Als Philadelphia Ecker vor einigen Jahren von Südafrika nach Überlingen kam, hat sie sich gewundert: „In Südafrika sind die Menschen ständig miteinander im Kontakt, in Deutschland sind sie mit ihren Geräten – Smartphones – beschäftigt.“ Heute hat Philadelphia Ecker ein kleines Afrikageschäft in der Überlinger Innenstadt – das viel mehr ist als nur ein Geschäft, ebenso, wie die ganze Stadt mehr ist, als nur die Möglichkeit zum Konsum.

Hier finden Begegnungen statt, sagt Ecker. „Wenn meine Kunden hereinkommen, will ich immer mit ihnen reden. Ich will wissen: Wer bist du, woher kommst du, was machst du hier, das ist das, was uns menschlich macht, das finde ich schön. Es ist wichtig, diese kleinen Möglichkeiten, wo Menschen sich begegnen können, zu schützen, wenn wir die Menschlichkeit nicht verlieren wollen.“
Das empfindet auch Kerstin Bode, Marktleiterin und Geschäftsführerin von Jona’s Nahkauf, so: „Gerade ältere Leute freuen sich sehr, wenn man mit ihnen spricht, nachfragt, wie es geht und Ratschläge gibt. Sie verbringen manchmal bis zu einer Stunde bei uns.“

Es gehe beim Einkaufen um Beziehung, nicht nur darum, wie praktisch alles ist, sagt Philadelphia Ecker. „Und man bekommt bei uns viele Dinge, die man im Internet nicht bekommen würde. Handgemachte Sachen, für die ich selbst die Stoffe ausgesucht habe zum Beispiel.“ Anders als im Internet könne man die Ware auch anfassen, fühlen, daran riechen.
Hier findet Begegnung statt
Das sagt auch Verneris Pugzlys, Inhaber des Schokoladenladens und Cafés Six Sinne, der sein Geschäft genau deshalb genau so genannt hat: „Wir haben fünf Sinne, Schokolade spricht einen sechsten an. Das Internet aber nur zwei. Wir können im Internet hören und sehen, aber wir können nicht riechen, schmecken, fühlen.

Bei uns können die Kunden die Schokolade aber auch probieren. Und weil wir so viele verschiedene Schokoladen aus aller Welt haben, fühlt man sich hier auch ein bisschen wie in einer Bibliothek, einer Bibliothek der Schokolade. Hier finden Begegnungen statt. Im Internet bist du immer allein.“

Dass Einkaufen zu Begegnungen führt, hat auch Heide Meissner, Inhaberin des Schuhstudios H, auf ganz besondere Weise erfahren: „Bei mir gibt es auch Randgrößen, zum Beispiel Größe 35, das bekommt man heute im Internet nicht mehr. Und eines Tages kam eine Dame zu mir, die mir erzählte, eine Frau habe ihr vor einem Schaufenster in Bordeaux erzählt, dass es bei Heide Meissner in Überlingen wunderbare Schuhe auch in Größe 35 gebe. Ist das nicht toll?“
Elke Milbli, Filialleiterin des Buchgeschäfts Osiander, sagt: „Beim direkten Einkaufen gibt es keine Anonymität, die zwischenmenschliche Ebene kommt nicht zu kurz. Ich habe einen persönlichen Ansprechpartner, eventuell sogar meinen Lieblingsbuchhändler, zu dem ich dann immer gehe.“

Daniel Frauenfelder, Geschäftsführer bei Sport Schmidt, weist darauf hin, wie wichtig gerade diese persönliche Beratung ist: Ein Skischuh zum Beispiel könne im Internet nicht angepasst werden. „Viele kommen dann zu uns mit Ware, die sie im Internet gekauft haben. Die passen wir natürlich auch an, aber das ist dann, im Gegensatz zu Ware, die bei uns gekauft wird, kostenpflichtig. Am Ende ist das dann sogar teurer.“
Innenstadt lebendig halten
Und nicht zuletzt gehe es auch darum, die Innenstadt lebendig zu halten, das sei die Verantwortung eines jeden Einzelnen. „Wir Einzelhändler sorgen ja auch für Arbeitsplätze, dafür, dass es in der Stadt keine oder weniger Leerstände gibt. Und nicht zuletzt zahlen wir auch Gewerbesteuern, wodurch dann zum Beispiel auch die Kindergärten finanziert werden. Das zahlt der Internethändler alles nicht.“

Je weniger in der Stadt gekauft werde, desto mehr Läden müssten schließen, sagt auch Spektrum-Chef Hansjörg Kübler. „Und je weniger Läden in der Stadt vorhanden sind, desto unattraktiver wird sie. Eine Stadt ist eine gesunde Mischung zwischen Einzelhandel und Gastronomie, wenn der eine schwächelt, geht es dem anderen auch nicht gut. Ich kenne Kunden, die sagen: Dieses oder jenes Geschäft gibt es nicht mehr, also lohnt es sich auch nicht, nach Überlingen zu fahren.“ Genau deshalb sei es wichtig, dass der Einzelhandel erhalten wird.
Ressourcen aus der Region
Und der stärkt häufig wiederum auch Hersteller aus der Region: Lucia Ofori, eine der Leiterinnen des Überlinger Nudelladens, in dem Menschen mit Behinderung arbeiten und der dadurch auch integrativen Charakter hat, sagt: „Unser großes Anliegen ist, dass wir Ware anbieten, die unverpackt ist. Und dadurch versuchen wir auch Kontakte zu knüpfen zu den umliegenden Höfen, damit die Vermarktung auch sehr lokal stattfinden kann.

Es ist uns wichtig, die Region zu stärken und alle Ressourcen, die es rundherum gibt, auszuschöpfen.“ Darauf legt man auch bei Jonas Wert. „Unser Ziel ist, mindestens zehn Prozent regionale Ware anzubieten“, sagt Kerstin Bode. Und übrigens: Wer nicht in den Laden kommen kann, dem wird der Einkauf auch nach Hause gebracht.
Gute Noten für die Innenstadt
Überlingen hat eine vitale Innenstadt. In einer Befragung bewerteten rund 400 Besucher die Qualität in der Altstadt mit der Durchschnittsnote 2,1. Das geht aus einer Studie hervor, die das Kölner „Institut für Handelsforschung“ (IFH) im Auftrag der Stadt Überlingen erstellte.
Das Ergebnis ist eine halbe Note besser als der Durchschnitt aller teilnehmenden 116 Städte. Besonders positiv wurden Flair und Angebote in der Stadt bewertet. Auch der Einzelhandel schnitt bei den Befragten gut ab. Abzüge gab es für hingegen für die Parkmöglichkeiten in die Innenstadt.