Die Stadt Überlingen, beziehungsweise der Spenden- und Spitalfond, plant den Bau eines neuen Pflegezentrums. Bis zum Jahr 2023 sollen 123 Pflegeplätzen entstehen, als Ersatz für das Pflegeheim Sankt Ulrich. Das ist beschlossene Sache. Jetzt geht es um die Frage, für welche Art der Nutzung sich die Stadt eine Erweiterungsfläche sichert: Für Pflegeplätze, wie es die Stadtverwaltung vorsieht? Oder auch für ein stationäres Hospiz, wie es der Gemeinderat fordert?
Im Gegensatz zur Stadtverwaltung besteht der Gemeinderat darauf, die Möglichkeit zum Bau eines Hospiz' langfristig zu sichern. CDU-Fraktionssprecher Günter Hornstein brachte einen entsprechenden Antrag in den Gemeinderat ein, der im Gremium auf eine breite Mehrheit stieß. Die Sterbebegleitung in einem Hospiz finde immer größere Bedeutung. Das Pflegezentrum biete dafür die nötigen Synergien wie Küche oder Wäscherei. FDP-Sprecher Raimund Wilhelmi argumentierte, dass ein Krankenhaus im Vergleich zu einem Hospiz keinen würdigen Rahmen für den Sterbeprozess biete. Robert Dreher (FWV/ÜfA) empfahl, alle relevanten Akteure für die weitere Diskussion an einen Tisch zu holen, und nannte dabei unter anderem den Hospizverein, die Ernie-Schmitt-Hospizstiftung (beide aus Überlingen) und die Kostenträger.
Wie bewertet die AOK als möglicher Kostenträger den Bedarf? Dazu Roland Beierl, der Geschäftsführer der AOK Bodensee-Oberschwaben: "Ich persönlich sehe in Anbetracht der demographischen Entwicklung einen wachsenden Bedarf an palliativer Versorgung insgesamt und natürlich auch im Einzugsbereich von Überlingen" (siehe Interview).
Laut Stadtverwaltung bestehe ein unnötiges finanzielles Risiko, der Bedarf sei doch bereits durch das Hospiz in Friedrichshafen abgedeckt. Wie Kämmerer Stefan Krause den Räten erläuterte, sei eine Mindestgröße von acht Plätzen verpflichtend, die als eigenständige Einrichtung geführt werden müssten. Da die mit den Kassen ausgehandelten Pflegesätze in der Regel nicht kostendeckend seien, könne sich der Eigenanteil des Trägers auf 20 bis 30 Prozent summieren, 10 bis 15 Tausend Euro pro Platz und Jahr.
OB Jan Zeitler ging auf die Diskussion um ein Hospiz nicht näher ein, sondern betonte, dass der Bau des Pflegezentrums "oberste Priorität" für ihn habe. In diesem Zusammenhang kritisierte er den Beschluss der Räte, die sich mit 17 zu 7 Stimmen dafür aussprachen, dem Pflegezentrumbau einen Architektenwettbewerb vorzuschalten. Sie wünschten eine breite Auswahl und sind deshalb dazu bereit, ein halbes Jahr Zeit und rund 120 000 Euro zu investieren. Nachdem der Rat sich noch im Dezember für ein anderes Verfahren entschieden hatte, das keinen Wettbewerb vorsah, warf Zeitler dem Gremium "Zurückrudern" vor und kommentierte: "Das ist zum Verzweifeln."
Die Landesheimbauverordnung Baden-Württemberg schreibt vor, dass bis zum 31. August 2019 alle Pflegeheime in Baden-Württemberg ihre Doppelzimmer in Einzelzimmer umwandeln müssen. Gleichzeitig sollen Wohngruppen geschaffen werden. Das ist baulich im Haus St. Ulrich nicht möglich. Deshalb wurde die Entscheidung für einen Neubau getroffen. Es gebe jedoch die Möglichkeit, Übergangsfristen zu beantragen. Für die Fristverlängerung sei ein Antrag beim Landratsamt des Bodenseekreises als zuständiger Heimaufsicht zu stellen, teilte die Stadtverwaltung auf Anfrage mit. Ob die Fristverlängerung gewährt wird und wie lange diese ausfällt, sei noch nicht entschieden.
In einer alternden Gesellschaft rechnet AOK-Chef Beierl mit einer steigenden Bedarfszahl
Fragen an Roland Beierl, Geschäftsführer der AOK Allgäu-Oberschwaben.
Woraus bemisst sich der Bedarf nach einem stationären Hospiz?
Die Bedarfszahlen, mit denen in Deutschland häufig gearbeitet wird, basieren auf einem Verhältnis von einem Hospizplatz für 50.000 bis 60.000 Einwohner. Festgelegte und damit verbindliche Bedarfszahlen gibt es jedoch nicht. In Anbetracht der demografischen Entwicklung ist aber mit einer höheren Bedarfszahl zu rechnen.
Wäre Überlingen in Ihren Augen ein geeigneter Standort, bzw. der Bedarf dort vorhanden?
In Überlingen und im Einzugsgebiet von Überlingen gibt es derzeit keine stationäre Hospizversorgung. Vorhandene Hospizeinrichtungen sind lediglich in Friedrichshafen, Ravensburg und Wangen zu finden. Der konkrete Bedarf ist von zukünftigen Betreibern eines Hospizes zu beurteilen.
Inwiefern spielt bei dieser Einschätzung der relativ hohe Altersdurchschnitt der Bevölkerung von Überlingen eine Rolle?
Wohl eher eine untergeordnete. Das Einzugsgebiet eines Hospizes ist in der Regel nicht kommunal, sondern regional zu verorten.
Sie als AOK sind federführend bei den Pflegesatzverhandlungen für das Pflegezentrum in Überlingen – insofern an Sie die Frage, ob die AOK sich auch eine Kostenübernahme für ein stationäres Hospiz in Überlingen vorstellen könnte?
Die AOK übernimmt die Koordination, da sie flächendeckend und regional aufgestellt ist und somit als persönlicher Ansprechpartner zur Verfügung steht. Die Zulassung als Vertragspartner und somit eine Kostenübernahme im Rahmen der rechtlichen Rahmenbedingungen ist gegeben.
Oder anders gefragt: Wäre die Finanzierung am Standort Überlingen gesichert?
Die Finanzierung von Hospizen ist gesetzlich geregelt und erfolgt in Form eines täglichen Bedarfssatzes je Bewohner. Die Kranken- und Pflegekassen übernehmen 95 Prozent des vereinbarten täglichen Bedarfssatzes. Die restlichen 5 Prozent sind als Eigenleistungsquote durch das Hospiz in Form von Spenden und sonstigen Zuwendungen aufzubringen.