Für Siegbert Ruf, "Turnvater" von Überlingen, erfüllte sich am Montagabend ein viele Jahre alter Traum: Der Bau einer Geräteturnhalle rückt in greifbare Nähe, der Gemeinderat fasste einen entsprechenden Beschluss. Er ist Teil eines rund 22,6 Millionen Euro teuren Gesamtprojekts, dem Bau eines neuen Sportzentrums auf dem Schulgelände, den Stadtrat Ralf Mittelmeier (Freie Wähler) mit diesen Worten zusammenfasste: "2000 Schüler und 4000 Eltern warten darauf."
Sie warten seit Jahren darauf, denn die Halle entsteht als Ersatz für die seit Ostern 2013 geschlossene und späte abgerissene Sankt-Johann-Turnhalle (3-Feld-Halle). Als "untragbaren Zustand" bezeichnete Oberbürgermeister Jan Zeitler die momentane Situation, in der Schüler auswärts Sportunterricht erhalten. Mit Blick auf die Bausumme sagte er: "Ja, da kann man nachts schon mal aufwachen und sich Gedanken machen über so viel Geld. Ich kann Ihnen die Sorge aber nehmen, denn es handelt sich um eine Investition, um die diese Stadt nicht umhin kommt."
Das neue fünfteilige Sportzentrum (vier Sportfelder plus Turngerätehalle) entsteht nicht nur als Ersatz für die Realschulturnhalle, sondern auch für die noch abzureißende Gymnasiumhalle (2-Feld-Halle), die im Zuge eines Gymnasium-Neubaus weichen muss. Somit entschied sich der Rat in seiner Sitzung am Montag zum ersten Schritt für eine größere Strecke, an deren Ende ein neuer Schulcampus entstehen soll, mit neuem Gymnasium, sanierter Realschule und neuem Musentrakt (Mensa und Bibliothek). Die Gesamtkosten lagen nach den letzten Berechnungen bei 52 Millionen Euro. Wobei in der Ratssitzung Zweifel aufkamen, ob das Geld reichen würde. Dazu OB Zeitler: "Ob wir uns die Mensa leisten können, das können wir an anderer Stelle trefflich diskutieren."


Die im Raum stehenden 22 Millionen Euro beinhalten eine Sicherheitsreserve von 15 Prozent und den Bau einer Kletterhalle. Die Kletterhalle für 1,9 Millionen Euro wird nur gebaut, wenn sie der Deutsche Alpenverein selbst bezahlt. Wie DAV-Sektionsvorsitzender Klaus Haberstroh im Gespräch mit OB Zeitler am Montag sagte, könne der Alpenverein 1,4 Millionen Euro aus eigenen Mitteln bestreiten. Von den Gemeinderäten erfolgte in der Sitzung am Montag nicht das Signal, dass eine Mehrheit bereit dazu wäre, aus städtischen Mitteln das Delta von 500 000 Euro aufzufüllen. Zeitler gab hier die Richtung vor: Die Stadt müsse sich auf ihre Pflichtaufgaben konzentrieren, eine Freiwilligkeitsaufgabe wie den Bau einer Kletterhalle könne sich Überlingen nicht leisten. Als Beleg zitierte er einen Brief der Rechtsaufsichtsbehörde (RP Tübingen) vom 24. März, in dem "eindringlich" darauf hingewiesen worden sei, dass die Stadt ihren Sparkurs "konsequent und intensiv" fortsetzen müsse.
Der Baubeschluss erfolgte bei zwei Gegenstimmen von Ulf Janicke und Irene Alpes (LBU/Die Grünen). Janicke begründete sein Nein mit den bei den bisherigen Planern gemachten und von der Stadt nicht bemerkten Fehlern bei der Kostenentwicklung. Denn wie sich wenige Tage vor der Ratssitzung herausstellte, fehlten 4,8 Millionen Euro, weil Verkehrs- und Technikflächen nicht einberechnet wurden, gerade so, als ob eine Turnhalle nur aus Spielfläche und nicht aus Treppenhaus bestünde. Janicke: "Solange nicht geklärt ist, wie es zu diesem Fehler kommen konnte und nicht klar ist, welche Maßnahmen ergriffen werden, damit sich so etwas nicht wiederholt, kann ich der Beschlussvorlage zur Sporthalle nicht zustimmen."
Bürgermeister Matthias Längin nahm den Fehler "auf seine Kappe", wie er sagte, und entschuldigte sich mit den Worten, dass er den Fehler von zwei Planungsbüros nicht bemerkt habe, weil das Projekt einem hohen Tempo unterliege bei gleichzeitig schwacher Personalbesetzung im Bauamt. Außerdem müsse er sich auf die Fachleute verlassen können, "sonst kann ich es gleich selbst machen". Reinhard A. Weigelt ließ den Verweis auf die Fachleute nicht gelten: "Sie haben doch eine Sorgfaltspflicht!" Er frage nun, wie verbindlich die von den selben Planern erstellten Zahlen zum Schulcampus seien. Eine Antwort darauf blieb die Verwaltung schuldig.
Rat bricht eine Lanze für die Kletterhalle
Aufgeschoben wurde die weitere Planung zum Bau eines zweistöckigen Parkdecks, das 1,8 Millionen Euro kosten sollte. Auf Antrag von Günter Hornstein (CDU) prüft die Verwaltung erst den Bau eines ebenerdigen Parkplatzes. Denn Hornstein hatte die Rechnung aufgemacht, dass Auf- und Abfahrten in dem vergleichsweise kleinen Parkdeck so viel Platz wegnähmen, dass mit der Zweigeschossigkeit nur etwa 13 Parkplätze mehr entstünden, der Kostenaufwand aber sich fast verdopple. "50 000 Euro pro Parkplatz, diese Zahl hatten wir neulich schon einmal", rechnete Lothar Thum (ÜfA/FWV) aus und lenkte damit den Blick auf das Parkhaus Therme, dessen Pläne angesichts solcher Dimensionen "in die Tonne geklopft" worden seien.
Lothar Thum würdigte das Interesse und das Engagement der beiden größten Überlinger Vereine, TV und DAV. Der Turnverein finanziere mit eigenen Mitteln die Ausstattung der Geräteturnhalle, eine Aufgabe, die er sonst bei der Stadt sähe. "Dafür unseren Dank." Die Kletterhalle betrachtet er als "Jahrhundertchance für die Stadt und die Schule, wir bekämen auch ein Schlechtwetterangebot für den Tourismus." Er drängte deshalb darauf, den Technikraum im Sportzentrum so zu platzieren, "dass der DAV darauf aufbauen kann".
Wulf Architekten
Der Entwurf zum neuen Sportzentrums stammt aus dem Büro Wulf Architekten in Stuttgart. Architekt Kai Bierich sagte bei der Vorstellung des Projekts, dass das Foyer "wie ein tickendes Herz der Anlage" geplant sei, von dem aus auch die Kletterhalle angeschlossen werden könne. Der "sehr kompakte" Bau werde von einem Faltwerk gekrönt, das an die Satteldächer im Wohngebiet angelehnt sei.
Zitate der Gemeinderäte:
Günter Hornstein, CDU: "Das ist kein Luxus, sondern ein angemessenes Raumprogramm. Wir stehen uneingeschränkt dazu."
Ulf Janicke, LBU/Die Grünen: "Im Prinzip ist das gut angelegtes Geld. Doch tun wir uns mit der Kostensteigerung von 4,8 Mio. Euro schwer und können nicht verstehen, dass dieses Volumen von externen und internen Fachleuten übersehen wurde."
Reinhard A. Weigelt, FDP: "Der Plan ist gut. Das Hallenensemble muss kommen, wir haben lange darauf gewartet."
Lothar Thum, ÜfA/FWV: "Das steht so nett in der Beschlussvorlage, dass wir im Vorgriff auf den Haushalt 2018 entscheiden. Es steht nicht drin, was gestrichen werden soll. Das Pflaster auf der Promenade, das Pflanzenhaus?"
Michael J. Wilkendorf, SPD: "Wir wollen, dass an dem Standort so schnell wie möglich wieder Schul- und Vereinssport stattfinden kann. Die Kostenkröte müssen wir zähneknirschend schlucken."
Roland Biniossek, Die Linke: "Ein überzeugendes Layout für den Campus. Wir müssen nun auch das Sanierungsgutachten bekommen, um Sicherheit zu haben, dass wir unseren Weg weiter gehen können."