Bald soll frischer Wind in die Kommunalpolitik kommen. Bei der Präsentation der Kandidaten für den ersten Jugendgemeinderat in Überlingen stellten sich 13 Jugendliche zwischen 13 und 17 Jahren persönlich oder per Video in der Wiestorhalle vor.
Die Jugendlichen ließen keinen Zweifel an ihrer Entschlossenheit aufkommen, Überlingen für ihre Generation und Bedürfnisse zu verändern. Die Auftritte reichten von der professionellen Videobotschaft bis zur knappen Stegreifrede. Die meisten waren gut vorbereitet, nutzten ihre Redezeit, um sich vorzustellen, die Punkte aufzulisten, die sie gerne verändern würden und für ihre Person zu werben. Auf den nicht voll besetzten Stuhlreihen hatten vor allem Freunde und Eltern der Kandidaten sowie einige Lehrer und Gemeinderatsmitglieder Platz genommen.
OB Jan Zeitler spricht Mut zu
Bevor die Kandidaten den Raum wieder verlassen mussten, da sie den Reden der Mitbewerber nicht zuhören durften, machte Oberbürgermeister Jan Zeitler den sieben Mädchen und sechs Jungen Mut. Zwar erklärte er gleich zu Beginn: "Demokratie ist anstrengend." Aber es lohne sich, weil man "nirgendwo mehr mitgestalten kann als auf kommunaler Ebene." Das Risiko, nicht gewählt zu werden, müsse man eingehen. Das sei ihm selbst auch schon passiert und kein Grund, zu sehr enttäuscht zu sein. Anschließend erklärte Zeitler den Wahlkampf für eröffnet.
Moderator Reiner Jäckle erläuterte kurz die Spielregeln: "Jeder hat drei Minuten Redezeit. Hier herrschen dieselben Regeln wie in der großen Politik!" Danach rief er die Kandidaten in der Reihenfolge auf die Bühne, in der ihre Bewerbungen eingegangen waren.
Großer Wunsch nach einem Treffpunkt
Ein Punkte brannte allen unter den Nägeln: Der Wunsch nach einem Treffpunkt, wo sie ungestört, willkommen und nicht der Witterung ausgesetzt sind, fehlte in keiner Rede. Auch die Forderung nach mehr Veranstaltungen für junge Menschen unter 18 Jahren wurde oft geäußert. Mehrere Redner schlugen Internetportale oder Tafeln vor, die die bestehenden Angebote der Vereine und anderer Veranstalter übersichtlich auflisten. Zu den ebenfalls mehrfach geäußerten Wünschen zählten öffentliches WLAN in der Stadt sowie die Ausweitung des Angebots des öffentlichen Nahverkehrs abends und am Wochenende.
Ansprechpartner für Mobbingopfer
Einige wünschen sich mehr Bildungsangebote für Jugendliche. Es wurde eine Jobbörse für Ferienjobs vorgeschlagen und mehr Mitsprache bei relevanten Bauprojekten gefordert. Andere schlugen soziale Projekte vor, zum Beispiel für ältere oder sozial schwächere Menschen. Um die Digitalisierung der Schulen voranzutreiben, listete ein Redner Vorschläge für eine App und ein digitalisiertes Klassenbuch inklusive der Umsetzung in schuleigenen Arbeitsgemeinschaften auf. Viel Mut bewies ein Mädchen, das sich als ehemals Betroffene ein niederschwelliges Angebot mit professionellen Ansprechpartnern für Mobbingopfer wünscht.
Das Publikum spendete zum Schluss viel Applaus. Reiner Jäckle appellierte an die jungen Zuhörer: "Geht zur Wahl, das ist auch eine Form der Mitwirkung!" Johanna und Hanka, beide 16 Jahre, gefiel die Vorstellung der Kandidaten und vor allem die Forderung nach einem Treffpunkt. Auch Felix, 14 Jahre, fand es informativ. Den Vorschlag, eine Mobbingberatung einzurichten, fand er gut. Er wolle sich bei der Wahl aber nicht nur von Argumenten leiten lassen. Auch das Äußere spiele für ihn eine Rolle.
Das sind die Kandidaten
David Jung, 16 Jahre, Constantin-Vanotti-Schule
Julia Katharina Sonntag, 15 Jahre, Gymnasium
Victor Kliewer, 15 Jahre, Gymnasium
Sven Erik Feger, 16 Jahre, Freie Waldorfschule
Liza-Marie Schumacher, 16 Jahre, Freiwilliges Soziales Jahr
Fabienne Josephine Nejad, 15 Jahre, Gymnasium
Vanessa Schnell, 15 Jahre, Realschule
Ibrahim Thomas, 14 Jahre, Realschule
Benjamin Kostenbäder, 15 Jahre, Gymnasium
Berfin Demirdüken, 16 Jahre, Wiestorschule
Ina Holzer, 13 Jahre, Gymnasium
Espen Rechtsteiner, 17 Jahre, Freie Waldorfschule
Leandra Gabler, 15 Jahre, Realschule
Jugendgemeinderat
- Der erste Überlinger Jugendgemeinderat wird aus elf Mitgliedern bestehen und wird für zwei Jahre gewählt. Das Gremium soll mindestens fünf Mal im Jahr zusammenkommen, um über die Anliegen der Jugendlichen zu diskutieren. Der Jugendgemeinderat kann durch eigene Projekte, Initiativen und politische Arbeit Verbesserungsvorschläge und Kritik äußern und seine Beschlüsse in den Gemeinderat einbringen. Den Jugendlichen steht ein eigenes Budget zur Verfügung.
- Die Wahl findet von Montag bis Donnerstag, 5. bis 8. November statt. Wahlberechtigt sind alle Jugendlichen von 13 bis 18 Jahren, die in Überlingen wohnen oder hier zur Schule gehen. Jeder Wahlberechtigte hat elf Stimmen und kann bis zu drei Stimmen an einen Kandidaten geben. Die 2850 Wahlberechtigten können ihre Stimme in den Schulen abgeben. Für alle, die nicht in Überlingen zur Schule gehen, besteht die Möglichkeit, im Jugendcafé im Gondelehafen zu wählen: Montag bis Mittwoch, 5. bis 7. November von 13.15 bis 16.15 Uhr und Donnerstag, 8. November von 14.15 bis 17.15 Uhr.
- Die Ergebnisse werden bei einer Wahlparty am Freitag, 9. November ab 19.30 Uhr im Kursaal bekannt gegeben. Zum Rahmenprogramm gehört auch ein Auftritt von Phil Siedenburg aus Salem, der im April bei der Talent-Show „The Voice Kids“ teilgenommen hatte. Die konstituierende Sitzung des Jugendgemeinderats ist für Mittwoch, 12. Dezember vorgesehen.