Der Radwegabschnitt habe im Bedarfsplan keine Berücksichtigung gefunden. Kritisch seien dabei komplexe naturschutzfachliche Themen, der setzungsgefährdete Baugrund sowie die mögliche Gefährdung der hier liegenden, denkmalgeschützten Pfahlbauten.
Das RP macht keinen Hehl daraus, dass die damalige Situation für Verärgerung gesorgt hat, wenn es schreibt, dass die „zurückliegende Planung für den Radweg [...] durch das Regierungspräsidium Tübingen über 10 Jahre hinweg mit großem Einsatz vorangebracht und auf unterschiedlichen Ebenen erörtert und abgestimmt“ worden sei. Und so heißt es in dem Schreiben abschließend, „sodass aus unserer Sicht nicht zu erkennen ist, dass eine Wiederaufnahme der Planung in Verbindung mit der von Ihnen angesprochenen Aufschüttung eine Aussicht auf Erfolg hat.“
Dennoch will die Gemeinde und wollen etliche Gemeinderäte nicht so schnell aufgeben. Die DBS ergriff die Initiative und die CDU unterstützt laut Clemens Beirer das Vorgehen des Bürgermeisters, der nun die Gemeinderäte und die Landräte am 20. Oktober zu einem Vor-Ort-Termin nach Sipplingen eingeladen hat. Eine Anfrage des SÜDKURIER bei der Unabhängigen Liste (UL) blieb unbeantwortet.
Drei Fragen an Sipplingens Alt-Bürgermeister Anselm Neher
Neher war von 2001 bis 2017 Bürgermeister von Sipplingen. Im Interview mit unserem Mitarbeiter Michael Schnurr erinnert er sich an seinen Einsatz für den Radweg in Sipplingen:
War der Bau einer Radbrücke ohne einer Radwegführung im östlichen Bereich (Seestraße) überhaupt sinnvoll?
Anselm Neher: Die Planung und Umsetzung der Radwegkonzeption ist grundsätzlich eine Sache des Bundes wegen der B31 alt, der auch deshalb der Kostenträger ist. Sie wurde wegen der gefährlichen Situation für die Radler kommunalpolitisch von der Gemeinde und vom Landkreis immer wieder gefordert. Die Uferkonzeption war Sache und im Interesse der Gemeinde, mit der Maßgabe, die Kosten auf verschiedene Schultern zu verteilen. Es gelang nicht nur die Uferanlagen attraktiv zu gestalten (...), sondern auch eine Brückenverbindung vom Dorf zum See über Bahn und Straße zu erreichen. Sowohl Investition als auch Unterhaltung sind Aufgabe des Bundes! Weiter konnte (...) die Zufahrt vom Landungsplatz zum Westhafen für die Gemeinde gesichert werden, die seither der Bahn gehörte. Die Weiterführung gen Osten war eine logische Konsequenz.
Standen Bundesmittel bereit, um den Radweg zu bauen?
Anselm Neher: Die Bundesmittel standen meines Wissens zur Verfügung.
Das Vorhaben soll an Interessen einzelner Anwohner an der Seestraße gescheitert sein? Es gab Leserbriefe.
Anselm Neher: Mit einer Gegenwehr von Seiten der Bevölkerung war nicht zu rechnen und hat uns alle überrascht. (...) Die Grunderwerbsverhandlungen für die Verbreiterung des Zugangsweges zum Osthafen um ca. 1,50 m für den Radweg wurden von der Gemeinde geführt, um die Interessen der Grundstückseigentümer wahrzunehmen und es nicht dem Planfeststellungsverfahren zu überlassen. Nur in einem Fall war dies nicht möglich. Zum Planfeststellungsverfahren kam es wegen der Unterschriftenliste, der Leserbriefe etc. und der Forderung nach einer Petition nicht mehr. Der Petitionsausschuss hat getagt und die Petition verworfen.
Fragen: Michael Schnurr