Mit ihren gebogenen Schnäbeln stochern sie im Erdreich nach Nahrung. Doch das machen sie nicht mehr in Hödingen oder auf der Migrationsstrecke in Richtung Süden. Die Waldrappe befinden sich seit Dienstag vergangener Woche im Winterquartier in der Toskana, der Laguna di Orbetello. Derzeit ist das Waldrappteam mit dem Grundproblem konfrontiert, dass es den Vögeln vermitteln muss, dass sie angekommen sind.
Waldrappteamleiter Johannes Fritz erklärt: "Kein einziger wilder Jungvogel ist je weitergeflogen. Da spielen soziale Signale eine Rolle, die wir nicht vermitteln können." Deshalb bleiben die Waldrappe vorerst in ihrer Voliere. Es wird gewartet, bis ihre Ziehmotivation abgeklungen ist. Das kann sich bis in den Oktober hineinziehen, sagt Fritz.

Noch eine Weile werden die Waldrappe von ihren Ziehmüttern Anne-Gabriela Schmalstieg und Corinna Esterer begleitet. Wobei die beiden Expertinnen bereits die Handfütterung eingestellt haben und nicht mehr so viel Zeit mit den Vögeln verbringen. Johannes Fritz zufolge soll das die Verselbstständigung der Waldrappe fördern.
Das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Mensch und Vogel, das für den Zug über die Alpen noch so wichtig war, kann jetzt kleiner werden. Nach und nach werden die Waldrappe schließlich in die Lagune entlassen. Dann kommen sie mit den wild lebenden Waldrappen in Kontakt. Handaufgezogene Exemplare haben ein "recht ausgeprägtes Selbstbewusstsein", sagt Biologe Fritz.

In der Kolonie müssen sie ihren Platz aber erst finden. Und der ist in dem Gefüge ganz unten. Unterstützung von Elterntieren haben sie nicht. Fritz: "Jetzt liegt es an ihnen, in freier Wildbahn zu überleben." Die Wissenschaftler haben die Waldrappe dennoch die ganze Zeit im Blick. Wie schon die Generation zuvor, bekommt jeder der 29 Vögel aus Hödingen einen GPS-Sender. "Wir wissen immer, wo jeder Vogel ist", so Fritz. Über die kostenlose Animal Tracking App können Interessierte die Wege der Waldrappe verfolgen.
In dieser Saison kommt das Team auf 60 junge Waldrappe. Rund 30 aus Hödingen. Zudem gab es in den Brutgebieten Burghausen in Bayern und Kuchl in Österreich insgesamt 26 flügge Jungvögel. "Vier weitere aus dem Zoo Zürich wurden dazu gesetzt", berichtet Fritz. In der Toskana wird schon auf sie gewartet: "Wir gehen davon aus, dass ein wesentlicher Teil ankommt." Der Biologe rechnet damit, dass bis Jahresende zwischen 120 und 130 Waldrappe in dem Winterquartier sind – junge und ältere, die das Auskommen miteinander üben.

Beste Migration
Für das Waldrappteam war es die 13. menschengeführte Migration. "Dieses Jahr ist es außerordentlich gut gegangen", sagt Leiter Johannes Fritz. Er hält den Zug sogar für die bislang beste Migration. Fritz erklärt, dass die Waldrappe prächtig mitgeflogen seien. Der Biologe führt das darauf zurück, dass Anne-Gabriela Schmalstieg und Corinna Esterer noch mehr Erfahrung hatten und der Kontakt zu anderen Menschen nicht so restriktiv gehandelt wurde.