Stefan Hilser und Martin Deck

Klaus Haberstroh hat ein anstrengendes Jahr hinter sich. Ehrenamtlich engagiert er sich als Vorsitzender des Alpenvereins Überlingen für den Bau einer Kletterhalle, einem Millionenprojekt, das ständig am Abgrund wandelte. Bis 2017 sah es nach einer engen Kooperation mit der Stadt aus, die sich jedoch mehr und mehr aus dem Projekt zurück zog, bis die Alpenvereinsmitglieder das Wagnis unterschrieben, komplett auf eigene Kosten eine Halle zu bauen. Doch weiß Haberstroh, dass der Weg bis zum Gipfel noch weit ist, wo die Luft immer dünner wird.

Haberstroh ist Skitourengeher, Bergsteiger und Segler. Alle Sportarten miteinander zu verbinden, das stellt für Haberstroh den ultimativen Reiz dar und sind Sprit für sein anstrengendes Ehrenamt. Segeln in Skiregionen – das geht eigentlich nur in polaren Gebieten, wo das Segelboot als Transportmittel und Basislager dient. Und so brach Haberstroh im Dezember 2016, also rechtzeitig vor dem vergangenen nervenaufreibenden Jahr, zu einer spektakulären Segeltörn an den Südpol auf.

Ankerplatz auf Melchior Island vor der Antarktischen Halbinsel, die Klaus Haberstroh mit dem Segelboot von Südamerika aus ansteuerte.
Ankerplatz auf Melchior Island vor der Antarktischen Halbinsel, die Klaus Haberstroh mit dem Segelboot von Südamerika aus ansteuerte. | Bild: Klaus Haberstroh

Klaus Haberstroh hat schon mehrere Skiexpeditionen mit dem Segelboot erlebt und war auch schon im Südatlantik unterwegs. 2013 ist er mit einem Expeditionsteam auf der "Santa Maria Australis", einem 20 Meter langen Segelboot, von den Falklandinseln 1500 Kilometer zur antarktischen Insel Südgeorgien gesegelt, einem Naturparadies mit Millionen von Pinguinen, gewaltigen Gletschern und hohen Bergen. Damals schon berichtete er im DGH Nußdorf. Wegen des schlechten Wetters unternahm er nur wenige Touren. "Und auf dem langen und stürmischen Rückweg gegen den Wind musste unser Expeditionsteam physisch und psychisch an die Grenzen gehen."

Obwohl diese erste Antarktis-Expedition nicht optimal verlief, zog es ihn wieder in den stürmischen Südatlantik. Im Dezember 2016 brach Haberstroh wieder mit der "Santa Maria Australis" und Kapitän Wolf Kloss von der Südspitze Südamerikas in Richtung Antarktis auf. Die antarktische Halbinsel ist ein 1200 Kilometer langer Gebirgszug mit Bergen bis fast 3000 Meter Höhe. Ihre Spitze ist der nördlichste Punkt des antarktischen Kontinents und rund 700 Kilometer von Kap Hoorn entfernt, dem südlichsten Punkt Südamerikas. Haberstroh: "Wir sind nach Ushuaia (Argentinien) geflogen und von dort mit einem halboffiziellen Taxiboot über den Beaglekanal nach Chile. Dann drei Stunden auf Schotterpiste nach Puerto Williams, dem südlichsten Dorf der Erde, wo sich alle Weltumsegler treffen."

Klaus Haberstroh unternahm eine Segel- und Skitouren-Expedition in die Antarktis. Das Bild entstand in der Paradies Bay. Am 25. Januar ...
Klaus Haberstroh unternahm eine Segel- und Skitouren-Expedition in die Antarktis. Das Bild entstand in der Paradies Bay. Am 25. Januar berichtet er in einem Multivisionsvortrag im DGH Nußdorf. | Bild: Klaus Haberstroh

Die Reise begann stürmisch. "Gleich am ersten Tag musste die Santa Maria am Kap Hoorn vor Anker und einen orkanartigen Sturm abwettern." Die Drakepassage wiederum, eine unter Seglern gefürchtete Meeresstraße, sei sehr "zahm" gewesen, berichtet Haberstroh, und nach 80 Stunden erreichte sein Team die antarktische Halbinsel, wo die "Santa Maria" erst einmal zwei Tage lang im Packeis steckte. Auf die ganze Expedition hin betrachtet, sei das Wetter "sensationell gut" gewesen, wie Haberstroh sagt, sie unternahmen sieben Skitouren. Haberstroh gibt Einblicke in eine unbekannte Welt, von der es keine brauchbaren topographischen Karten gibt: "Die Berge sind absolut einsam und es gibt keine Rettung, wenn irgend etwas passieren sollte. Die Gletscher sind hyperaktiv. Sie fließen sehr schnell und ihre Eismassen stürzen mit hoher Frequenz von den Gletscherabbrüchen ins Meer. Durch die Bewegung der Gletschermassen entstehen große und tiefe Spalten. In dieser unwirklichen Gegend gibt es nur eines: Vorsicht und viel Respekt vor den Naturgewalten."

Auf der Rückfahrt machte die Crew auf Deception Island fest, einem aktiven, im Meer versunkenen Vulkan, der wie ein Tauchsieder wirkt. Sein Kraterrand ragt sichelförmig aus dem Wasser, Haberstroh segelte direkt in die Caldera. So frostig die Tour bislang auch war, hier konnte Haberstroh seine Glieder wärmen. "Das Wasser hat am Ufer über 30 Grad Celsius."

Über seine Antarktis-Reise berichtet Klaus Haberstroh am 25. Januar in einem Multivisionsvortrag um 19 Uhr im Dorfgemeinschaftshaus Nußdorf. Haberstroh wird im Oktober 60 Jahre alt. 1997 hat er dieFirma ESE in Stockach gegründet und 2010an den Biotechkonzern Qiagen verkauft. Bis 2013 war er noch Geschäftsfüher, beruflich ist er seitdem nicht mehr aktiv. Dazu Haberstroh: "Privatier nennt man das offiziell. Klingt mir aber zu großkotzig und passt eigentlich nicht zu mir." Bilder von seinen Expeditionen in die ganze Welt: www.klaushaberstroh.de

Klaus Haberstroh, Vorsitzender der Sektion Überlingen des Deutschen Alpenvereins.
Klaus Haberstroh, Vorsitzender der Sektion Überlingen des Deutschen Alpenvereins. | Bild: Stefan Hilser

 

Haberstroh ist ein Kämpfer für die Kletterhalle

  • Am 14. Dezember erfüllte sich für Klaus Haberstroh ein lang gehegter Wunsch: Die Mitglieder des Deutschen Alpenvereins (DAV) Sektion Überlingen stimmten mit 95 Prozent für den Bau eines Vereins- und Kletterzentrums beim Schulcampus. „Überhang“ haben die Planer das Bauwerk genannt, mit dessen Bau im Februar 2019 begonnen werden soll. Neben Kletter- und Boulderwänden im Innen- und Außenbereich sind ein Bistro, ein Aufenthalts- und Vortragsraum sowie ein Büro für die DAV-Geschäftsstelle vorgesehen.
  • Seit 2006 setzte sich der DAV für eine Kletterhalle in Überlingen ein, seit 2011 mit Haberstroh an der Spitze. "Das ist jetzt mein Projekt Nummer 8, und es ist mit Sicherheit mein letztes", sagte er noch vor der Abstimmung und machte klar: "Ich will mir kein Denkmal setzen." Vielmehr ginge es ihm darum, ein attraktives Angebot für Jugendliche und Familien zu schaffen. Im kommenden Jahr wird Klaus Haberstroh den Sektionsvorsitz abgeben. Er hat sich jedoch bereit erklärt, "das Projekt Vereins- und Kletterzentrum so lange voranzutreiben, bis es stabil funktioniert".
  • Nach derzeitigem Stand soll die Halle rund 1,7 Millionen Euro kosten – bislang fehlen dem Verein noch rund 200 000 Euro. Um diese Finanzierungslücke zu stopfen, hofft der DAV auf Sponsoren und Spender. Hierzu hat die Sektion eine Crowdfunding-Aktion gestartet, bei der kleine Gegenleistungen für den Spendenbetrag angeboten werden. Die Spendenaktion finden Sie unter: www.startnext.com/ueberhang