Es knallt und raucht in der Stadt. Vermummte Gestalten streifen durch die Gegend und immer wieder sieht man Feuer. Lautes Kreischen und Schreie hallen durch die Gassen. Doch wir sind nicht an einem Kriegsschauplatz dieser Welt, wir sind auf der Überlinger Fastnacht.
Einem Menschen, der von Krieg traumatisiert ist und als Flüchtling in Überlingen lebt, kommen ganz andere Bilder in den Kopf. Gegen dieses Problem stellen sich die Lehrerin Alice Hagg, der Narrenvater Thomas Pross und weitere Narren.

Sie zeigen in diesem Jahr zum fünften Mal am Narrentag der Jörg-Zürn-Gewerbeschule den Schülern mit Migrationshintergrund die Bräuche der Fastnacht, um sie ihnen näher zu bringen, sie auf das närrische Treiben vorzubereiten und ihnen die Angst zu nehmen. Gerade das „Schnurren“ der Hänsele und das „Necken“, das Kinder aus Überlingen von Anfang an kennen lernen, kann auf Menschen aus fremden Kulturkreisen befremdlich und beängstigend wirken.
Fastnacht in anderen Kulturen
Doch die Schüler der Vabo-Klasse (“Vorqualifizierungsjahr Arbeit und Beruf für Jugendliche ohne Deutschkenntnisse“) haben Glück. Ihre Lehrerin heißt Alice Hagg, sie ist Vollblutfastnachterin und Initiatorin der Aktion.
Die Narren und allen voran Alice Hagg versuchen immer wieder während des Unterrichts, Parallelen und Gemeinsamkeiten der Kulturen nebeneinander zu stellen und anhand dieser zu erklären: Die Fastnacht steht im Zusammenhang mit der Fastenzeit, die dem Ramadan gar nicht so unähnlich ist und das „Fastnachts-Gen“, wie es Narrenvater Thomas Pross nennt, gebe es auch in anderen Kulturen. Allem voran stehe hier der Spaß, man wolle damit niemanden angreifen.
Das sagen die Schüler
Die Schüler der Vabo-Klasse kommen aus Eritrea, Syrien, Somalia und weiteren Ländern. Viele sind erst in den letzten paar Jahren nach Deutschland gekommen. Aber es sind auch Schüler im Klassenzimmer, die schon länger in Deutschland leben und die Fastnacht bereits kennen.

So zum Beispiel Manuela. Sie kommt aus Uhldingen, ist 19 Jahre alt und lebt seit sechs Jahren in Deutschland. Ihre Eltern kommen aus Bulgarien. „Es ist eine gute Sache, damit die anderen keine Angst bekommen. Außerdem ist es sehr interessant“, sagt sie über die besondere Unterrichtsstunde. Ali aus Syrien ist 18 Jahre alt und erst seit einem Jahr in Deutschland. Obwohl er gut Deutsch spricht, hat er nicht alles verstanden, aber er findet es „gut, dass man es uns erklärt“. Er selbst will auch auf die Fastnacht gehen.
Schüler wollen die Fasnacht erleben
Während des Unterrichts erklären Hagg, Pross und die anderen Narren den Jugendlichen die Herkunft der Zünfte, die Entstehung des Viererbunds, die verschiedenen Gegenstände, die einem an der Fastnacht begegnen und was es mit der Schülerbefreiung am Schmotzigen Donnerstag auf sich hat. Das freut die Schüler natürlich am meisten.
Nach der Stunde bekommen einige Schüler von den Zünften kleine Geschenke und die Gelegenheit zum vertiefenden Gespräch. Dabei unterhält sich Pross mit drei Jugendlichen aus Eritrea, die seit einem Jahr in Deutschland leben. Sie hätten von den im Dialekt vorgetragenen Begriffen nicht viele in ihre Heimatsprache übersetzen können, sagten die drei Eritreer. Die Freude an der Fastnacht haben sie aber dennoch erspürt, denn sie wollten nun selbst das närrische Treiben erleben.