
Mit dem Zug von Überlingen via Hamburg nach Hirtshals in Dänemark. Von dort mit der Fähre nach Norwegen, weiter mit dem Zug via Oslo und Trondheim nach Bodø, das liegt weit über dem Polarkreis. Von hier aus ging‘s auf der alten Postschiffroute zu den Inseln. Diese Anfahrt dauerte rund vier Tage – ein Flug hätte nur wenige Stunden gedauert.

War das schon eine Fernreise? Wie weit muss man fort von daheim, um sich auf einer Fernreise zu befinden? Seit Fernreisen in der Klimadebatte in Verruf geraten sind, kann man sie entweder ganz von der Wunschliste streichen und sein Ökogewissen schonen, oder man tritt sie klimafreundlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln an. Fernreisen im ÖPNV? Geht das? Ja, wir haben es mit unserer Familie, zwei Kinder im Alter von 14 und 11 Jahren, getestet.

Die norwegischen Inselgruppen Lofoten und Vesterålen waren schon lange unser Ziel. Die weißen Strände dort, vor schroffen und senkrecht aus dem Wasser ragenden Felsen. Türkis schimmerndes Wasser wie in der Karibik, nur eisig kalt. Wandern wie im hochalpinen Gebiet, tatsächlich aber auf Meereshöhe. An Bewuchs vor allem Moos, Flechten, Preiselbeerbüsche und niedrige Birken, der Nordpol ist nicht mehr weit.

Nur dünn besiedelt
Landwirtschaftlich gibt es auf den Inseln im Europäischen Nordmeer nicht viel zu holen, deswegen wurden sie von Menschen kaum verformt und sind nur dünn besiedelt. Hier können Wale besichtigt werden, auch Papageientaucher. Und vor allem: Hier geht um den 21. Juni herum über Wochen hinweg die Sonne nicht unter.

In diesem Jahr gab es wegen der extrem spät liegenden Pfingstferien die größte Chance, die Mittsommernacht zu erleben. Goldenes Licht um Mitternacht. Der Sonnenuntergang im Westen geht übergangslos in den Sonnenaufgang im Westen über und schafft ein Licht von einer Wärme, wie man es bei uns in Mitteleuropa nicht kennt.
Nachts im Sonnenschein am Strand
Wir spazieren nachts um 2 Uhr im Sonnenschein am Strand, wir verlieren jegliches Zeitgefühl, das Bedürfnis nach Schlaf lässt rapide nach und die biologische Uhr gerät aus den Fugen wie bei Jugendlichen, die in der Disco die Nacht zum Tag machen.

Wer auf dem Globus mit dem Finger über den Breitengrad fährt, auf dem die Lofoten und erst recht die Vesterålen liegen, der landet in Grönland, in Alaska oder in Sibirien. Zwischen hier und dem Nordpol gibt es nur noch Spitzbergen und das offene Meer.

Der Golfstrom kommt vorbei
Doch so kalt wie in den anderen Regionen des Arktischen Ozeans ist es auf den norwegischen Inseln nicht. Das Meer rund um die Inseln bleibt ganzjährig eisfrei. Das liegt am Golfstrom, der hier vorbeizieht.

Genügen zwei Wochen Schulferien?
Die Frage vorab lautete, ob uns zwei Wochen Schulferien tatsächlich genügen würden, um so hoch in den Norden zu reisen? Google Maps zeigt als schnellste Route von Überlingen bis nach Andenes die Straßenstrecke von 3239 Kilometern an, beziehungsweise 38 Stunden mit dem Auto an. Pausen sind hier ja noch gar nicht einkalkuliert. Also doch das Flugzeug nehmen?
51 Stunden Fahrt
Wir entschieden uns für eine Variante mit Zug und Schiff. Google Maps kalkulierte grob mit 51 Stunden. Das klingt furchtbar lang, war für uns aber aus einem entscheidenden Grund machbar: Wir erklärten den Weg zum Ziel.

Letztlich nehmen An- und Abfahrt jeweils vier Tage in Anspruch, so dass uns eine Woche auf den Inseln übrig bleibt. Wir nutzen die Nächte, um voranzukommen und sparen uns damit Übernachtungskosten. Außerdem sinkt der Preis für die berüchtigt teuren Inseln, weil der Aufenthalt dort durch die lange Anfahrt kürzer wird. Ja, so kann man sich den Klimaschutz auch schönreden.
Zwischenstopps an schönen Orten
Aber tatsächlich: Die tagelange Anfahrt geht nur mit Zwischenstopps. Diese legten wir auf dem Hinweg in Hirtshals ein, mit einem Besuch in Nordeuropas größtem Aquarium. Und auf dem Rückweg gab es einen Zwischenstopp in Oslo, dessen Opernhaus für sich genommen eine Reise wert wäre.
Zwei Abschnitte unserer Anreise müssen besonders erwähnt werden, um zu verstehen, warum unser langer Weg für sich genommen ein Ziel gewesen ist. Die Bahnfahrt von Kristiansand, ganz im Süden Norwegens, bis nach Bodø, dem nördlichsten Punkt im Streckennetz der norwegischen Eisenbahn. Und von Bodø die Weiterfahrt mit dem Hurtigrutenschiff, das gewissermaßen auch zum ÖPNV gezählt werden kann.
Die Entfernung wird erfahrbar
Die Fahrt mit der Norwegischen Eisenbahn, in Summe gut 23 Stunden lang, zählt zu den längsten Streckenabschnitten in Europa. Nur zweimal muss umgestiegen werden, in Oslo und in Trondheim. Die Fahrt führt entlang der Fjorde, durch Wälder und über weite Flächen, die immer karger werden. Nie haben wir besser erfahren, und das im wörtlichen Sinne, wie weit weg von daheim uns eine Reise führte.
Gletscher und Flüsse ziehen an unserem Fenster vorbei, einmal ein Tier so schnell, dass wir nicht sagen konnten, ob es ein Rentier oder ein Moschusochse war. Elche haben wir leider keine entdeckt, aber wahnsinnig viel Zeit zum Nichtstun gefunden. Im Vergleich zu Urlaubsfahrten mit dem Auto mussten wir keine Rasthöfe aufsuchen, sondern konnten uns jederzeit im Zug die Füße vertreten, und wir hatten das Restaurant, die Toilette, und das Bett an Bord.
Gestärkte weiße Laken
In Trondheim besteigen wir den Nachtzug, gestärkte weiße Laken, ein Stückchen Schokolade liegt als Betthupferl auf dem Kopfkissen. Es schaukelte sanft, es ratterte rhythmisch, wir fahren im kuscheligsten Gästebett durch die Nacht, in der es jetzt schon nicht mehr dunkel wird – unbemerkt haben wir den auf dem 66. Breitengrad liegenden Polarkreis überquert.

Ankunft mit dem Zug nach viertägiger Tour in Bodø. Abfahrt in Überlingen war am Freitagabend, Ankunft in Bodoe am Dienstagmorgen um 9.18 Uhr, auf die Minute pünktlich – und vor allem: ausgeschlafen! Die Stadt liegt auf dem 67. Breitengrad, die Mittsommernacht dauert hier vom 2. Juni bis zum 10. Juli. Die Bahnstrecke wurde in den 60-er Jahren eröffnet, in Bodø liegt die Endstation. Strategisch für unsere Reise der ideale Ort, denn hier legen die Hurtigruten an.

Andere Touristen, die mit dem Flugzeug anreisen, landen meistens auch hier und nehmen das Schiff, weil ein Weiterflug auf die Lofoten teuer wäre. Bis hierher liegen die Kosten für Flug oder Zug in etwa gleich.
Auf der alten Postschiffroute
Die Postschiffe der Hurtigruten verkehren in einem täglichen Kurs zwischen Bergen über das Nordkap bis nach Kirkenes. Man steigt, wie in den Bus, einfach auf das Schiff, ohne Voranmeldung, und fährt bis zur nächsten „Haltestelle“.
Kreuzfahrten wären zwar (noch) nicht unser Ding, und klimatechnisch stehen sie auch eher auf dem Index. Aber die gut fünfstündige Überfahrt von Bodø (Festland) nach Svolvaer (Lofoten) nutzen wir, um für ein paar Euro eine Schnupper-Kreuzfahrt zu unternehmen, in einem für Kreuzfahrtschiffe kleinen Kahn, der in Norwegens engen Fjorden noch navigierbar ist.
Sauna im Schiffsbauch
Uns gefällt das: Das Oberdeck ist rundum verglast, den Passagieren wird das Gefühl vermittelt, als stünden sie selbst auf der Brücke und führten das Kommando. Im Stockwerk darunter gibt es am Buffet Moltebeeren oder Stockfisch. Weiter drin im Schiffsbauch steht auch uns, die wir keine Kabine gebucht haben, eine Sauna zur Verfügung.
Das Flugzeug für den Sprung von Bodø auf die Lofoten wäre kohlendioxidhaltiger gewesen. Eine andere Möglichkeit als mit Flugzeug oder Schiff gibt es nicht. Und so erklären wir auch hier den Klimaschutz zum Event. Nicht eingepfercht in einem Flugzeug, sondern gemächlich auf die Lofotenwand zuschippernd, erreichen wir unser Ziel. Schon da waren wir so reich an Eindrücken, dass für den nun folgenden Urlaub nichts mehr schief gehen konnte.
Ankunft in Svolvaer
In Svolvaer, der größten Stadt der Lofoten (rund 4500 Einwohner) steigen wir von Bord der MS Finnmarken und steigen um in ein Wohnmobil, das wir über Airbnb von Privat mieteten. Der Preis lag unter der Summe für einen Mietwagen plus Ferienwohnung. Günstiger und konsequent für unsere Tour wären Zelt und Linienbus gewesen. Wie sich dort herausstellte, wäre das sogar gut machbar. Die Nordlandbusse verkehren regelmäßig auf den schönsten Routen.
900 Kilometer im Womo
Mit unserem Wohnmobil legten wir eine Strecke von fast 900 Kilometern zurück und erreichten damit zwischen Å (der Ortsname besteht tatsächlich nur aus einem Buchstaben) im Süden der Lofoten und Andenes im Norden der Vesteralen (Walsafari) innerhalb einer Woche alle wichtigen Punkte. Wir waren in Bleik (Vogelinsel) und in Henningsvaer (Stockfisch), in Reine (bezaubernd rote Häuschen) und besuchten die zwei Strände von Haukland und Utakleiv. Außerdem machten wir zum Wandern in Leknes am Ende des Rolfsfjorden Station und in Digermulen, wo wir von Land aus beobachteten, die das Hurtigruten-Schiff den engen Trollfjord ansteuerte.

Wer in Nordnorwegen die Mittsommernacht bei Sonnenschein erleben möchte, für den steigen die Chancen mit jedem Kilometer, den man weiter nach Norden fährt. Natürlich. Aber dass die Tage, an denen die Sonne gar nicht mehr untergeht, so viel mehr werden, wurde uns erst auf den Vesteralen bewusst. Am Polarkreis geht sie zur Sommersonnenwende für einen Tag nicht unter. In Bodø schon für 35 Tage nicht und in Andenes ganze 61 Tage nicht.
Walsafari ab Andenes
In Andenes können Walsafaris gebucht werden. Wir verließen uns auf den Anbieter Hvalsafari AS, dem „Whale & Dolphin Conservation Society“ (WDCS) bescheinigt wurde, der weltweit beste Anbieter arktischer Walsafaris zu sein. Warum, das erfuhren wir auf hoher See, als wir mit dem Motorschiff über die Wellen glitten. Zuvor jedoch lernte ich Trude Morkved kennen, die auf der Vesteralen-Insel Senja Walsafaris organisiert, aber vorwiegend im Winter, weil da Orksas in großer Zahl den Hering-Schwärmen in die Fjorde folgen. Die von uns erwartete Pottwal-Beobachtung sei im Vergleich dazu langweilig, sagte sie. Der riesige Wal zeige nur einen Teil seines Rückens, während er Luft holt, und einmal beim Abtauchen kurz seine Schwanzfluke.

425 Euro falsch angelegt?
Sollten die fast 425 Euro für die weltbeste Walsafari, die wir für unsere vierköpfige Familie bereits von Deutschland aus überwiesen hatten, falsch angelegtes Geld gewesen sein? Wir trösteten uns mit dem Gedanken, dass die Walbeobachtung den norwegischen Walfängern mehr Geld durch Touristen einbringt als durch den Walfang, weshalb unsere Tour letztlich dem Schutz der Wale dienen würde. 15 Kilometer vor der Küste, in internationalem Gewässer, unter uns das bis zu 1000 Meter tiefe Nordpolarmeer, in dem eurasische und amerikanische Erdplatte aufeinander treffen, stellt sich heraus, dass die Crew auf der Brücke ihr Wissen der ehemaligen Walfänger nicht verlernt hat. „Wir haben Orcas gesichtet“, teilten sie mit. In den Weiten des Ozeans eine Gruppe von fünf bis zehn Tieren zu finden, das grenzte an ein Wunder.
Orcas!
Diese weiß-schwarzen Wale aus der Gruppe der Delfine, die auch als Killer- oder Schwertwale bezeichnet werden, oder auf norwegisch Spekkhogger, weil sie den Pottwalen buchstäblich den Speck vom Leib fressen, umkreisen neugierig unser Boot, lassen sich in ihrem Spiel beobachten, ihrem Sozialverhalten als Gruppe, indem sie paarweise eng aneinander geschmiegt auf und abtauchen. Um das Boot herum und unter ihm hindurch. Gut eine halbe Stunde lang, auf dem mit rund 40 Besuchern besetzten Boot macht sich nach der ersten Aufregung andächtige Stille breit. Als die Orcas den Kopf aus dem Wasser streckten, um sich einen Überblick über die Lage über dem Wasserspiegel zu verschaffen, umarmt eine der begleitenden Biologinnen ihre Kollegin.

Später stellt sie sich als Christina vor, eine Deutsche, die „immer etwas mit Walen machen wollte“ und deshalb Biologie studierte. Nun, seit gut drei Wochen, ist sie auf dem Schiff. Aber Orcas hat sie bisher noch nie gesehen, es ist ihre erste Begegnung mit Orcas überhaupt. Diese Tiere in dieser Region im Sommer anzutreffen, sei eine absolute Seltenheit. Und noch seltener ist es offenbar, dass sie den Kopf aus dem Wasser strecken.
Das bestätigte auch der Argentinier German Gonzales, den wir ein paar Tage später auf unserer Reise kennenlernten. Gonzales war auf die Lofoten gereist, um die Küste im Kajak zu erkunden. Im argentinischen Sommer begleitet er Kajaktouren vor Patagonien und am Südpol, für Walbeobachtungen. „No“, sagte Gonzales, so oft er Orcas auch schon gesehen habe, dass sie den Kopf aus dem Wasser streckten, sei ihm bislang nicht vergönnt gewesen.
Viel Wetterglück
Wir hatten auf unserer Tour in vielerlei Hinsicht Glück. Beim Wetter beispielsweise, das uns sechs Tage lang, oder 140 Stunden am Stück, Sonne bescherte. Die Temperaturen lagen um die 12 bis 16 Grad, teils wehte ein eisiger Wind, der ungebremst vom Nordpol her wehen konnte. Wir trugen Wollhemden und Mütze, teilweise auch Handschuhe. Im Wohnmobil war es stets warm genug, auch „nachts“, weil es von der Sonne beschienen wurde. Erst am siebten Tag, als wir zum ersten Mal den Scheibenwischer an dem über 30 Jahre alten Gefährt betätigen mussten und die Gasheizung anschalten wollten, stellte sich heraus, dass sie gar nicht funktionierte.

Alternativprogramm Papageientaucher
Glück auch, dass sie Walsafari wegen eines Sturms mit Windstärken von 7 und 8 verschoben werden musste und wir für diesen einen Tag ein Alternativprogramm suchten. Wir entschieden uns für eine Puffin-Safari in Bleik. Bleik liegt 5 Autominuten südlich von Andenes.
Auf einer ufernahen kegelförmigen Insel leben nach Angaben des Bootsführers rund 80.000 Papageientaucher (Puffins), die in Schwärmen ums Boot flatterten. Mit ihren kurzen Flügelchen sieht das lustig aus. Wie der Kapitän erklärte, sind die Vögel mit ihren kräftigen Schnäbeln bessere Taucher als Flieger. Aus bis zu 100 Metern Wassertiefe holten sie ihr Futter – während sie wiederum eine leichte Beute sind für die vier Weißkopfseeadler, die auf der Bleik-Insel ihr Revier einrichteten.
Das Wort Bleik steht auf Norwegisch für bleich, meint aber, nach der altnorwegischen Herkunft, weißes Licht. Wer im goldenen Licht der unter- und gleichzeitig aufgehenden Sonne über den weißen Sandstrand läuft, der weiß, dass der Ort zu Recht so heißt. „Nachts“, die Natur tut kein Auge zu, fliegt nun auch noch ein Austernfischer krächzend vor die Kameralinse.
Was bekommt man fürs Geld?
Norwegen gilt als teures Land und scheidet deshalb für viele Familien von vorne herein als Reiseziel aus. Hier lohnt sich eine nähere Betrachtung. Und zunächst ein Blick in unseren Einkaufswagen. Der war gefüllt mir Brot, Käse, Gemüse, Chips, Popcorn und einer Ausgabe der Tageszeitung Aftenposten. Für 1300 Kronen, umgerechnet rund 130 Euro, bekamen wir einen so gut gefüllten Einkaufswagen, dass wir damit eine knappe Woche leben konnten.

Ein paar Tüten Fertiggerichte hatten wir im Rucksack noch aus Deutschland mitgebracht. Kulinarisch waren damit keine Höhenflüge erwartbar, aber als Camper is(s)t man eh nicht wie ein König. Zwischendurch gibt es an vielen Ecken oder in der Tankstelle einen Hot-Dog, einen Pølser, wie die Norweger ihn bezeichnen, für erstaunlich günstige zwei bis drei Euro. Ein Kaffee im Restaurant kostet 2,50 bis 4 Euro und einen „Rosinen-Boller“, ein satt machendes Hefegebäck, schon ab 30 Cent. Das Bier im Supermarkt war für 4,70 Euro als Six-Pack erhältlich, wohlgemerkt alkoholfrei. Mit Alkohol hätte es gut das Fünffache gekostet, was an den hohen Steuern auf Alkohol liegt.

Preistreiber Alkohol
Ja, wer Alkohol braucht, für den ist Norwegen teuer. Wer darauf verzichten kann und gegenrechnet, dass Übernachtungskosten beim Campen wegen großzügig gewährten Jedermannsrechts gar keine anfallen, für den wird Norwegen vergleichsweise günstig. Man darf auch sein Wohnmobil für eine Nacht jeweils dort abstellen, wo es gerade am schönsten ist. Wenn man alle paar Tage dann doch eine Dusche benötigt, eine Waschmaschine, einen Stromanschluss zum Aufladen der Fotobatterien oder einen Internetzugang, und deshalb einen Campingplatz ansteuert, der an den noch schöneren Plätzen liegt, staunt darüber, dass die Preise immer noch im Bereich eines französischen Municipal liegen – für uns vier jeweils nicht mehr als 30 bis 32 Euro.
Öl: Gut fürs soziale Klima
Den Liter Diesel tankten wir für 1,54 Euro. Das Öl dafür kommt aus Norwegen, wird hoch besteuert und ist einer der Hauptgründe für den relativen Wohlstand in Norwegen. Rune Tubbehaugen lebt auf der nordnorwegischen Insel Senja. Er arbeitet als Verkaufsvertreter, Saalgsrepresentant, für Frisörbedarf. Dem Ölvorkommen verdanken Norwegen seinen funktionierenden Sozialstaat, dem wiederum es zu verdanken sei, dass die Norweger beim Glücklichkeits-Index weltweit jeweils sehr gute Werte erhalten. Wir als Touristen profitierten insofern davon, als dass wir bei jeder Begegnung auf wohltuend zufrieden wirkende Menschen stießen. Während der ganzen Reise sahen und hörten wir kein einziges Mal einen Polizisten, vielleicht sind sie auch nicht nötig.
Gesittete Straßenverhältnisse
Der Vermieter unseres Wohnmobils riet uns, den Schlüssel stecken zu lassen. „Das Zündschloss ist der sicherste Ort, damit der Schlüssel nicht verloren geht“, sagte Kuba, ein aus Polen stammender Fotograf, der uns via Airbnb für rund 700 Euro für eine Woche sein Wohnmobil anvertraute. Nur wichtig sei es, so sein Tipp, wegen der abgefahrenen Reifen bei Regen nicht schneller als 70 zu fahren, und wir sollten uns an die Tempolimits halten. Denn wenn wir irgendwo geblitzt würden, könne der Norwegenurlaub teuer werden. Kuba findet die strengen Regeln aber gut. „Letztes Jahr wurde in ganz Norwegen kein Kind tot gefahren“, sagte er bei der Übergabe des Wohnmobils.
Sommer/Winter im Alltag
Haarfestiger-Vertreter Rune Tubbehaugen fährt jährlich rund 70 000 Kilometer mit dem Auto durch Nordnorwegen, sein Verkaufsgebiet. Wie er sagt, schätze er am Leben über den Polarkreis die krassen Gegensätze von Mittsommernacht und Nordlicht, von Sommer und Winter, von dauernd aktiv und gemütlich ruhend. Wenn eine Passstraße gesperrt ist oder eine Fähre im Wintersturm den Hafen nicht verlässt, miete er sich eben in einem Hotel ein und niemand empfinde das als Problem, niemand mache Hektik. Man lebt mit und in der Natur, berichtet er.
Für die Norweger sei es völlig normal, bei zwölf Grad draußen am Grillfeuer zu sitzen. „Das ist keine Frage des Wetters, nur der richtigen Kleidung“, sagte er, als wir auf dem Campingplatz in Bleik unsere im Dorfladen gekauften Würstchen auf seinen Grill legen durften. So lernten wir uns kennen, weil wir es bei Windstärken von 7 und 8 nicht schafften, selbst ein Feuerchen zu machen.
Debatte zum Klimawandel
Bei einem Bier für 8 Euro unterhielten wir uns über den Klimawandel, das Thema, das auch in Norwegen omnipräsent sei, wie er sagte. Den Klimawandel hätten sie im letzten Sommer, unserem in Mitteleuropa trockensten und heißesten Sommer, als den kältesten und verregnetsten seit vielen Jahren erlebt. Der letzte Winter sei erst schneearm und dann spät im Winter als extrem schneereich übers Land gezogen.
Klimapolitisch befürwortet er den Bau von Windkraftanlagen. Er kennt in diesem Zusammenhang aber auch die Diskussionen um den Vogelschutz. Was bei uns der Rotmilan, ist in Norwegen der streng geschützte Weißkopfseeadler.
Sozialpolitisch befürwortet Rune Tubbehaugen die Förderuung von Öl. Doch zugleich hoffe er, dass sich die Lobby der Fischer durchsetzt und der norwegische Staat in den nächsten Jahren keine Lizenz zum Bohren nach Öl vor den Lofoten und den Vesteralen erteilt. Eine Öl-Katastrophe wie vor Alaska würde ihren Schatz, der aus unberührter Natur besteht und einem funktionierenden Ökosystem, in dem noch Wale leben, zunichte machen. Dass wir mit dem Zug auf den weiten Weg nach Nordnorwegen gingen, findet er gut.
Bei der Rückfahrt ab Svolvaer erleben wir zum letzten Mal die helle nordische Nacht. Ankunft in Bodø, morgens um drei. Es ist der 21. Juni.
Lofoten und Vesterålen
- Lage: Die in Nordnorwegen liegenden Inselgruppen befinden sich 150 bis 350 Kilometer über dem Polarkreis.
- Geld: Norwegen zählt nicht zum Euro-Raum, hier bezahlt man mit der Norwegischen Krone, Umrechnungsfaktor 1 (Euro) zu 10 (Kronen).
- Route: Die Norwegische Landschaftsroute Lofoten verläuft zwischen Å und Raftsundet (E10) mit Abstechern in kleine Fischerdörfer. Übersetzen vom Festland ab Bodø nach Stamsund oder Svolvaer möglich.
- Anreise: Planung über http://www.vy.no(Norwegische Staatsbahn) und http://www.hurtigruten.de. Anregungen: http://www.visitnorway.de(vom norweg. Wirtschaftsministerium beauftragt)