Der Begriff „bezahlbarer Wohnraum“ ist mittlerweile allgegenwärtig. Auch in Überlingen suchen Familien oft vergeblich nach einer Bleibe, die sie finanzieren können. Mit der Baugenossenschaft Überlingen (BGÜ) haben Stadt und Gemeinderat für die Bebauung „Nördlich Hildegardring“ einen Deal abgeschlossen, um für eine festgelegte Zahl an Wohnungen ein Belegungsrecht und zugleich unter dem Mietspiegel liegende Konditionen zu bekommen.

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An diesen Randbedingungen orientieren soll sich für eine Ratsmehrheit auch die Bebauung, die Investor „Betz und Weber Baupartner“ auf dem Telekomareal in der Langgasse plant. 30 Prozent der neu entstehenden Wohnungen sollen einer Sozialbindung genügen. Den Antrag hatte Udo Pursche für die SPD-Fraktion als Ergänzung bei der Beratung des aktuellen Entwurfs gestellt. Ebenso muss der Antragsteller „alle Kosten des Verfahrens“ tragen.

Kontroverse Positionen im Gremium

Für Letzteres sprach sich der gesamte Gemeinderat noch einstimmig aus. Bei der Verpflichtung auf eine Sozialquote gab es allerdings kontroverse Positionen, am Ende dennoch eine klare Mehrheit. Für den SPD-Antrag sprachen sich auch die LBU/Grüne und FWV/ÜfA geschlossen aus. Gegen die Auflage einer Sozialbindung votierten fünf Räte, darunter geschlossen die drei FDP-Stadträte. Von den vier anwesenden CDU-Vertretern sprachen sich Günter Hornstein und Michael Allweier für die Sozialbindung, Lothar Fritz und Ulrich Krezdorn dagegen aus. Lob für den SPD-Antrag gab es von Roland Biniossek (Linke), der zudem noch eine „Abschöpfung des Planungsgewinns“ forderte, der durch das geschaffene Baurecht entstehe.

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Zuvor hatte der Ravensburger Architekt Philipp Grath den neuesten Entwurf der geplanten Bebauung westlich des Telekomgebäudes erläutert. Im Vorfeld habe man dazu auch die umgebende Bebauung mit einem Lasergerät insbesondere hinsichtlich der Höhenabwicklung erfasst und einige Korrekturen vorgenommen. „Diese Ungenauigkeiten haben rund eineinhalb Geschosse ausgemacht“, erklärte Grath.

Entwurf entspreche der bisherigen Beschlusslage

Die nun korrekt dargestellte Kubatur der vier Gebäude mit je zweimal zwei und drei Vollgeschossen sei dem Wohngebiet angemessen, betonte der Planer. Die Orientierung habe man bewusst aus der Flucht des großen Telekomgebäudes herausgenommen, erklärte Grath. „Wir versuchen, Querbarrieren zu vermeiden und Blickbeziehungen zu erhalten.“ Der Entwurf entspreche 1:1 der bisherigen Beschlusslage, bestätigte Stadtplaner Thomas Kölschbach, und sei mit den verbleibenden Schneisen in dieser Form „städtebaulich vertretbar“.

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Positiv bewertete Bernadette Siemensmeyer (LBU/Grüne), dass der Entwurf nicht nur dem mobilen Gestaltungsbeirat vorgestellt und dessen Empfehlung eingeholt, sondern dass diese Besprechung für Interessenten auch öffentlich stattfinden werde. Es stelle sich aber noch die Frage, ob man sich nicht planerische Gedanken für das weitere Umfeld machen sollte. „Die Anordnung der Gebäude ist in Ordnung“, befand Raimund Wilhelmi (FDP). Wilhelmi und seine Fraktionskollegen widersprachen der SPD-Forderung nach einer Sozialquote bei der Bebauung.

Ist die Definition zu schwammig?

Man könne nicht einfach über das Geld des Investors entscheiden, erklärte Reinhard Weigelt. Eine „städtebauliche Verbesserung“ erkannte auch Robert Dreher (FWV/ÜfA), stellte allerdings die Maßstäblichkeit „in Richtung Espach“ infrage. Wie Dreher fand auch Günter Hornstein (CDU) die Defintion der Sozialbindung zu „schwammig“ und hatte ein „ungutes Gefühl“, diese exakt nach den Kriterien für die Baugenossenschaft Überlingen festzusetzen. Dies sei nicht so einfach wie im SPD-Antrag dargestellt, erklärte Hornstein. Er plädiere ebenfalls für die Marschrichtung einer 30-Prozent-Sozialquote, doch müssten die „näheren Regelungen“ noch vereinbart werden. Der von Oberbürgermeister Jan Zeitler vorgeschlagenen Formulierung einer „Orientierung“ an den BGÜ-Kriterien folgte schließlich die Mehrheit.

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Dass er über diese Auflage nicht besonders erfreut war, machte Hans-Peter Betz deutlich. Die Mietvertragskonditionen für die Vereine im Telekomgebäude seien „ohne Sozialquote kalkuliert“, gab Betz zu bedenken. „Ich kann auch anders kalkulieren. Das ist kein Problem. Ich kann auch mit Sozialquote kalkulieren.“ Dieser Wink konnte Jan Zeitler gar nicht gefallen. „Herr Betz, wir hatten dieses Thema schon häufiger: Es finden hier keine Koppelungsgeschäfte statt“, insistierte Zeitler. „Das eine darf bei der anderen Sache keine Rolle spielen.“ Es gehe darum, über einen Antrag zu entscheiden.

Anwohner kommen in der Sitzung zu Wort

  • Das Bemühen von Verwaltung und Gemeinderat, die Kritiker der Bebauung beim Telekomgebäude an der Langgasse mitzunehmen, und den Planungsprozess transparent zu machen, war in der letzten Sitzung des alten Gemeinderats regelrecht spürbar. Den Wunsch, zu dem Tagesordnungspunkt eine Stellungnahme der Anwohner-Initiative abzugeben, hatte deren Sprecher Christian Greiter schon in der Bürgerfragestunde deutlich gemacht. Als „sachkundiger Bürger“ könne er zwar nicht gelten, ordnete Oberbürgermeister Jan Zeitler diesen Vorstoß ein. Als Vertreter der Initiative könne er dennoch angehört werden, sofern der Gemeinderat diesem Anliegen auch zustimme. Greiter bekam vom Oberbürgermeister schließlich drei Minuten Zeit, um das Anliegen zu formulieren.
  • Er spreche für die ganze Interessengemeinschaft Langgasse mit insgesamt 80 Personen, erklärte Greiter, deren Wünsche er darlegen wolle. Dazu gehöre unter anderem die Aufstellung eines Bebauungsplans mit einem „durchdachten Gesamtkonzept“, für das eine Umweltverträglichkeitsprüfung „dringend notwendig“ sei. Schon das bestehende Telekomgebäude sei mit 80 Mal 20 Metern „sehr dominant“ und dürfe daher auf keinen Fall erhöht werden. Die Neubauten müssten sich in die Umgebung einfügen, das Stadtbild dürfe sich nicht verändern.
  • Es müsse der Nachweis geführt werden, dass auch nach der Teilung des Grundstücks das Maß der zulässigen Bebauung und die höchstzulässige Grundflächenzahl 0,4 nicht überschritten werde und die nachgewiesenen Stellplätze ausreichten. In die Planung möge zudem die „städtebauliche Klimafibel“ ihren Niederschlag finden. Eine Reduzierung der Straßenbreite zugunsten von Parkplätzen wäre aus Sicht der Anwohner sowohl im Kuchelmannweg als auch im Franz-Sales-Wocheler-Weg eine Gefahr, sagte Greiter.